Goldschmiedin Gesa Pickbrenner erschafft Schmuckstücke mithilfe eines 3-D-Druckers und bietet so ein besonders individuelles Angebot. Mit Online-Kursen gibt sie diese neue Technik auch weiter.
Wo ein Goldschmied normalerweise in einer Werkstatt die Edelmetalle mit Feile, Bohrer und Säge bearbeitet, sitzt Gesa Pickbrenner mit PC und elektronischer Zeichenunterlage am Schreibtisch. Auf dem Bildschirm ist ein großer goldener Eulenkopf zu sehen. Ein paar Klicks und schon fängt die Abbildung an, sich zu drehen – man sieht, dass es sich um einen Ring handelt. Gesa Pickbrenner entwirft Schmuckstücke am Computer und lässt die fertigen Teile mittels eines 3D-Druckers Realität werden. Eine recht neue Technik, die jedoch immer mehr im Kommen ist.
„Am Computer bieten sich viel mehr Möglichkeiten", sagt die gelernte Goldschmiedin und zeigt auf den Monitor. Gesa Pickbrenner nennt das Arbeiten „fluide". Und meint damit, dass man nicht darauf angewiesen sei, die Edelmetalle mit harten Werkzeugen zu bearbeiten, um sie in Form zu bringen. „Man kann mit dem Bearbeitungsprogramm alle Formen ausprobieren, die man haben möchte und die Entwürfe immer wieder ändern und anpassen. Es gibt keine Einschränkungen durch traditionelle Werkzeuge, und das wertvolle Material selbst wird nicht beschädigt." Die Entwürfe werden dann vom 3-D-Drucker in Wachsformen gebracht, diese wiederum dienen als Vorlage für Gussformen, in die dann das Edelmetall gegossen wird. „Man kann zwar auch direkt mit Gold oder Silber drucken, aber diese Technik ist noch ganz neu und sehr teuer." Das Endprodukt könne dann auch noch mal weiterbearbeitet werden. So biete diese Technik ein Höchstmaß an Gestaltungsfreiraum.
Ihre Ausbildung machte Gesa Pickbrenner ganz klassisch in einer Goldschmiede-Werkstatt. „Schon als Kind habe ich mich für Kunst und Zeichnen interessiert", blickt die 30-Jährige zurück. „Als Goldschmied verbindet man Handwerk und Kunst, das hat mir gut gefallen." Nach einem Praktikum in Kiel machte sie ihre Ausbildung in Hamburg. „Es war ein relativ kleiner Betrieb, in dem ich sehr viele unterschiedliche Dinge lernen und vielseitige Einblicke bekommen konnte – von der Werkstatt bis zur Kundenbetreuung. Die Arbeit ist sehr persönlich: Wir entwerfen das Schmuckstück direkt mit dem Kunden und erschaffen etwas ganz Neues aus dem Nichts. Das ist ein großartiges Gefühl."
„Bin hartnäckig geblieben"
Schon während der Ausbildung fing die junge Frau an, sich für 3-D-Druck zu interessieren. „Die Technik stand damals noch ganz am Anfang; ich hatte es bei einem unserer Dienstleister gesehen. Die neuen Möglichkeiten, die man am PC hat, haben mich direkt fasziniert." Da es nicht Teil der Ausbildung war, brachte sie sich nebenher in dem entsprechenden Programm die Grundlagen selbst bei und fing an, Schmuckstücke am Computer zu entwerfen. „Das hat sich irgendwie so entwickelt", sagt sie heute. „Wir haben es dann auch unseren Kunden angeboten ,und ich habe in anderen Goldschmieden die neue Technik vorgestellt." Nachdem Gesa Pickbrenner 2015 ihre Ausbildung als Landesbeste von Schleswig-Holstein abgeschlossen hatte, arbeitete sie zwar weiterhin in Goldschmiede- und Juwelier-Betrieben, ging aber zusätzlich „Klinken putzen", wie sie sagt, um ihre neue Dienstleistung anzubieten: „Natürlich war es am Anfang schwer, Leute von der neuen Technik zu überzeugen, da ich ja selbst noch recht unerfahren war und wenig Referenzen hatte. Aber ich bin hartnäckig geblieben, habe meine Kontaktdaten hinterlassen und irgendwann kamen die ersten Aufträge. Das hat sich dann rumgesprochen, und es kamen immer mehr Kunden." Anfang 2018 zog Gesa Pickbrenner mit ihrem Partner nach Bad Schwartau und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. „Ich dachte ‚jetzt oder nie‘." So entstand „Phialo Design". „Einen kleinen Kundenstamm hatte ich ja schon, darauf konnte ich aufbauen." Die meisten ihrer Kunden sind selbst Goldschmiede. Auf ihrer Homepage findet sich zum Beispiel ein blauer Tansanitring, daneben eine DNA-Spirale als Ohrhänger mit eingefassten Brillanten sowie ein Masterpiece-Ring mit grünem Turmalin, Gelbgold und Brillanten. „Ich habe gerade in Zusammenarbeit mit einem Kunden eine neue Kollektion entworfen, und das hat sehr viel Spaß gemacht", erzählt Gesa Pickbrenner. „Das würde ich gern häufiger machen, um an meinem eigenen Stil zu arbeiten und einen Wiedererkennungswert