Die Hauptrunde verlief größtenteils enttäuschend für die Clubs der deutschen Profis. In den Play-offs im Modus Best-of-Seven sind andere Teams die Favoriten, allen voran die Utah Jazz.
Nach über 20 Jahren in den USA stellt sich für Dirk Nowitzki die Frage nach der Heimat nicht mehr. „Es ist für mich schon für eine lange, lange Zeit mein Zuhause", sagte der gebürtige Würzburger, „meine Kinder wurden hier geboren, wir lieben Dallas, wir lieben Texas und die USA, hier wollen wir sein." Und die Amerikaner lieben ihren „Dööörk", der als Basketballer wie kaum ein Zweiter den amerikanischen Traum verkörpert: mit harter Arbeit, viel Ausdauer und fast schon kitschiger (Vereins-)Treue erfolgreich sein. Kein Wunder also, dass der frühere Meisterspieler der Dallas Mavericks seine Zukunft in Amerika sieht, und die USA das Vorbild nicht gehen lassen will. Kürzlich hat Nowitzki eine begehrte Green Card erhalten, was ihm ein paar mehr Rechte einräumt und bürokratische Vorgänge erleichtert. Doch wirklich wichtig ist ihm die Green Card aus einem anderen Grund. „Ich glaube, man muss die Green Card fünf Jahre haben, dann kann man eine doppelte Staatsbürgerschaft beantragen", sagte Nowitzki. Dann hätte er den US-Pass und den NBA-Meisterring von 2011 – und die Amerikaner würden ihn noch mehr lieben.
Von einer solchen Helden-Verehrung sind Nowitzkis Erben aktuell meilenweit entfernt. Die Hauptrunde in der NBA-Saison 2020/21 verlief für die Clubs der deutschen Profis sehr durchwachsen. Die Chancen, dass in den am 22. Mai beginnenden Play-offs am Ende wieder ein deutscher Basketballer den NBA-Titel gewinnt, sind nicht besonders groß. Für manche wie Moritz Wagner von den Orlando Magic oder Isaiah Hartenstein von den Cleveland Cavaliers ist die Saison dann sogar schon vorbei. Andere wie Ausnahmekönner Dennis Schröder (Los Angeles Lakers) kämpften bis zum Ende um den Einzug in die erste Play-off-Runde mit den jeweils acht besten Teams der Eastern und Western Conference. Die letzten Tickets wurden im sogenannten Play-in-Turnier vom 18. bis zum 21. Mai vergeben.
Zum Ende der Vorrunde musste Schröder in Isolation
Die Lakers starteten am vergangenen Mittwoch (nach Redaktionsschluss) gegen die Golden State Warriors ins Play-in-Turnier. In den Play-offs würden dann die Utah Jazz warten. Und ausgerechnet in der heißen Schlussphase der Vorrunde konnte Nationalspieler Schröder nicht mithelfen, weil er durch eine Erkrankung in seinem Umfeld in das Corona-Protokoll der NBA aufgenommen wurde und sich den Regeln entsprechend für etwa zwei Wochen in Isolation begeben musste. Das war ein weiterer „großer Verlust" für die Lakers, wie Chefcoach Frank Vogel es ausdrückte. Der 17-malige Champion musste zuvor wochenlang auf seine beiden Topstars LeBron James und Anthony Davis verzichten. In dieser Zeit übernahm vor allem Schröder viel Verantwortung, als ideenreicher Spielmacher hielt er sein Team im Play-off-Rennen und kassierte viel Lob für seine Leistungen und seine Führungsstärke. „In der Offensive ist das schon schwierig, wenn du die zwei Besten in der NBA nicht an Bord hast", hatte Schröder in dieser für ihn persönlich guten Phase gesagt. Wenn er, James und Davis wieder vereint seien, „wird es sehr, sehr schwierig, uns in einer Seven-Game-Series zu schlagen", behauptete Schröder. Seine Rolle würde sich im Falle eines Play-off-Einzugs verändern. Die Chefs sind dann wieder James und Davis, Schröder ist der „Joker". „Wenn AD und LeBron wieder dabei sind", sagte Schröder, „muss ich versuchen, mehr zu scoren."
