Es ist schon gewöhnungsbedürftig. Wobei sich eigentlich keiner so Recht daran gewöhnen möchte: ein Parteitag verkehrt herum, die Matadoren unten auf dem grünen Rasen im Stadion statt wie sonst auf erhöhter Bühne. Die Delegierten coronaverteilt auf den Rängen mit freiem Blick in die Arena. Vielleicht ein ganz bezeichnendes Bild für die Lage nach fast eineinhalb Pandemiejahren und wenige Monate vor der Wahl: Irgendwie stimmen die Anordnungen nicht mehr mit dem zusammen, was wir all die Jahre für so selbstverständlich gehalten haben.
Nicht nur der Blickwinkel ist anders geworden, es ist überhaupt so gut wie fast schon alles anders. Auch wenn derzeit angesichts der Entwicklung der Pandemie – und der Impfungen – eine Stimmung Raum greift, als wäre wenn schon nicht Ostern oder Pfingsten, dann doch im Sommer wieder alles so ziemlich im Lot. Was wir uns alle, Wahlkämpfer eingeschlossen, natürlich wünschen.
Obwohl uns klar ist, dass die Pandemie nicht nur eine höchst ärgerliche Zwischenphase ist, wie halt auch im Sport nach einer Siegesserie eine Schwächephase den Lauf bremsen kann. Entscheidend ist dann, wie damit umgehen.
Die Pandemie wird sich aller Voraussicht nach mit der massiven Impfkampagne zähmen lassen, die Folgen werden sich nicht wegimpfen lassen.
Dabei geht es um erheblich mehr als „nur" um die unmittelbaren Folgen, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt und in den Wirtschaftsstrukturen, was für sich schon eine Mammutaufgabe ist. Es hat sich in einem bis dahin behäbig gewordenen Land viel mehr und in einem viel rasanteren Tempo verändert, als derzeit unmittelbar sichtbar wird.
Natürlich geht es weiter um Krisenmanagement, um den großen Strukturwandel, um die Klimawende, aber eben auch darum, in welcher gesellschaftlichen Atmosphäre wir uns neu aufstellen. Dass wir das quer durch alle Bereiche tun müssen, von den wirtschaftlichen Strukturen bis zum dörflichen Vereinsleben, ist keine Frage mehr. Die Frage jetzt ist, mit welchem Blickwinkel auf das Spielfeld wir das anpacken.
Impfstoffe in derart kurzer Zeit zu entwickeln und zu verimpfen, war und ist ein enormer Kraftakt. Was jetzt bevorsteht, wird deutlich mehr Zeit brauchen und mit Sicherheit keinen geringeren Anstrengungen. Auch deshalb ist die Wahl im Herbst keine wie so viele zuvor.