Christoph Fildebrandt wird zum dritten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen. Der Schwimmer der SSG Saar Max Ritter hat die Quali-Norm für Tokio über 100 Meter Freistil geknackt. Die Corona-Pandemie konnte seiner Leistungsfähigkeit nichts anhaben. Im Gegenteil.
Es ist vollbracht: „Filde" hat es geschafft. Zum dritten Mal in Folge hat sich der Schwimmer für die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen qualifiziert. Mit der Zeit von 49,05 Sekunden knackte der 31-jährige Freistil-Spezialist der SSG Saar Max Ritter die Quali-Norm für die 4x100-Meter-Staffel Mitte April in Berlin. Offiziell wird sein Ticket nach Tokio, wo die Spiele zwischen dem 23. Juli und 8. August stattfinden sollen, aber erst mit der Nominierung durch den Deutschen Schwimm-Verband (DSV). Beruflich ist Fildebrandt seit 2014 bei der saarländischen Polizei angestellt und als Sportpolizist bis zu den Olympischen Spielen weitgehend freigestellt.
„Ich hatte das Glück, dass ich an der Sportschule in Saarbrücken durchgängig trainieren konnte – wenn auch unter anderen Bedingungen und Hygienemaßnahmen", sagt Fildebrandt angesichts der besonderen Umstände in der Corona-Pandemie: „Das ist für uns Sportler natürlich das Wichtigste, um auf hohem Niveau Leistung bringen zu können. Ich bin sehr froh, dass das so gut geklappt hat." Auch im Privatbereich machten und machen ihm die Einschränkungen durch die Bekämpfung der Pandemie nicht wirklich zu schaffen. „Ich fühle mich nicht unwohl, sondern lebe mein Leben so, wie ich es davor auch gemacht habe. Ich bin keiner, der abends gern am St. Johanner Markt was trinken geht und empfinde daher tatsächlich keine wesentliche Beeinträchtigung", sagt er und stellt fest: „Ich bin halt eher ein Zuhause-Mensch als ein Weggeh-Mensch."
„Glück, dass ich trainieren konnte"
Zwar ist ihm die Olympia-Qualifikation gelungen, doch Fildebrandt gibt zu: „Ich hatte mir eigentlich mehr vorgenommen." Die Trainingsergebnisse waren nämlich so vielversprechend, dass er sich zum Ziel gesetzt hatte, unter 49 Sekunden zu bleiben und damit auch die Einzelnorm zu knacken. „Aus Gründen, die wir noch nicht genau analysieren konnten, hat das leider nicht geklappt", bedauert der Wuppertaler, der seit 2013 im Saarland lebt und ergänzt: „Aber mein Hauptziel habe ich erreicht, da kann ich jetzt einen Haken dranmachen, mich auf die Spiele vorbereiten und dort zeigen, was wirklich in mir steckt." Eine letzte Chance für eine weitere Disziplin gibt es noch: Vor Ort in Tokio könnte er sich noch als schnellster Freistil-Schwimmer für die Lagen-Staffel empfehlen.
Bis dahin liegen noch drei Monate intensiver Vorbereitung vor Christoph Fildebrandt. Nach der erfolgreichen Qualifikation hatte er sich nur einen freien Tag gegönnt, bevor es wieder in die Vollen ging. Becken, in diesem Fall. „Das war schon ungewohnt, normalerweise mache ich nach solchen Hauptwettkämpfen ein paar Tage mehr Pause", gibt er zu und ergänzt: „Aber dieses Mal haben wir gar keine Zeit verschwendet und sind gleich wiedereingestiegen." Und zwar nicht etwa in einen klassischen Aufbaublock, sondern in ein Programm, das bis drei Wochen vor den Olympischen Spielen gezielt hohe Intensitäten vorsieht. Mit dem Ziel, die Geschwindigkeit, die er im Moment draufhat, dauerhaft zu halten. Dazu werden punktuelle Belastungsspitzen so gesetzt, um sich auf Dauer zu steigern. Danach wird die Intensität im Training zurückgeschraubt, um in Tokio punktgenau topfit zu sein. Dort will er mit der Freistil-Staffel das große Finale erreichen und persönlich nicht weniger als „fliegend schneller zu schwimmen als jemals zuvor." Damit meint er die Zeit mit einem „fliegenden Wechsel" in einer Staffel, also wenn der Folgeschwimmer maximal 0,03 Sekunden vor dem tatsächlichen Anschlag des Vorschwimmers starten darf. Fildebrandts Ziel ist es, unter 48 Sekunden zu bleiben. Seine aktuelle „fliegende Bestzeit" stellte er 2015 in Kazan mit 48,2 Sekunden auf.
