Ob Haarschneidegeräte, Headsets oder TV-Geräte und Küchenausstattung: Einschränkungen im Pandemie-Jahr haben 2020 den Markt für Heimelektronik zu neuem Leben erweckt. „Nachhaltig", hofft man beim Branchenverband Gfu.
Wenn draußen nichts los ist, neigen die Menschen dazu, es sich zu Hause schön zu machen. Das zeigt sich im Absatz von Klein- und Großgeräten der Heimelektronik. Egal ob die Geräte unterhaltsam sind, als Helfer für die Küche gebaut oder fürs Lernen und Arbeiten zu Hause gedacht sind. Obwohl die Kunden zeitweise nicht vor Ort beraten werden konnten, ist der Home-Electronics-Markt 2020 in Deutschland um 11,6 Prozent auf mehr als 47,5 Milliarden Euro Umsatz angestiegen. Dieser Trend setzt sich in diesem Jahr fort. Kai Hillebrandt, Aufsichtsratsvorsitzender der Gfu, die als Branchenverband Unternehmen aus der Unterhaltungselektronik und Hausgerätebranche vertritt, freute sich beim Vorstellen der Zahlen: „Der Lockdown hat unseren Markt tatsächlich beflügelt". Passenderweise soll die Internationale Funkausstellung in Berlin (Ifa) im September als erste vollwertig reguläre Messe in Europa seit Beginn der Pandemie stattfinden. Ein wenig komprimiert, aber nur so weit, wie dies schon vor Corona-Zeiten aus Gründen der Zeitökonomie für die Händler geplant worden sei. In der Branche sei man optimistisch, dass Homeoffice-Zubehör sowie Unterhaltungs- und Küchengeräte aus dem Highend-Segment gefragt bleiben würden.
„Die Pandemie war ein Katalysator für ein neues Verhalten, für neue Arbeits- und Denkweisen", sagte Hillebrandt, mit passender Aufbruchsstimmung zum Frühlingsbeginn. Gemeint ist der „Cocooning"-Trend, also es sich zu Hause gemütlich zu machen, sich einzuigeln in seinem eigenen Kokon und das Zuhause zu diesem Zweck anspruchsvoll und komfortabel auszustatten. „Das ist eine Chance für unsere Branche, sich positiv weiterzuentwickeln. Auch wenn die Geschäfte zu Beratungsterminen wieder öffnen, gehen wir davon aus, dass hochwertige Produkte gefragt bleiben werden."
Bei Monitoren Absatzplus von fast 60 Prozent
Ein Jahr Pandemie, eine scheinbar „never ending story", die auch positive Seiten hat. Technologisch optimierter und energiesparender Ersatz ist angesagt, wenn es um Verkäufe von Elektronik an Privatkunden geht: Stellvertretend fürs Kino, für Spieleabende mit Freunden aus anderen Haushalten, fürs gute Essen im Restaurant, fürs Reisen, für Besuche bei Friseuren, in Nagelstudios und Wellness-Oasen.
Perspektiven über die eigenen vier Wände hinaus eröffneten Bildschirme. Bei ihnen kam es 2020 teilweise zu zweistelligen Steigerungen bei Umsatz und Stückzahl im Vergleich zum Vorjahr. Kein Wunder, denn in ihnen verfließt der Nutzungsbereich zwischen Freizeit und Beruf am stärksten, wenn Büro und Schule über immer längere Zeiten zwischen Wohn-, Koch- und Schlafbereich angesiedelt sind.
Das viele Homeoffice und Homeschooling zeigte sich beim Verkauf von Monitoren in einem Plus von 59,7 Prozent in Stückzahlen. „Die Konsumenten hatten zwar Bildschirme, wollten allmählich dann bessere Monitore oder welche mit integriertem Lautsprecher", berichtete der Gfu-Aufsichtsratsvorsitzende über die Rückmeldungen der Händler. Auf Details kommt es an: Damit der nächtliche Schlaf nicht durch zu viel blaues Licht bei langen Bildschirmzeiten im Home-Alltag und daraus resultierendem Melatonin-Mangel gestört wird, gibt es immer mehr Displays, die nur wenig Blaulicht emittieren. „Der Konsument hat wertige Produkte gesucht und einen höheren Preis dafür gezahlt", kommentierte Hillebrandt die durch Corona gewandelte Kauflaune.
„Grüne" Monitore etwa sind ohne Quecksilber und Halogen, dafür mit einem hohen Anteil an Recyclingmaterial gefertigt. Der Philips 242B1G (60,5 cm/23,8 Zoll, etwa 209 Euro) beispielsweise erkennt über Infrarotsignale, ob sich jemand vor dem Monitor befindet und passt die Bildschirmhelligkeit automatisch an. So spart er bis zu 80 Prozent Energie. Anspruchsvolle Privatnutzer und professionelle Business-Anwender zugleich soll der 31,5 Zoll große U32P2 von AOC (circa 439 Euro) ansprechen. Wird ein Mini-PC im Standfuß des Monitors befestigt, entsteht ein All-in-one-System. Zum Rundum-Computer oder Fernseher wird der U32P2 auch durch zwei 3-W-Lautsprecher und zwei HDMI-2.0-Anschlüsse. Bei hoher Auflösung und weiten Blickwinkeln gehen digitale Bildbearbeitung für den Job und Spielen nach Feierabend am ruckelfreien Monitor geschmeidig ineinander über.
