Mit der Verpflichtung von Adi Hütter zur neuen Saison ist Max Eberl ein Coup gelungen. Der Gladbacher Sportdirektor zeigt damit, dass er zum Schutz seines Projekts auch umstrittene Entscheidungen trifft.
So viel Geld wie für Adi Hütter wurde noch nie für einen Trainer in der Bundesliga bezahlt. Satte 7,5 Millionen überweist Borussia Mönchengladbach an Eintracht Frankfurt, um deren Erfolgstrainer nach Gladbach zu lotsen. Das legt zumindest offen, dass Sportdirektor Max Eberl von seinem zukünftigen Chefcoach überzeugt ist. „Er ist für unsere Mannschaft und unseren Verein der beste Trainer für die ab dem Sommer vor uns liegenden Herausforderungen und Ziele", sagte Eberl. Doch über den Wechsel von Hütter gibt es nicht nur positive Stimmen. Das liegt vor allem an der Vorgeschichte. Adi Hütter saß vor Monaten in einer Talk-Runde und machte es seinem Vorgänger Niko Kovac nach: Aus einem ich bleibe „Stand jetzt" wie beim Ende der Kovac-Ära wurde ein „ich bleibe". Ohne Zusatz. Viele legen ihm nun seine damalige Aussage als Lüge aus. Doch fairerweise muss erwähnt werden, dass damals andere Umstände herrschten. Der Abgang von Sportchef Bruno Hübner war beschlossen, Vorstandsboss Fredi Bobic, ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs der Eintracht war dagegen noch im Amt. Doch danach kam mächtig Bewegung in dieses Thema. Bobic löste seinen Vertrag auf, wird ab Sommer für Hertha BSC die Verantwortung als Sportdirektor übernehmen. Hütter brach damit der wichtigste Ansprechpartner weg. Die Karten wurden neu gemischt – das rief Max Eberl auf den Plan. Und der konnte dann die Verpflichtung des Wunsch-Trainers angehen. Auch wenn mit mehreren Kandidaten gesprochen wurde.
„Ich kann nur sagen, dass ich kein Lügner bin"
Nach Bekanntgabe des Wechsels von Marco Rose zu Borussia Dortmund habe er „spannende und interessante Wochen" mit „vielen guten Gesprächen mit tollen Menschen" erlebt, erzählte Eberl im Podcast der Kroos-Brüder. Schließlich sei die Wahl auf den 51 Jahre alten Österreicher gefallen: „So hast du einen kleineren Kreis an Trainern, mit denen du dich austauschst, mit denen du dich triffst. Dann gibt es den Faktor Empathie, Kommunikation: Wie geht man miteinander um? Kann er sich mit dem Verein und den Möglichkeiten, die wir haben, identifizieren?". Hütter wurde dann vorgeworfen, dass er absichtlich falsch gespielt hab. Das wies er jedoch energisch zurück: „Ich kann nur sagen, dass ich kein Lügner bin. Wenn sich vieles verändert, habe ich ein Recht, eine andere Entscheidung zu treffen", betonte Hütter. Dass dies mit dem Abschied von Sport-Vorstand Fredi Bobic und Sportdirektor Bruno Hübner in Zusammenhang steht, wollte er nicht leugnen: „Es ist schon sehr wesentlich, mit welchen Leuten ich zu tun habe." Den Entschluss zum Abschied vom Main habe er in der Länderspielpause nach einem Gespräch mit Gladbachs Manager Max Eberl getroffen. „Da hat mich manches überzeugt", betonte Hütter, der in Gladbach die Nachfolge des zum BVB wechselnden Marco Rose antritt. Auf die Frage, ob er von ihm geschätzte Eintracht-Profis mitnehmen würde, antwortete er ausweichend: „Ich kann nichts versprechen, sage aber, dass ich aktiv niemand mitnehmen möchte."
In Hütter, so lassen sich diese Sätze interpretieren, sehen Eberl und die Gladbacher Verantwortlichen offenbar genau die Anforderungen für die Zeit nach Marco Rose erfüllt. Und wie es das Schicksal so oft will, sickerte die Hütter-Verpflichtung der Gladbacher genau vor dem Spiel gegen Hütters Eintracht durch. Mit überschaubarem Erfolg für die Eintracht: Es setzte eine 0:4-Niederlage. Das ändert jedoch nichts an seiner weiterhin überragenden Bilanz bei der Eintracht. 2018 kam er aus der Schweiz in die Bundesliga, wo ihn niemand so recht auf dem Schirm gehabt hatte. Zuvor hatte er den SV Grödig in die österreichische Bundesliga und schließlich sogar in die Europa League geführt, war dann über RB Salzburg, wo er Meisterschaft und Pokal holte, zum BSC Young Boys Bern gewechselt. In seiner Frankfurter Zeit erreichte er mit dem Team das Halbfinale der Europa League, schaffte es zudem stets, das Leistungsniveau trotz namhafter Abgänge (Ante Rebic, Sebastian Haller, Luka Jovic) oben zu halten. Die Eintracht und Hütter – das passte. Verein und Trainer verdanken sich gegenseitig viel, doch nun stehen beide vor einem neuen Abschnitt. Frankfurt wird, sollte es jetzt nicht zu einem enormen Einbruch kommen, in der kommenden Saison in der Champions League spielen. „Die Entscheidung, zur neuen Saison ein neues Kapitel aufzuschlagen, habe ich mir nicht leicht gemacht. Ich habe hier drei unglaublich erfolgreiche und intensive Jahre erlebt, die ich gemeinsam mit der Mannschaft zum Ende dieser Saison mit einem herausragenden Ergebnis abschließen möchte", sagt der Österreicher über den neuen Abschnitt in seiner Karriere. „Wir haben eine historische Chance. Alles, was für mich jetzt zählt, ist der Erfolg der Eintracht. Wir wollen unseren Vorsprung verteidigen und uns für die Champions League qualifizieren. Diesem Ziel ordnen wir alles unter."