zu haben." Nach und nach fragen aber auch immer mehr Privatpersonen an, die bei ihr ein individuelles Schmuckstück erwerben wollen. So zum Beispiel ein Meisenmodell aus rhodiniertem Silber mit Ansteckerpin oder ein Münzkästchen. „Mit dem Drucker ist der Kunde nicht mehr nur auf Edelmetalle beschränkt, auch Entwürfe aus Plastik oder anderen Materialien sind möglich. Der Kunde hat viel mehr Einfluss im Entstehungsprozess und wir können gemeinsam spezielle Formen auszuprobieren, die sonst nur schwer umsetzbar wären." Die Nachfrage nach individuellen Designs steigt. Und da kam Gesa Pickbrenner die Idee, ihr Wissen mittels Online-Kursen weiterzugeben. „Ich fand es schon immer spannend, Leuten etwas beizubringen. Also habe ich Schritt-für-Schritt-Videos gedreht, mit denen sich jeder, der Grundkenntnisse des Gestaltungs-Programms besitzt, sein eigenes Schmuckstück entwerfen kann." Befeuert wurde das Ganze auch durch Corona: Ihre Kunden hatten selbst weniger Aufträge, und sie musste sich neue Geschäftsmodelle überlegen. „Und da das meiste momentan eh online läuft, war das irgendwie naheliegend", sagt sie und schmunzelt. Der erste Kurs, der im August 2020 gestartet ist, wurde bereits von fast 500 Teilnehmern absolviert. Inzwischen ist auch ein zweiter Kurs online. „Und die Resonanz ist super. Ich plane ein Rundum-Paket, mit dem jeder im Prinzip sein eigener Schmuck-Designer werden kann, auch ohne eigenen 3-D-Drucker."
Eine kleine Werkstatt hat sie auch noch zu Hause. „Ich habe sie in letzter Zeit zwar sträflich vernachlässigt, aber es ist immer wieder schön, auch mal mit den Händen zu arbeiten, um den Bezug zum Material nicht zu verlieren. Erst kürzlich habe ich mir einen kleinen Blitz-Anhänger geschmiedet, den ich schon ewig im Kopf hatte – den trage ich seitdem fast täglich. Es gibt so gewisse Stücke, mit denen man eine besondere Verbundenheit hat." Ein weiteres dieser besonderen Stücke ist ihr erster 3-D-Druck, den sie für sich selbst erarbeitete: Ein sogenannter Ouroboros – eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. „Das habe ich bei einer Figur in einer Fernsehserie gesehen und es dann nachmodelliert. Als ich das fertige Stück zum ersten Mal gesehen habe, war das ein ganz besonderer Moment." Ein anderes ist der „Reise-Reif", den Gesa Pickbrenner für einen Wettbewerb entworfen hat und damit den ersten Platz belegte: Auf dem Armreif ist eine Weltkarte zu sehen, und man kann diejenigen Stellen markieren oder mit Steinen versehen, die man schon bereist hat.
„ich bin ein Naturfan"
Und was sind derzeit die Trends im Schmuckbereich? „Das ist sehr individuell. Schmuck muss vor allem Spaß machen und zum Träger passen. Aber ich beobachte derzeit, dass Tiermotive sowie Statement-Ringe wieder stark im Kommen sind – generell weicht das minimalistische wieder etwas ausdrucksstärkeren Schmuckstücken." Sie zeigt auf den Bildschirm, auf dem immer noch der Eulenkopf zu sehen ist: „Das ist ein eigenes Design von mir. Ich habe schon öfter Siegelringe gefertigt, und mir gefällt deren persönliche Bedeutung. Da ich ein großer Naturfan bin und mir unsere heimischen Vögel sehr am Herzen liegen, wollte ich diese Verbindung gern gestalterisch vertiefen. Ich bin gerade an der Umsetzung mit meiner Gießerei, sodass ich den fertigen Ring hoffentlich schon bald präsentieren kann." Für die Zukunft hat Gesa Pickbrenner viele Ziele, denn die 3-D-Branche boomt. „Es ist spannend, dass ich alle Entwicklungen direkt miterlebe und diese auch mitprägen kann. Im Goldschmiede-Bereich sind viele noch skeptisch, da das Handwerk schon Hunderte Jahre alt und sehr traditionell ist, aber ich merke auch, dass das Interesse wächst. Ich möchte das Handwerk auch keinesfalls ersetzen, sondern eher ergänzen. Ich sehe das als Symbiose. Mich können sowohl Unternehmen als auch Privatkunden kontaktieren – da bin ich ganz flexibel."
Die Goldschmiedin will ihre Fähigkeiten weiter ausbauen und das Online-Geschäft vertiefen. Auch ein weiterer Kurs rund um das Thema Siegelringe soll Mitte des Jahres fertiggestellt werden. Vor zwei Jahren fing sie zusätzlich ein Betriebswirtschaftsstudium an einer Fernuniversität an. „Bisher war ich eher freirudernd und bin intuitiv an viele Dinge herangegangen. Jetzt will ich auch an den wirtschaftlichen Hintergründen arbeiten. Ich folge einfach dem, was funktioniert und gehe den Weg, der sich am besten anfühlt."