Immer größer und gleichzeitig immer schärfer
Um fast 25 Prozent hat sich der Umsatz mit privat genutzter IT erhöht. Grund: Die Konsumenten müssen oder wollen zu Hause arbeiten und brauchen ihre private Computerausstattung dafür. Besonders stark war 2020 daher auch der Bedarf an komfortablen Headsets, also an kabellosen Kopfhörern mit Mikrofonen, wie sie in Videokonferenzen und beim Distanzunterricht verwendet werden: So kam es zum Umsatzplus von 45,6 Prozent für solches Zubehör, das die Umwelt beim Arbeiten und Abschalten zu Hause ein wenig ausblendet und die eigene Stimme in die Welt draußen transportiert.
Sogar Fernseher sind wieder stark nachgefragt, die in vorausgegangenen Jahren in den Absatzzahlen immer weiter nach unten gedümpelt waren. Ihr Umsatz schoss mit der Sehnsucht nach guter Unterhaltung auf knapp 4,2 Milliarden Euro (plus 13,3 Prozent) hoch. Die verkaufte Stückzahl stieg um 11,2 Prozent auf 7,2 Millionen Geräte, der Durchschnittspreis um 1,9 Prozent auf 583 Euro.
Hochauflösend mit Ultra HD, groß, mit starken, natürlichen Farben, ergonomisch und dennoch stromsparend liegt im Trend. Rund 90 Prozent des Gesamtumsatzes bei Fernsehern brachten Kunden, die ihre Full-HD-Geräte durch UHD-TVs ersetzten, die fast viermal so viele Bildpunkte abbilden. Fast die Hälfte aller Fernseher wurden mit Diagonalen von mehr als 55 Zoll verkauft.
Gut geeignet, um die Wirkung von Filmen auch zu Hause so genießen zu können, wie die Regisseure sie beabsichtigt haben, sind Modelle mit einer Technologie, auf die auch Hollywoods Filmemacher setzen: OLEDs (Organic Light Emitting Diodes) leuchten ohne zusätzliche Hintergrundbeleuchtung selbst, sparen so Energie und haben intensivere Farben und klarere Kontraste. Ihre Reaktionszeiten sind dabei tausendmal so schnell wie bei LCD-Bildschirmen, wobei die Fernseher flacher und leichter sind, und weniger Schadstoffe anfallen, wenn sie endgültig kaputt sind.
Lieferengpässe sind inzwischen deutlich spürbar
OLED-TVs gibt es heute zunehmend in Größen über 70 Zoll (178 cm), was der Heimkino-Atmosphäre zugutekommt. Technische Spielereien, wie transparente Displays oder Modelle, die sich per Knopfdruck von einem flachen Bildschirm in einen gebogenen verwandeln, ziehen die Zuschauer stärker in die Handlung hinein, auch ins Geschehen beim Gaming.
Der Gfu-Chef darf entspannt sein. „Das Jahr 2020 hat sich für unsere Branche sehr gut entwickelt", so Hillebrandt. „Wir sagen das mit Demut und erkennen, dass viele andere Branchen stark gelitten haben." Ab Oktober 2020 habe der Absatz bei TV-Geräten teilweise sogar bei 30 Prozent Steigerung gegenüber den entsprechenden Vorjahresmonaten gelegen. „Das wird so nicht bleiben. Es hat mich gewundert, dass der TV-Bereich ab Oktober trotz der immensen Nachfrage weiter so gut liefern konnte", sagte der neue Gfu-Chef.
Auf 10,9 Milliarden Euro ist den Verkaufszahlen der Händler in ihrem Branchen-Index Hemix zufolge der Umsatz bei Elektro-Großgeräten gestiegen. Der Hemix zeigt auf der Basis von Menge und Wert die quartalsweise Marktentwicklung in Deutschland auf. Der Home-Electronics-Markt ist dabei fest und einheitlich definiert als die Summe der Verkäufe in Deutschland an private Konsumenten.
Normalerweise habe der Handel einen Puffer an eingelagerten Geräten, die vier bis acht Wochen vorhalten. Das kam dem Nachfrage-Boom an Gefriergeräten im vergangenen Frühjahr zugute. Danach waren runtergefahrene Produktionen und Logistik zu spüren. Der Branchen-Chef: „Es gab beispielsweise im Oktober Hersteller, die gesagt haben, wir können erst im Februar wieder Aufträge entgegennehmen, aufgrund der enormen Nachfrage."
Einen Wermutstropfen gibt es nämlich: Die vielen technischen Geräte fürs gemütliche Zuhause müssen erst mal produziert und geliefert werden. „Wenn Menschen jetzt Küchen bestellen, müssen sie sehr, sehr lange warten, bis sie installiert sind." In Asien werde zwar wieder auf Hochtouren gearbeitet. Doch die Logistik tue sich schwer, was auch zu einer deutlichen Erhöhung der Kosten führe. Der Grund: Es mache keinen Sinn, leere Container nach Asien zurückzuschicken. Und in Europa werde pandemiebedingt aktuell nicht genügend produziert, um genügend gefüllte Container nach Asien zurück zu ordern und darin wieder Ware zu holen.
Die Produzenten müssen sich beeilen. Auch für die Zeit nach der Pandemie. „Der Spaß am Kochen und daran, zu Hause Essen zu bereiten, ist aus unserer Sicht nachhaltig", sagte Hillebrandt. Und auch der Trend zu heimischer Unterhaltung und Homeoffice, der Spaß daran, viel zu Hause und dort mit der Familie zu machen, werde wohl ein Stück weit bleiben.