Bei der „Berlin Ice Cream Week" wird’s bis zum 12. Mai in 31 Eisdielen in der Stadt kalt und köstlich. Wir haben eine der Sonderkugeln zur Eiswoche und einige mehr bei „Summertime Ice Cream" in Neukölln probiert.
Ganz Berlin steht im Zeichen von Hörnchen und Kugel. Mit der „Berlin Ice Cream Week" bekommt der Frühling seinen süßkalten Startschuss. 31 Eisdielen in der Stadt zeigen bis 12. Mai in der inoffiziellen Leistungsschau der Berliner Premium-Eismacher von Schlachtensee bis Pankow und von Spandau bis Lichtenberg, welche neuen Sorten sie für die Saison 2021 bereithalten. Von Büffel-Ricotta mit Birne und pikanter Schokolade, Spargeleis, Pistazien-Tiramisu in einem sizilianischen Cannolo, Piña Colada, Orange und Fenchel sowie Primitivo-Wein-Sorbet mit Maulbeeren war zu hören und lesen. Ob cremiges dunkles Schokoladeneis mit Habanero-Chili, Zabaione Marsala oder Babà au Rhum – es gibt nichts, was sich nicht in Eis verwandeln oder einarbeiten ließe.
Die Fachleute für italienische Kulinarik von „True Italian" und „Duo Ice Cream Consulting" organisieren die „Berlin Ice Cream Week". Versteht sich, dass von „Cuore di Vetro" über „Lekkamokka" bis zu „Artigiani" oder „Duo Sicilian Ice Cream" auch zahlreiche italienische Gelatieri ihre süße Handwerkskunst präsentieren. Mit Italien, dem Land der 39.000 Eisdielen, kann Deutschland mit gerade einmal 9.000 nicht mithalten. Aber für den zweiten Rang europaweit reicht es dennoch.
Während der „Berlin Ice Cream Week" bieten die 31 Berliner Eisdielen jeweils eine eigens kreierte Sorte für einen Euro pro Kugel an. Ein echter Anreiz für eine Nasch- und Entdeckertour durch verschiedenste Kieze. Ein Spaziergang von „Spoonful Berlin" und „Lecko Mio Gelateria" nahe der U-Bahn-Station Schönleinstraße zu „Mos Eisley" auf Höhe Boddinstraße hinunter zu „Summertime Ice Cream" an der Weserstraße wäre etwa so eine nachmittagsfüllende Route in Kreuzberg und Neukölln. Wer den süßen Overkill erleidet: Kein Problem, in denselben Kiezen gibt’s zum Ausgleich einige hervorragende Pizzerien!
„Eis ist in diesen Zeiten das ideale Produkt zum Mitnehmen und Draußen-Essen", sagt Sara Trovatelli von „True Italian". „Dem Genuss im Freien und etwas entfernt von der Eisdiele steht nichts im Wege." Jeder Laden halte sich an die Hygieneauflagen. Menschentrauben vor der Theke sind in keinem Fall angesagt. Piktogramme mit Masken und Begrenzungen auf Bürgersteigen markieren, wie coronakonform Schlange gestanden und bestellt wird. Münzen können ebenfalls im Portemonnaie bleiben. Viele Eisdielen bieten kontaktlose Kartenzahlung an.
Eine mit fünf Stickern der teilnehmenden Läden dokumentierte Eis-Rallye kann sich doppelt bis dreifach lohnen. Die überall ausgelegten Flyer mit Lageplan sind auf der Rückseite ein Sticker-Album. Wer fünf Sticker aufklebt und ein Foto einschickt, kommt in den Lostopf für einen 50-Euro-Gutschein für einen Eismacher nach Wahl. Auf Instagram gibt’s außerdem einen Foto-Wettbewerb, bei dem sogar eine Eismaschine zu gewinnen ist.
Dann nichts wie rein ins kalte Vergnügen! Es fällt an einem Montagmittag bei „Summertime Ice Cream" in Neukölln mit Mini-Hörnchen und so einigen Sorten aus dem offen einsehbaren Eislabor hinter dem Tresen definitiv üppiger als eine Standardportion mit zwei bis drei Kugeln aus. Fangen wir mit der „Ice Cream Week"-Sonderkugel an: Eine Kugel Ananas-Kokos-Eis landet auf dem Hörnchen im Kaufmannsladen-Maßstab. Sehr ausgewogen, sehr ananassig und kokoscremig. „Piña Colada ohne Alkohol", sind wir uns einig. Voll kindertauglich und schmelzig. „Es ist nur aus Ananas-Pulp und Kokosmilch hergestellt", sagt „Summertime"-Besitzer Christian Schmidt. „Da ist kein Wasser drin."
Wir switchen vom Karibik-Strand in den Himalaya. So heißt auch ein Joghurteis mit Cashews, Kardamom und Zimt. Schmidt entwickelte es für das nepalesische Restaurant „Holy Everest". Es ist der direkte Nachbar vom zweiten „Summertime Ice Cream" in der Gleimstraße im Prenzlauer Berg. „Der Besitzer hat sich ein zu seinem Essen passendes Eis als Dessert gewünscht." Das Eislabor wurde angeworfen, gemischt, gewürzt, verkostet und produziert. Christian Schmidt und seine Eismacher arbeiten auch für andere Restaurants und Cafés, die handwerklich und in kleinen Mengen hergestelltes Eis anbieten wollen, aber nicht selbst herstellen können.
