Die Musikerin Franziska Hölscher ist von „Musik und Theater Saar"-Chef Joachim Arnold vor drei Jahren zur Leiterin der Kammermusiktage Mettlach ernannt worden. Eine Vorschau auf ausgewählte Programmpunkte des diesjährigen Traditionsfestivals.
Frau Hölscher, „Die schöne Müllerin" steht auf dem Programm. Joachim Arnold hat mir verraten, dass er Schubert-Liebhaber ist. Sie auch?
Ja, Schubert ist meine große Leidenschaft. Seine Lieder sind für mich so anrührend und sprechen mir aus der Seele. Das Liedhafte findet man auch in seinen Instrumentalwerken – das ist einfach traumhaft.
Auch Schuberts Streichquintett kommt zur Aufführung. Ein Spätwerk, das als rätselhaft gilt. Warum?
Es ist eines der großartigsten, schon transzendenten Werke der Musikliteratur – himmlische Melodien, die an vielen Stellen ins Jenseits zeigen. Schuberts Streichquintett ist ein Stück, das ich öfter gespielt habe, das mich viel begleitet hat und sicherlich noch mein ganzes Leben begleiten wird.
Allerdings werden Sie bei der Aufführung des Streichquintetts nicht mitspielen. Was spielen Sie an diesem Abend? Sie werden an zwei Soireen und einer Matinee mitwirken.
Schuberts Streichquintett kommt mit dem Quatuor Arod und Maximilian Hornung zur Aufführung. Ich spiele in dieser Matinee ein für Streicher bearbeitetes Choralvorspiel von Bach und eine Bearbeitung eines Stückes von Ludwig Senfl, einem Luther-Zeitgenossen, ebenfalls mit dem Quatuor Arod und Maximilian Hornung.
Beim Konzert „Next Generation I" steht Schubert ein weiteres Mal, das Streichtrio B-Dur D 581, auf dem Programm.
Ich weiß nicht, wieso mich die Musik von Schubert gerade in dieser Zeit so intensiv begleitet. Es mag daran liegen, dass immer auch eine gewisse Traurigkeit in ihr steckt. Dass ich diese Werke programmiert habe, geschah ganz unbewusst. Die Zeit, in der wir uns befinden, ist von einer großen Intensität geprägt und mit vielen Emotionen behaftet – da ist Schubert ein wichtiger Wegbegleiter.
Das Konzert „Next Generation I" wird von der Kronberg Academy unterstützt. Was ist das für eine Institution?
In der Kronberg Academy treffen sich ausgezeichnete und einige der vielversprechendsten Nachwuchsmusiker – eine Talentschmiede ersten Grades. Ich bin unheimlich froh, dass ich diese Kooperation anstoßen konnte. Es ist ein großes Glück, dass diese jungen Solisten und Kammermusiker beim Festival spielen, die gerade dabei sind, eine große Karriere zu starten. Ich kenne die Spieler sehr gut, mit Stephen Waarts habe ich schon zusammengespielt – er ist ein sensationeller Geiger.
Beim Konzert „Next Generation II" konzertieren Preisträger der Deutschen Stiftung Musikleben – eine zweite Weinwanderung. Ein ideales coronakonformes Format?
Das müssen wir noch austarieren. Joachim Arnold ist ein agiler, für die Kultur kämpfender Mann, der sich dafür einsetzt, dass wir Möglichkeiten finden, unter Coronabedingungen zu spielen – im Zeltpalast hat er beispielsweise ein Testzentrum aufgebaut. Die Weingüter haben ein geringes Platzangebot, aber wir haben schon Pläne B und C. Es gibt immer noch die Möglichkeit, in den Zeltpalast umzuziehen und von dort die Wanderung zu planen. Wir können nur abwarten, wie sich die Lage entwickelt.