Bis zu seiner Zwangspause ist ihm das gut gelungen, sein Wechsel im November 2020 von Oklahoma zu den Lakers im Tausch für Danny Green und einen Erstrunden-Pick hat für alle Seiten einen Sinn ergeben. Ob Schröder aber auch in der neuen Saison im gelben Lakers-Jersey übers Parkett flitzen wird, ist fraglich. Sein Vertrag läuft aus, ein erstes Angebot seines jetzigen Arbeitgebers über 84 Millionen Euro für vier Jahre hat er abgelehnt. Daher könnte Schröder in der Off-Season theoretisch überallhin wechseln – doch eigentlich würde er gern länger in Los Angeles bleiben. „Mir fehlt hier nichts, sie machen alles für mich und meine Familie. Natürlich bin ich bei einem der besten Teams, natürlich will ich auch mit denen unterschreiben", sagte der 27-Jährige. Warum dann aber das Zögern? Weil die NBA vor allem ein Geschäft ist, bei dem auch der Spieler seinen Wert austestet. „Natürlich geht es ums Geld, ich will fair bezahlt werden", sagte Schröder. Es gibt aber noch einen zweiten Grund: Er wolle erstmals nach acht Jahren in der NBA „selber entscheiden, wo ich hingehe. Das will ich mal fühlen."
„Selber entscheiden, wo ich hingehe"
Moritz Wagner und Isaiah Hartenstein, die im Frühjahr innerhalb der NBA zu neuen Clubs getradet wurden, können ein Lied davon singen. Wagner zum Beispiel hatte in Boston noch nicht mal alle Sachen richtig ausgepackt, als er nach vier Wochen und neun Spielen für die Celtics schon Opfer deren Personalpolitik wurde. Um im strikt festgelegten Gehaltsvolumen „Platz" für Topspieler Jabari Parker zu schaffen, wurde der rund zwei Millionen US-Dollar teure Wagner kurzerhand abserviert. Der gebürtige Berliner unterschrieb kurze Zeit später in Orlando, das im Osten aber zu den schlechtesten Teams zählt.
Angesichts dieses in den nordamerikanischen Profiligen typischen „Hire-and-fire"-Prinzips sind die vier Jahre, die Maximilian Kleber nun schon bei den Dallas Mavericks aufläuft, eine große Wertschätzung für den Power Forward. Ihm spielt sicher in die Karten, dass Dallas mit deutschen Profis gute Erfahrungen gemacht hat, zumal Kleber wie auch Nowitzki aus Würzburg stammen. Doch seinen Status quo hat sich Kleber selbst erarbeitet, auch in dieser Saison agiert der Nationalspieler zuverlässig und meist fehlerfrei – wenn er denn auf dem Parkett steht. Zuletzt fehlte der 29-Jährige wegen Problemen mit der Achillessehne. Schon Corona schien ihm und Dallas einen Strich durch die Saison-Rechnung zu machen. Im Januar hatten sich Kleber und andere Mavs-Profis angesteckt, sie und ihre Kontaktpersonen mussten in Quarantäne. Personell geschwächt verlor Dallas sechs Spiele in Serie, die Play-offs gerieten in Gefahr. Nach der Rückkehr der betroffenen Profis zeigte Dallas aber wieder, warum manche Experten die Mavs als Meister-Geheimtipp auf dem Zettel haben, sie treffen nun im Achtelfinale auf die L.A. Clippers.
