Der Monaco-Grand-Prix an diesem Sonntag ist der erste Höhepunkt der Formel-1-Saison 2021. Mercedes-Superstar Lewis Hamilton reist als WM-Führender mit zuletzt zwei Siegen in Portugal und Spanien ins Fürstentum. Dort triumphierte er bereits dreimal als „Fürst Lewis".
Seine Rekorde purzeln. Und sie erreichen Rekordhöhen. Vor dem Monaco-Grand-Prix an diesem Sonntag (15 Uhr/Sky) brannte Lewis Hamilton auf dem Circuit de Bacelona-Catalunya (im Austragungsort Meló) seine Jubiläums-Poleposition in den Asphalt. Der Siebenfach-Champion stand bei der Zeitenjagd für die Startaufstellung zum 100. Mal (!) auf Platz eins. „100 ist eine hohe Zahl, die ich gar nicht in Worte fassen kann", so der „Jubilar" kurz nach dem Ausstieg aus seinem schwarzen Silber-Boliden. Zur Erinnerung: Zu seiner ersten Poleposition fuhr der Brite in seinem ersten Formel-1-Jahr 2007 am 9. Juni beim Kanada-Grand-Prix in Montreal, den er tags darauf gewann – ebenfalls eine Premiere. Am 26. August 2017 egalisierte Hamilton in Spa/Belgien mit seiner 68. Poleposition den bis dahin bestehenden Rekord von Michael Schumacher (letzte Pole am 15. Juli 2006 in Magny-Cours/Frankreich). Hamilton ist der Quali-König. Und als solcher ließ er im Spanien-Grand-Prix nichts anbrennen. Sieg Nummer 98 auf seinem 77.777. Rennkilometer, in seinem insgesamt 270. Grand Prix nach seiner 100. Poleposition.
Doch nach einem Sieg sah es bis sechs Runden vor Schluss nicht aus. Dauerkonkurrent Max Verstappen gewann von Startplatz zwei das Beschleunigungs-Duell gegen Pole-Setter Hamilton und behauptete sich bis zu dem genialen Schachzug der Mercedes-Strategen an der Spitze. Entscheidend dann Runde 43 von 66. Die Strategen erkennen: Hamilton kommt an Verstappen nicht vorbei. Sie ziehen die Strategie-Karte und beordern den Champion zum zweiten Mal an die Box. Mit frischen Reifen kommt Hamilton 23 Sekunden hinter dem „fliegenden" Holländer wieder raus. Noch 23 Runden – Hamilton holt den Hammer raus. Motto: jetzt volles Kanonenrohr. Vom Renningenieur hört er: „Wir haben das schon mal geschafft, also, mach was daraus!"
Der Befehlsempfänger gehorchte und schießt in Runde 60 lockerleicht an Verstappen vorbei. Der spanische Käse war gegessen. „Mad Max" kriegt in Runde 61 nochmals frische Reifen. Aber seinen Widersacher kann er nicht mehr einfangen. Er macht lediglich Jagd auf die schnellste Rennrunde. Dieser Extrapunkt ist etwas Balsam für die (geschundene) Bullen-Seele. „Wir haben es kommen sehen. Als Mercedes den zweiten Stopp eingelegt hatte, war es mit den frischen Reifen vorbei, wir konnten nicht mithalten, Mercedes war schneller als wir", bedauerte Verstappen.
Der Geniestreich mit der strategischen Meisterleistung des zweiten Reifenwechsels und einer anschließenden Glanzfahrt von Hamilton war ein Wagnis, für das Hamilton und Mercedes vollauf belohnt wurden. „Ich habe die Anweisungen meiner Strategen befolgt, es war eine fantastische Leistung von ihnen, mich an die Box zu beordern, wir vertrauen uns innerhalb des Teams gegenseitig", schwärmte Hamilton nach dem geglückten Geniestreich.
„Ich bin natürlich nicht zufrieden"
Für seine Leistung im „Titanen-Duell" feierte die internationale Presse den Rekord-Champion. So beschreibt die britische Boulevardpresse „Daily Mail" mehr als verblümt und mit wohlklingenden Worten Hamiltons derzeitige „Verfassung": „Entschuldigung an Beethoven, Shakespeare, Caravaggio (italienischer Maler des Frühbarocks, Anm. d. Red.) und Einstein. Aber niemand von euch hatte 22 Sekunden innerhalb von 24 Runden aufgeholt und so doch noch den GP Spanien gewonnen." Ex-Champion Damon Hill nannte Hamilton „einen der talentiertesten Menschen, die je auf diesem Planeten wandelten. Natürlich ist das nur Sport und Autofahren im Kreis. Aber Hamilton ist in seiner Berufung einzigartig." Verstappen musste sich mit Rang zwei begnügen, Valtteri Bottas komplettierte im zweiten Mercedes als Dritter das Podium. Charles Leclerc bestätigt mit Platz vier im Ferrari den Aufwärtstrend der Roten.
