Es gibt Abertausende Inseln zwischen Skagerrak und Finnischem Meerbusen. Bekannte heißen Bornholm oder Gotland, andere sind weniger berührte oder nahezu unbekannte Eilande. Wir verraten unsere Top Five.
Die kleine Schwester Rügens – Mön, Dänemark: Sie lieben Rügen, aber wollen mal die Vorzeichen ändern? Dann planen Sie doch mal mit Mön. Beide Inseln entstanden vor Jahrmillionen sozusagen in einem erdgeschichtlichen Rutsch: Erdplatten verschoben sich und drückten riesige Kalkmassen an die Oberfläche.
Auf Rügen entstanden die berühmten Kreidefelsen, auf Mön wurde im äußersten Inselosten ein Abbild erschaffen, das mit 128 Metern den Königsstuhl sogar um zehn Meter übertrifft. Auch Møns Klint ist steil und weiß wie die Wand. Der Kalk färbt das Meer türkisfarben ein, und hätte es Ohren, müsste es sich einen Karibikvergleich nach dem anderen anhören. Dänemarks – mit 496 Stufen angeblich – längste Treppe führt hinunter zum Steinstrand. Der Küstenabschnitt ist sieben Kilometer lang. Wen die Erdgeschichte im Detail interessiert, bucht einen Guide im Erlebnis-Museum GeoCenter, das auf dem Kliff thront. Auf Spaziergängen am Strand können Fossilien und Donnerkeile – das sind versteinerte Tintenfischrücken – gefunden und nach Auskunft des Fremdenverkehrsbüros auch behalten werden.
Dänemarks längste Treppe zum Strand
Mön und die umliegenden Inseln sind seit 2017 ein Unesco-Biosphärenreservat, das erste Dänemarks. Im Nordwesten liegt mit Ulvshale der Flecken, den Günther Grass als Urlaubsdomizil nutzte. Die Halbinsel ist geprägt von Mooren und einem sich selbst überlassenen, wilden Wald. Über eine Brücke erreicht man die kleine Nachbarinsel Nyord, die mit ihren Salzwiesen als Ornithologen-Mekka gilt. Und als Ort mit wenig Lichtsmog von der International Dark Sky Association empfohlen wird: Will heißen, hier sind die Nächte so dunkel, dass man die Milchstraße in sternenklaren Nächten hell leuchten sieht. Mön ist mit Radwegen gut erschlossen, als Unterkunft sind vor allem Ferienhäuser an den Stränden in Råbylille und Ulvshale beliebt. (www.visitdenmark.de)
Alpaka-Trekking über die Insel Ven
Wo Astronomisches geschah – Ven, Schweden: Geht es nach der Erzählung des örtlichen Museums, geschahen auf der schwedischen Öresundinsel Ven Dinge, die den Blick der Menschheit auf ihren Planeten grundsätzlich änderten. Denn Ven war die Wirkungsstätte des fast in Vergessenheit geratenen Astronomen Tycho Brahe, der aus seinen Beobachtungen seinerzeit Ungeheuerliches schloss. Den Anleger des Örtchens Bäckviken erreicht man per Fähre vom schwedischen Festland aus in 20 Minuten. Vor Ort warten Heere von gelben Leihfahrrädern, mit denen sich das Inselchen über schmale, säuberlich angelegte Kieswege ergründen lässt. Alternativ kann man zum Alpaka-Trekking aufsatteln oder ein Golfcart mieten. Es geht vorbei an rot-weiß getünchten Holzhäuschen mit umzäunten Zier- und Nutzgärten – so weit typisch Südschweden. Auch eine Steilküste im Miniformat hat Ven zu bieten.
Weniger typisch: die in den Boden eingelassenen Rundgebäude in der Inselmitte. Es ist die in Großteilen rekonstruierte Sternwarte des Astronomen, der im 16. Jahrhundert hier wirkte. In seinem windgeschützten unterirdisch angelegten Observatorium vermaß Brahe den Himmel.