Eigentlich wollte Daniel Theis mit den Boston Celtics um den Titel mitspielen, doch im Frühjahr wurde er zu den Chicago Bulls transferiert. Das überraschte auch den Center, der sich sportlich aber zunächst unbeeindruckt zeigte. Bei den Bulls lieferte der 29-Jährige bis zu seiner Hüftverletzung gute Leistungen ab. Das war auch für ihn persönlich wichtig, denn im Sommer kann der Rollenspieler als „unrestricted free agent" frei verhandeln. In Boston trauerte man dem Defensivspezialisten schnell hinterher. „Er war ein wichtiger Faktor dafür, dass wir in der vergangenen Saison defensiv so gut waren", sagte Celtics-Coach Brad Stevens, „wir vermissen ihn." Nicht vermisst wurde dagegen Isaac Bonga, der deutsche Nationalspieler kam zuletzt bei den Washington Wizards kaum noch zum Einsatz. Bei den Wizards überstrahlt ohnehin Superstar Russell Westbrook alles. Mitte Mai brach der Alleskönner mit seinem 182. (!) Triple-Double – also zweistellige Werte in drei Kategorien – den 47 Jahre alten NBA-Rekord von Oscar „The Big O" Robertson. „Normalerweise klopfe ich mir nicht auf die Schultern, aber heute Abend werde ich es tun", sagte Westbrook. „Es ist einfach ein Segen."
Im Sommer kann Theis frei verhandeln
Doch als Titelfavoriten gehen andere Teams in die Play-offs, die in der Breite ausgeglichener besetzt sind. Die Utah Jazz zum Beispiel, die die großen Clubs in der Hauptrunde in den Schatten gestellt haben. Größter Hoffnungsträger der Jazz auf den ersten NBA-Titel in der Franchise-Geschichte ist Donovan Mitchell. Der All-Star-Guard lief zuletzt zur Hochform auf und erzielte im April im Schnitt 31,0 Punkte pro Spiel. So treffsicher war für Utah seit Basketball-Ikone Karl Malone keiner mehr. Der Club hat große Pläne, nicht nur für diese Saison. Die Eigentümergruppe, die von Technologie-Milliardär Ryan Smith angeführt wird, will die Utah Jazz langfristig zu einem Topclub der Liga formen. Dafür holte man sich auch sportliche Expertise ins Boot: Kein Geringerer als Dwyane Wade hat sich inzwischen bei den Jazz eingekauft. Der 13-malige All-Star, der mit den Miami Heat bis zu seinem Rücktritt 2019 dreimal den NBA-Titel gewann, folgte mit dem Schritt seinen Idolen. „Ich habe gesehen, wie Shaquille O’Neal es in Sacramento gemacht hat. Ich habe Grant Hill gesehen, wie er es in Atlanta gemacht hat. Ich habe gesehen, wie Michael Jordan es in Charlotte geschafft hat", sagte Wade, der Utah „auf das nächste Level" bringen will.
Größte Rivalen der Jazz in dieser Saison dürften die Phoenix Suns, die Philadelphia 76ers, die L.A. Clippers und die Denver Nuggets sein. Bei den 76ers hat die starke Vorrunde das Selbstvertrauen spürbar gestärkt, Center Joel Embiid sieht sich zum Beispiel schon als kommenden MVP. „Es gib keine Zweifel", sagte er kürzlich. „Ich bin schon die gesamte Saison über dominant. Und ich werde nicht aufhören." Auch die verstärkte Manndeckung werde ihn nicht stoppen, betonte der 2,13-Meter-Mann aus Kamerun: „In jedem einzelnen Spiel schickt die Defense drei Leute auf mich, wenn ich den Ball habe. Und ich bin trotzdem in der Lage, mein Ding zu machen." Selbstbewusste Worte, die man in dieser Saison von den deutschen Profis nur sehr selten gehört hat. Auch in den Play-offs werden wohl andere den Ton angeben. Womöglich erhält Dirk Nowitzki eher die US-Staatsbürgerschaft als einer seiner Nachfolger den NBA-Ring.