Dessen Ex-Kollege Sebastian Vettel blieb zum siebten Mal in Folge ohne Punkte, konnte mit der Nobelmarke Aston Martin in dem taktisch geprägten Rennen erneut keine Akzente setzen. Der Heppenheimer fuhr ein unauffälliges Rennen, blieb farblos, landete genau auf seinem Startplatz 13 und dümpelt im hinteren Mittelfeld. Teamkollege Lance Stroll wurde Elfter. „Ich bin natürlich nicht zufrieden", seufzte Vettel nach verheißungsvollem Start. „Ich hatte gehofft, am Anfang Boden gutzumachen. Das ist uns nicht gelungen. Ziemlich genau da, wo wir ins Ziel gekommen sind, stehen wir auch momentan. Wir tun uns schwer, einen Schritt nach vorne zu machen", ärgert sich der Aston-Martin-Pilot. Von ihm hat der Außenstehende und mittlerweile auch der Vettel-Fan den Eindruck, als sei der Heppenheimer von der roten Ferrari-Gurke in die British-Racing-Green-Gurke gewechselt. Dabei war Vettels neuer Rennstall Aston Martin (nur mit neuem Namen, zuvor erfolgreich als Racing Point) angetreten, um das eine oder andere Rennen zu gewinnen. Aston Martin mit Team-Eigentümer und dem kanadischen Milliardär Lawrence Stroll wollte die Formel 1 ordentlich aufmischen und der britischen Nobelmarke zu altem Rennsport-Glanz verhelfen. Doch nach vier Saisonrennen wurde daraus nichts. Sohnemann Lance sorgte in Papas Konstrukteurs-Rennstall mit Teamkollege Vettel lediglich für Platz sieben unter zehn Teams. Stroll ist nach vier Saisonrennen mit fünf WM-Zählern WM-Elfter, Vettel als einer von sieben Fahrern noch ohne WM-Punkt. Ebenso Mick Schumacher. Der Haas-Pilot schlug sich wie schon zuletzt in Portugal respektabel und beendete sein viertes Formel-1-Rennen mit dem unterlegenen und nicht mehr weiterentwickelten Boliden auf Rang 18. „Wir haben die Zielflagge gesehen, das war das Wichtigste, und wir haben wieder viel gelernt", so Schumis Fazit. Seinen russischen Teamkollegen Nikita Mazepin, der Letzter wurde, hatte er mit 20 Sekunden Vorsprung erneut wieder einmal locker im Griff.
Mit drei Saisonsiegen in vier Rennen und 14 Punkten Vorsprung auf seinen Herausforderer Verstappen (94:80) reist Lewis Hamilton als WM-Führender mit stolzer und breiter Brust als „Fürst Lewis" zum fünften Saisonlauf ins Fürstentum nach Monaco. Das spektakulärste und prestigeträchtigste Formel-1-Rennen, der Grand Prix von Monaco, findet trotz strenger Corona-Maßnahmen planmäßig am kommenden Sonntag, 23. Mai, statt (15.30 Uhr/Sky). Das versicherte der Automobilclub, der von der Regierung die Freigabe als Veranstalter erhielt. Die lokalen Behörden erteilten auch grünes Licht für eine entsprechende Rückkehr von 7.500 Zuschauern. Voraussetzung für einen Besuch des Rennens ist ein negativer PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Es sei wichtig, den Grand Prix mit einer „minimalen Beteiligung der Öffentlichkeit unter den höchsten Hygienestandards" stattfinden zu lassen, sagte Staatsminister Pierre Dartout. Im vergangenen Jahr musste der Grand Prix durch die Innenstadt von Monte Carlo aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt werden.
„Mit Vollgas in die Dunkelheit"
Am Sonntag liegt die Wahrheit wieder im Leitplanken-Dschungel. Der kleinste Fehler, die jüngste Konzentrationsschwäche, und das Auto klebt zwischen den blanken Schienen. Niki Laudas Zitat ist so simpel wie einleuchtend: „Wer blöd fährt, macht Bekanntschaft mit den Leitschienen, wer nicht blöd fährt, macht sie nicht." Ein anderes Zitat lautet: „In Monaco kann ein Fahrer mit dicken Eiern mehr erreichen als auf jeder anderen Strecke. Von den aktuellen Piloten hat Hamilton die „dicksten Monaco-Eier." 2019 war er im Mercedes der Sieger im Stadtstaat. Zuvor gewann er das schnellste Stadttheater 2016 (Mercedes) und 2008 (McLaren). „Monaco ist einfach unglaublich. Als Kind träumst du davon, mit dem Rennwagen durch den Tunnel zu fahren, und es ist ein absolut fantastisches Gefühl, dies in der Realität zu erleben", schwärmt der Weltmeister von dem Autoroulette in dem Zocker- und Steuerparadies Monaco, wo das Steuern die eigentliche Kunst ist. Für den dreimaligen Monaco-Sieger sind die 78 Runden durch Häuserschluchten und zwischen den Leitplanken ein „haarsträubendes Erlebnis. Es ist die härteste Achterbahn, die du dir vorstellen kannst." Eine Schlüsselstelle ist die Fahrt vom Casino in Richtung Mirabeau. Dort fallen die Boliden wie die Schneide einer Guillotine – ein immer wieder atemberaubendes Spektakel. Ein weiterer richtig spannender und einzigartiger Streckenabschnitt ist der Tunnel, der die Autos ausspuckt wie eine Kanone ihre Granaten. „Hier fahren die Piloten mit Vollgas in die Dunkelheit und erkennen nicht, wo sie hinfahren. Du hoffst einfach, dass du das Auto an der richtigen Stelle platziert hast, um auf der anderen Seite wieder gut ins helle Sonnenlicht zu fahren", schildert Hamilton seine Erfahrung. Monaco ist das Rennen, das die Spreu vom Weizen trennt.