Es hatte schon was. Was, das ist schwierig zu beschreiben. Es war halt schlicht und ergreifend still. Nachts auf dem Balkon unter dem fast vollen Vollmond. Rilke wäre dazu was Passendes eingefallen. Oder sonst einem romantischen Mondscheindichter. Dabei war es schlicht das Ergebnis von irdischem Menschenwerk namens Bundesnotbremse, die selbst die nahe Bundesstraße verstummen ließ.
Nächsten Tags meldete die Polizei nichts von größerer Bedeutung an Verstößen, bemerkenswert nach dem Wochenende zuvor. Sollten es die meisten Menschen mit ihren Antworten bei Umfragen ernst gemeint haben, vor allem der beträchtliche Teil, der schärfere Maßnahmen für angemessen hielt?
Von wegen angemessen: Erklären Sie mal einem 87-Jährigen doppelt geimpften Herrn, warum er nach der zweiten Impfung ins Testzentrum fahren soll, um sich die Haare schneiden zu lassen. Das soll jetzt anders werden. Aber ist das gerecht? Erst gibt es die Priorisierung, und dann sollen auch noch die priorisiert Geimpften als erstes in die Disco gehen dürfen (wenn die mal wieder auf hat)? Aber was ist schon gerecht an dieser Pandemie und den Versuchen, sie in den Griff zu bekommen?
Ethiker, also die sogenannten praktischen Philosophen, sind derzeit gesuchte Gesprächspartner. Wobei erstaunt, dass es doch noch einige von dieser Zunft gibt, die offenbar entbehrlich erschien, gemessen an vielen Hochschulentwicklungsplänen. Nun können uns auch die nicht klar und eindeutig sagen, was denn nun richtig ist. Aber immerhin haben sie einen anderen Blick auf Zusammenhänge. Woraus sich für so manche Entscheidung eine nachvollziehbare Begründung ergeben kann. Das schafft dann zwar immer noch keine totale Gerechtigkeit, die es ohnehin nie geben kann, aber wohl mehr Verständnis als das nächste Regelungsmonster, das allen Einzelfällen versucht, gerecht zu werden. Und wenn sich dann alle irgendwie ein bisschen ungerecht behandelt fühlen, wird’s in der Summe schon irgendwie gerecht sein?
Wir wissen aus dem letzten Jahr und den letzten Wochen: Alles schließen und nächtliche Ausgangsbeschränkung verhängen ist vergleichsweise viel leichter als besonnen und vor allem gut begründet Schritte zur Öffnung zu organisieren. Genau das muss aber jetzt, wo Priorisierungen auslaufen, Priorität haben.