Großer Umbruch am Frankfurter Riederwald
Während es mit seinem aktuellen Arbeitgeber also noch um die Champions League geht, kann es passieren, dass er bei seinem neuen Arbeitgeber ab Sommer gar nicht international spielen wird. Die Borussia hatte sich nach dem Bekanntwerden des Rose-Abgangs in einer Abwärtsspirale befunden und so mächtig Boden im Kampf um die internationalen Plätze verloren. Damit kein Trainer mehr aufgrund einer Ausstiegsklausel den Verein verlassen kann, wurde keine in Hütters neuem Vertrag verankert. „Ich bin schon jemand, der sagt: Ausstiegsklauseln bedeuten Klarheit. Aber natürlich bin ich froh, wenn meine Mitarbeiter keine Klausel haben und wenn sich ein Trainer so klar committed wie Adi", meinte Eberl. Auch er sei froh, „dass die Nachricht jetzt raus ist" und er aus dem Trainer-Karussell aussteigen könne. Für Hütter ist der Wechsel zum fünfmaligen Deutschen Meister ein weiterer Schritt nach vorn. Frankfurt hat sich bisher noch nie für die Champions League qualifiziert, Gladbach war in den vergangenen Jahren Stammgast in Europa und nahm seit der Saison 2012/13 dreimal an der Königsklasse teil. „Ein Trainer hat heute immer öfter auch einen ganz klaren Karriereplan", erklärte Sky-Reporter Alexander Bonengel und ergänzte. „Mit Max Eberl kann er sehr gut, er findet in Gladbach sehr viel Kontinuität vor."
Nicht nur Kontinuität, sondern auch jede Menge Qualität und bessere finanzielle Möglichkeiten. Transfers von international begehrten Profis wie Marcus Thuram oder Alassane Pléa zeigen, welch gute Arbeit Eberl, der seinen Vertrag im Dezember bis 2026 verlängert hatte, bei der Borussia macht. Lars Stindl, Matthias Ginter, Yann Sommer – die Liste der international erfahrenen Spieler ließe sich noch weiter fortsetzen. Mit einigen Spielern stehen derzeit noch Vertragsgespräche aus. Nico Elvedi hat schon verlängert, Matthias Ginter macht seinen Verbleib abhängig von den Gedankenspielen des neuen Trainers. Ein riesiger Umbruch ist demnach nicht zu erwarten. Jonas Hofman zeigte sich indes überzeugt vom neuen Trainer: „Max Eberl hatte in der Vergangenheit immer ein gutes Gespür, was Trainer betrifft. Er hat jetzt jemanden geholt, der bestimmt den Weg weitergeht, den wir mit Marco vor zwei Jahren eingeschlagen haben." Hofmann erwartet unter dem Österreicher „Gegenpressing, Umschaltspiel, schnelle Tiefe und impulsives Attackieren". Die Borussia verfüge über „eine Mannschaft, die in der Lage ist, das umzusetzen".
Hofmann begeistert von der Wahl des neuen Trainers
Die Mannschaft wird wenig an der Verpflichtung von Hütter auszusetzen haben, ein derzeit gemischtes Bild geben die Fans ab. Viele sind zufrieden, bedauern aber den Umstand, dass nun mit den gleichen Mitteln ein neuer Trainer gefunden wurde, mit denen der eigene abgegeben werden musste.
Doch genau das zeigt ganz deutlich: Max Eberl ist für sein Herzensprojekt gewillt, auch möglicherweise umstrittene Entscheidungen zu treffen. An der Verpflichtung eines Trainers aus der eigenen Liga ist nichts Verwerfliches, für viele hat es aber trotzdem ein Geschmäckle.
Dennoch hat die Kombination aus Hütter und Eberl enormes Potenzial sowohl für kurzfristigen als auch für langfristigen Erfolg – das dürfte die Fanseele am Niederrhein wieder ein wenig beruhigen.