Im angeschlossenen Brahe-Museum lernen Gäste, dass der Astronom „Fehler in den Vorstellungen von Aristoteles und Kopernikus" aufspürte: Nachdem er 1572 wohl einen leuchtenden Sternentod, eine Supernova, beobachtet hatte, behauptete er als erster Mensch, das Universum sei nicht statisch; er rüttelte am ptolemäischen Weltbild, das die Erde als Mittelpunkt des Universums annahm. Und die Dauer des Jahres berechnete Brahe mit nur zwei Sekunden Abweichung zum heutigen Wert. Und das alles, bevor das Fernrohr erfunden wurde.
Die meisten Touristen auf Ven sind Tagesgäste – wer aber über Nacht bleibt, etwa im Hüttendorf Camp Ven mit Glamping, ist im Vorteil: Denn erst, wenn die letzte Fähre abgelegt hat, erlebt man ein ruhiges Ven und einen Nachthimmel, wie ihn einst Brahe beobachtete. (www.visitskane.com)
Heimat der größten Wildrinder – Wolin, Polen: Sie ist so lang wie vier Fußballfelder und damit eine der längsten ihrer Art an der Ostsee: Erst nach 395 Metern erreicht man das Ende der Seebrücke von Międzyzdroje (Misdroy). Wilhelm II. besuchte sie und machte das Städtchen wie viele andere am Meer dadurch zum „Kaiserbad". Heute ist Międzyzdroje auf Wolin das meistbesuchte polnische Seebad. Das klingt dann doch nach Touristenrummel. Doch steht die Insel immer noch im Schatten der bekannten Nachbarin Usedom im Westen.
Tatsächlich reihen sich an der zwei Kilometer langen Promenade Buden, Restaurants und qualmende Öfen, wo frischer Fisch geräuchert wird – der richtige Snack nach einem langen Tag am im Sommer oft überfüllten Strand. Dass der Tourismus nach dem Ende des Sozialismus Geld auf die Insel gebracht hat, sieht man an den restaurierten Stadtvillen, der wieder auf Hochglanz gebrachten alten Bäderarchitektur.
Über Wolin streifen Wisente, im Wald wachsen Orchideen
Wolin, gelegen vor dem Stettiner Haff und im Westen durch die Swine-Meerenge von Usedom getrennt, ist Polens größte Insel. Ein rund 60 Kilometer langes Wegenetz überspannt das landschaftlich abwechslungsreiche Wolin, eine Wonne für Fahrradfahrer.
Die an vielen Stellen mit Sanddorn überwucherte Steilküste gipfelt im Osten am Gosanberg, der sich auf 93,4 Meter über die Ostsee erhebt. Es ist die höchste Erhebung der polnischen Küste. Von der Aussichtskanzel schweift der Blick über die pommerische Bucht bis nach Usedom. Von den Dünen Międzyzdrojes zum artenreichen Woliński Park Narodowy (Nationalpark Wolin), der ein Fünftel der Insel bedeckt, ist es nur eine kurze Wanderung. Im recht ursprünglichen Kiefern- und Buchenwald gedeihen sogar Orchideen. Der heimische Seeadler ziert das Wappen des Nationalparks – auf dem sich auch der Wisent, als bekannter Inselbewohner, nicht schlecht machen würde.
Das zottelige und größte Wildrind der Welt, verwandt mit dem amerikanischen Bison, streifte einst über die Insel, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet und später wieder angesiedelt. In einem großen Freilandgehege nahe Międzyzdroje leben heute wieder rund 60 Exemplare des Hornträgers mit dem massigen Schädel. Am besten lassen sie sich bei Fütterungen beobachten. (www.wolinpn.pl)
Schlafen wie die Leuchtturmwärter – Bengtskär, Finnland: Wie viele der Inselchen im Finnischen Meerbusen ist die Schäre nicht mehr als ein Felsenbuckel, der baumlos aus dem Meer ragt, und mit 100 mal 150 Metern ist Bengtskär miniklein. Bei rauer See wird die Insel manchmal komplett überspült. Ungewöhnlich aber ist die Geschichte. Und die ist mit dem Leuchtturm verbunden, der ab 1906 den Schiffen den Weg zeigte: Bis in die 1930er-Jahre lebten auf Finnlands südlichster bewohnter Insel mehrere Leuchtturmwärter mit ihren Familien, und die Kinder verbrachten hier ihre ganze Kindheit. Eine glückliche Kindheit, wie überliefert ist. Bis zu 32 Menschen wohnten gleichzeitig auf Bengtskär. Die Männer kümmerten sich um Licht und Nebelhorn, sie hielten rund um die Uhr Wache im Turm. Die Frauen kümmerten sich um den Haushalt.