Das Hochhalten der Intensität gelingt derzeit ganz gut. Auch dank der Unterstützung eines neuen Trainingspartners: Der ukrainische Weltklasse-Athlet Andrej Goworow bereitet sich in Saarbrücken auf die Schwimm-Europameisterschaften in Budapest vor (10. bis 23. Mai) vor und danach wohl auch auf die Olympischen Spiele. „Ich trainiere ab und an mit ihm zusammen, was richtig viel Spaß macht. Einen solchen Hochkaräter als Trainingspartner zu haben ist echt cool", freut sich Fildebrandt. Von dem erfahrenen Ukrainer etwas abschauen kann er allerdings nur bedingt: Technisch arbeiten beide Sportler gänzlich unterschiedlich. „Er wiegt glaube ich 14, 15 Kilo mehr als ich und muss eine ganz andere Kraft ins Wasser bringen", sagt Fildebrandt über den 50-Meter-Spezialist und ergänzt: „Das macht er richtig gut, er hat eine enorme Grundschnelligkeit. Man hat aber auch schon gesehen, dass ich gar nicht so weit weg bin", findet er. Goworow scheint der ideale Sparringspartner zu sein, um sich im Training zu motivieren und auf die Weltklasse-Konkurrenz in Tokio vorzubereiten. Beide Schwimmer werden derzeit vom US-Amerikaner Luther Jones trainiert, zu dem Fildebrandt vor etwa einem Jahr gewechselt ist.
„Normalerweise mehr als der reine Wettkampf"
Mitte Juni 2021 ist das Olympia-Trainingslager geplant. Ob es stattfindet, ist allerdings von den dann herrschenden Umständen in der Corona-Pandemie abhängig. Davon, dass die Spiele selbst stattfinden werden, geht Fildebrandt zum aktuellen Stand der Dinge aus: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie abgesagt werden. Aber es ist klar, dass es andere Olympische Spiele werden als man es gewohnt ist", weiß Fildebrandt und ist froh, in London 2012 (sechster Platz 4x100 Meter Freistil, 28. im Einzel) und Rio de Janeiro 2016 (sechster Platz 4x200 Meter Freistil) schon zweimal „normale" Ausgaben der wichtigsten Sportveranstaltung der Welt miterlebt zu haben. „Für alle, die jetzt zum ersten Mal dabei sind, ist das natürlich sehr schade. Ich weiß gar nicht, ob man vor Ort merkt, dass es Olympische Spiele sind", befürchtet er und erklärt: „Die sind ja normalerweise viel mehr als der reine Wettkampf. Das olympische Dorf, das außergewöhnliche Feeling und vieles mehr wird es in diesem Jahr nicht geben. Das werden eher virtuelle statt Olympische Spiele."
Ob diese dann den Abschluss der Olympischen Karriere von Christoph Fildebrandt darstellen? „Man soll ja nie nie sagen, aber es sieht alles danach aus", sagt er. Ist das Karriereende irgendwann gekommen, steht für Fildebrandt „ganz normaler Polizeidienst" auf dem Programm. Idealerweise in einer postpandemischen Welt und ohne Belastungsspitzen.