Die Autorin Germaine Paulus lebt ihr Faible für Sex and Crime literarisch aus. Sie ist eine der Autorinnen, deren Lesung bei der Buchmesse Saar von der Bühne live gestreamt wird.
Frau Paulus, woher kommt Ihre Leidenschaft für Sex and Crime?
Einen Hang zu Krimis und Thrillern hatte ich, neben meiner innigen Liebe zum Horror, eigentlich schon immer. Skurril, böse oder gern auch etwas exzentrischer – das lese (und sehe) ich gern. Wenn ein Thriller sich in Richtung Sex and Crime bewegt, verrückt sich der Fokus, das Dunkle wird hervorgezerrt, alles wird expliziter. Und dazu eine gute Portion Sex ohne „Licht-aus-Schatz"-Faktor… das kann dann schon sehr anziehend sein. Mich fasziniert das, was unter der Oberfläche schlummert, der Moment, wenn eine heile Welt aufgebrochen wird.
Sex and Crime gibt es auch in Ihren Büchern zur Genüge. Warum bezeichnen Sie diese trotzdem als Liebesgeschichten?
Weil sie es tatsächlich sind, in Teilen zumindest. Mein Hauptcharakter, Kriminalhauptkommissar Gerd Wegmann, stolpert in eine Affäre, die am Ende des ersten Bandes beginnt und nicht gerade einfach ist, sondern eine Feuer-trifft-auf-Feuer-Beziehung zwischen zwei starken und sturen Persönlichkeiten. Das ist tragend unter all dem Grauen, mit dem sich die Ermittler, die Staatsanwaltschaft und die Rechtsmedizin in ihrem Job herumschlagen müssen. Meine Romane sind keine Krimis im klassischen Sinn. Den großen cleveren Kriminalfall gibt es nicht. Da sind äußerst brutale Morde, Missbrauch, Tragödien und bittere Erkenntnismomente. Aber eben auch Liebe – frisch, abgenutzt, unerfüllt, inkorrekt oder einfach nur… heiß. Sinnlichkeit muss nicht immer schön sein.
Sie sind nicht nur Autorin, sondern unter anderem auch Mitgründerin des Verlags „The Dandy is Dead", den Sie seit 2018 zusammen mit Ihrem Mann leiten. Was sagt der originelle Name über das Verlagsprogramm aus?
The Dandy is Dead ist ein unabhängiger Kleinverlag, in dessen Programm sich Fantastik, Horror, Crime und Pulp, also Schund, finden. Zudem das, was wir liebevoll „Bastarde" nennen: Titel, die in keine Schublade passen. Wie beispielsweise „Die Wutbriefe" von Christian von Aster und Carsten Steenbergen, ein Schmähbriefwechsel zwischen zwei fiktionalen Autoren, der schon eher eine Groteske ist und von uns als Printversion und Hörspiel produziert wurde. Das Dandy-Programm ist – gerade im Bereich der Heftreihe Basement Tales – schräg, brutal, seltsam, surreal. Alles ein wenig abseits des Weges. Roadkill-Literatur, unter deren Flagge wir inzwischen über 30 Autorinnen und Autoren versammeln konnten.
Zu diesen außergewöhnlichen Autoren zählt auch Lina Thiede. Was zeichnet ihren Roman „Homo Femininus" aus?
„Homo Femininus" ist ein dystopischer Roman, irgendwo angesiedelt zwischen „Der Report der Magd" und „Mad Max". Nach einem großen Krieg haben sich die Männer vollends über die Frauen erhoben, die seitdem in Kasten leben und zum Vergnügen oder als Reproduktionsmaschinen dienen. Dieser Ist-Zustand wird akzeptiert, weil die Frauen nichts anderes kennen. Der Leser folgt drei Protagonistinnen, die unterschiedlichen Kasten angehören und deren Schicksale sich kreuzen. Es ist Lina Thiedes Debütroman, den sie mit 19 Jahren geschrieben hat. „Homo Femininus" ist ein kurzer, sehr schonungsloser Roman, der von Linas Sprachgewalt lebt. Schnörkellos und auf den Punkt. Keine schöne neue Welt.
In der Heftreihe „Basement Tales" sind bisher neun Ausgaben erschienen. Warum erfreuen sich diese schrägen und oft auch bösen Geschichten solch großer Beliebtheit?
Die „Basement Tales" sind eine Hommage an die Schundromane, die Groschenhefte, die „Pulp Fiction". Jedes Heft hat ein übergeordnetes Thema, zu dem mindestens vier Autorinnen und Autoren eine Kurzgeschichte beisteuern, zum Beispiel Bodensatz, Sperrgebiet oder Schwarzer Hai. Dabei setzen wir als Verlag keine Grenzen. Alles ist erlaubt, Genres dürfen verlassen werden, gekreuzt werden. Wir wollen Vielfalt, keine Beschränkung. Nur „Style" muss es haben. Bei uns schreiben Szenegrößen neben Erstautoren. Das finden wir toll. Jedes Heft ist ein besonderer Mix. Und dazu gibt es einen besonderen Bonus: Vier der Geschichten erhalten ein eigenes Plakat, ein von Künstlern, Illustratoren und Gestaltern exklusiv für sie entworfenes Poster.
Bei der dritten Ausgabe der „Basement Tales" war auch die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) im Spiel.
Eines unserer Ziele ist, Brücken zwischen Genres und Künsten zu schlagen. Für „Who‘s the dead person in the Pool?" (das Thema der dritten Ausgabe) arbeiteten wir mit der HBK zusammen. Wir haben einfach angeklopft, die HBK fand das, was wir mit den „Basement Tales" und den Plakaten dazu machen, spannend – und so fand im Wintersemester 2018/2019 ein für alle Studienbereiche offener Kurs mit dem Titel „Sex, Crime & Print" statt, in dem 13 Studentinnen und Studenten Plakate für die vier Kurzgeschichten entwarfen. Die wurden dann in einer limitierten Auflage von insgesamt 1.000 Stück von den Studentinnen und Studenten selbst gedruckt. Jeweils zwei der Art-Prints liegen einem Heft bei, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.
Bestimmt haben Sie schon Ihr nächstes Buch in Arbeit. Verraten Sie uns, wie es mit Kriminalhauptkommissar Gerd Wegmann weitergeht?
Wegmanns nächster Fall wird gewohnt dunkel sein und trägt den Arbeitstitel „Alles". Der Glaube wird darin nicht unwichtig sein. Es gibt bereits einen ersten offiziellen Teaser-Auszug: „Vergebung ist für die Schwachen, Herr Wegmann. Ich gestatte Ihnen, schwach zu sein. Wie das Gesetz. Und dann nehmen Sie sich gefälligst, was Sie wollen."