Auf der Insel Ruhnu wird Cow-Watching angeboten
In einer kleinen Schule wurde der Nachwuchs unterrichtet. Strategisch bedeutsam am Eingang des Meerbusens 18 Kilometer vom Festland entfernt gelegen, war die Schäre mit dem höchsten Leuchtturm Skandinaviens (52 Meter) mehrfach Ziel von Angriffen, zuletzt kämpften im Zweiten Weltkrieg Finnen und Russen gegeneinander, 92 Menschen starben. 1968 stellte man auf automatisches Licht um, später stand der Leuchtturm lange Zeit leer und drohte zu verfallen. Seine Wiedergeburt dann 1995: Er wurde als Besucher-Leuchtturm und Hotel wiedereröffnet. Seitdem können Gäste die 252 Stufen und zwei Leitern bis in den Lichtraum klettern, und sie können in einem der sechs Jugendstil-Zimmer, wo einst die Wärterfamilien wohnten, übernachten. Was nicht fehlen darf: eine Sauna. Der aus Granit gebaute Schwitzkasten stammt von 1907 und wird abends beheizt. (www.bengtskar.fi)
Cow-Watching im singenden Sand – Ruhnu, Estland: Kaum Autos fahren auf Ruhnu, und so gab es auf Estlands südlichster Insel schon vor Corona kaum Verkehrslärm. Und doch findet die eigentümlichste für Gäste angebotene Tour im Auto statt: Cow-Watching ist das Thema. Nicht selten treiben sich die zotteligen Zuchtrinder mit den langen Hörnern am Strand herum, gehen ins Wasser oder stapfen gemächlich herum.
Steigt man aus und läuft über den Strand, geht es weiter mit den Kuriositäten. Denn dann fängt der Sand an zu singen, na ja, es quietscht, wenn die Fußflächen auf den feinen Körnern reiben. Ruhnu ist die südlichste von 2.222 estnischen Inseln und Inselchen, von denen 19 permanent bewohnt sind. Sie ist 5,5 mal 3,5 Kilometer groß und am weitesten von allen vom estnischen Festland entfernt. Vielleicht ist das der Grund, dass sich hier die ältesten traditionellen estnischen Holzhäuser finden. Es gibt ein kleines Museum zur Geschichte der einst schwedischen Insel.
Die alte Holzkirche stammt von 1644, direkt daneben steht ein Steinneubau, zwei Kirchen nebeneinander, auch das hat man nicht überall – zumal es nur ein Dorf und rund 60 permanente Einwohner, aber den offiziellen Angaben zufolge mit fast 800 Metern tiefsten Brunnen Estlands gibt.
Gäste, die per Fähre (ab Pärmu oder Roomassaare) oder mit kleinen Flugzeugen anreisen, kommen typischerweise in Farmhäusern unter. Als schönster Strand gilt Limo Beach, wo der Sand besonders schön singen soll. Höchster Punkt der Insel mit 28 Metern über dem Meeresspiegel ist der Haubjerre-Dünenrücken, wo seit 1877 ein imposanter Leuchtturm aus Metall steht. Die Teile stammen aus Frankreich. Auf der Insel erzählt man sich, die Konstruktion habe Gustave Eiffel höchstpersönlich entworfen. (www.visitestonia.com)