„Summertime" hat mehr als 70 Sorten im Portfolio
Im „Summertime" liegt der Fokus neben den klassisch milchbasierten Sorten insbesondere auf Sorbets. Sie kommen mal pur, dunkel und intensiv wie ein Schoko-Sorbet, mal leichtfüßig mit Limette und Minze à la Ipanema daher. In diesem Mojito ohne Alkohol schwingt die heitere Unbekümmertheit eines heißen Sommertags mit. Wir tänzeln vom Strand in Rio de Janeiro zurück an die Weserstraße in Neukölln. Es geht gleich weiter nach Indien. Das Karma, so der Name der nächsten Sorte auf dem Bonsai-Hörnchen, ist zweifellos ein gutes und sanftmütiges. Kardamom sorgt für einen entschieden aromatischen Ausdruck, Mandeln für milde Cremigkeit.
Die Reise um die Welt per Eiskugel ist ein portemonnaie-verträgliches Vergnügen: 1,50 Euro kostet eine Kugel bei „Summertime". Sie liegt im diesjährigen Normalbereich für handwerklich hergestelltes Eis. „Wenn man CO2-gerecht und mit hochwertigen Zutaten arbeitet, geht’s nicht darunter", sagt Christian Schmidt. Mieten, Energiekosten und eine faire Bezahlung müssten ebenfalls einkalkuliert werden. Dafür gibt’s dann aber auch saisonale Sorten aus teureren und selteneren Früchten. Im Spätsommer etwa ein pures Blaubeer- oder zum Ende der Frisches-Obst-Saison hin ein Weintrauben-Sorbet. Auch Paraguayo-Pfirsiche oder Calamansi-Zitrusfrüchte werden in Sorbets verwandelt.
Insgesamt hat das „Summertime" mehr als 70 Sorten im Portfolio. Täglich landen um die 15 in der Vitrine. „Wir bieten je zur Hälfte Milcheis und Sorbets an. Und wir haben immer zwei bis drei Sorten veganes ‚Milch‘-Eis da." Natürlich dürfen die ewigen Klassiker Vanille, Schokolade, Erdbeere sowie der Neo-Klassiker Mango nicht fehlen. Sie erfreuen nicht nur, aber vor allem auch, die Kinder. „Machen kann man so ziemlich alles", weiß Schmidt. „Für einen Kumpel habe ich sogar mal ein Bitburger-Eis gemacht." Das gibt’s nun wirklich nicht im Standard-Sortiment. Manche Sorten fallen aus anderen pragmatischen Gründen heraus: Mango-Chili oder Schoko-Chili etwa. Sie sehen genauso aus wie ihre Geschwister ohne Schärfe. „Zu hohe Verwechslungsgefahr", sagt Schmidt.
Also lieber die Nummer sicher. So lange die so vollmundig nach Pinien schmeckt wie die gleichnamige Sorte, handelt es sich um ziemlich köstliche Beständigkeit. „Das habe ich mal vor drei Jahren in Bologna gegessen und mir gedacht, ich könnte es mal wieder machen", sagt Schmidt. Er kam viel in Italien herum. „Um 2009 herum habe ich die Etablierung des Premiumeis-Segments in Italien miterlebt."
Dem studierten Politikwissenschaftler schien die Eismacherei eine ernsthafte Alternative zum vorherigen Job in Berlin. Er übernahm erst das jetzige „Summertime" in der Gleimstraße. Anfang 2020 folgte der Laden in der Weserstraße. Beide Standorte verfügen über eigene Eislabore, in denen das Eis täglich frisch hergestellt wird. „Im Januar 2020 haben wir in Neukölln übernommen, im Februar geübt und im März war dann zu", sagt Schmidt. „Sagen wir mal so: 2020 und 2021 waren jetzt keine so tollen Jahre."
Da aber zuvor eine andere Eismanufaktur mit sehr gutem Ruf in der Weserstraße am selben Ort war, blieb die Stammkundschaft treu. Es kam und kommt Qualität aufs Hörnchen und in die Becher. Dem italienischen Feinschmecker-Fotografen gebührt deshalb die Ehre des ersten Löffels beim Spaghetti-Eis. „Das kenne ich nicht aus Italien." Ach, den deutschen Eissalon-Klassiker des ausgehenden 20. Jahrhunderts gibt’s dort nicht? Höchste Zeit, seine kulinarische Integration an dieser Stelle zu vollziehen! Im krossen Waffelbecher, mit hausgemachter Erdbeersauce, weißen Schokospänen und der angefrorenen fetten Sahne unterm durchgedrückten Vanilleeis kann ich als Liebhaberin auf Anhieb sagen: Dieses Spaghetti-Eis spielt in der deutschen Klassik-Eisbecher-Oberliga mit. Eine klare Ess-Empfehlung, wenn’s mal nicht die Kugel aufs Hörnchen sein soll!