Wie gewohnt soll in der Alten Abtei Mettlach konzertiert werden. Weshalb entscheiden Sie sich nicht von vornherein für die sichere Option im Zeltpalast Merzig wie im Vorjahr?
Eine gute Frage. Die Abtei Mettlach gehört zu der DNA der Kammermusiktage. Wir alle lieben auch diesen Spielort und sind dem Unternehmen Villeroy & Boch sehr dankbar, dass sie uns diesen zur Verfügung stellt. Wir möchten die Möglichkeit, dass wir dort spielen können, möglichst lange offenlassen. Auch wollen wir dem Publikum mehrere Spielstätten ermöglichen und werden alles versuchen, an diesen Orten Livemusik vor Publikum zu bringen.
Welche Herausforderung, in Pandemiezeiten ein Festival zu organisieren, ist die größte?
Die größte Herausforderung ist die fehlende Planungssicherheit. Wo können wir spielen? Unter welchen Voraussetzungen? Wir können leider auch den Künstlern wenig Sicherheit geben. Man kann nur von Woche zu Woche denken – das ist eine für Künstler und Veranstalter ungewohnte und nicht angenehme Situation, die psychologisch viel Kraft kostet und an die Grenzen geht.
Perkussionist Alexej Gerassimez und Jazzpianist Omer Klein eröffnen die Kammermusiktage unter der Überschrift „Grenzgänger", unter anderen mit Variationen zu Igor Strawinskys „Feuervogel". Erwartet uns energiegeladene Musik voller Lebensfreude?
Auf jeden Fall! Das war mein Ziel – sage ich Ihnen ganz ehrlich – dass wir nicht nur in Trauer und Resignation – vielleicht auch in Schubert´scher Melancholie? – das Festival begehen. Wir wollen das Leben wieder feiern und mit Energie und Enthusiasmus nach vorne schauen. Es war mir ebenso wichtig, optimistische wie nachdenkliche Programme einzuplanen.
Sie laden zum Familienkonzert mit dem schönen Titel „Mussorgsky und die gruseligen Bilder einer Ausstellung". Kinder welchen Alters sprechen Sie damit an?
Das Programm hat der fantastische Malte Arkona mit dem ebenso großartigen Pianisten Lars Vogt kreiert. Arkona ist allen bekannt aus dem beliebten Tigerenten-Club – das Programm ist somit schon auf die ganz Kleinen zugeschnitten. Es soll für Familien – für Groß und Klein – sein. Das Familienkonzert wird für uns alle ein Riesenspaß werden!
„Psycho – Fantasie über das kalte Entsetzen" wird von Schauspieler Matthias Brandt und dem Pianisten und Sänger Jens Thomas gestaltet. Was kommt da auf uns zu?
Der Schauspieler Matthias Brandt gestaltet Hitchcocks Klassiker „Psycho" in einen Abend für Sprecher und Jazzklavier um. Das Programm lebt von der Spontanität seiner Akteure. Wir dürfen uns auf Improvisationen einlassen – es ist sensationell zu erleben, wie sich beide Künstler die Bälle zuwerfen. Dieser Abend ist ein großer Wurf!
Mit welchem Konzert werden die Kammermusiktage 2021 enden?
Mit einem Konzert eines ganz, ganz wichtigen Weggefährten und Mentors: Reinhard Goebel. Mit dem großen Barockmeister werde ich auf Konzerttournee sein, und: Wir werden Station in Mettlach machen. Das ist persönlich ein besonderer Höhepunkt, weil Bachs Musik zum einen etwas Existenzielles und Fundamentales für mich bedeutet, zum anderen aber auch aus dem Grund, weil Reinhard Goebel als ein so verehrter und geschätzter Musiker eine wichtige Rolle in meinem musikalischen Leben einnimmt. Ich lerne von ihm ungemein viel. Reinhard Goebel ist eine der Ikonen Alter Musik. Das Konzert wird sicherlich ein besonderer Abschluss der Kammermusiktage
werden.