Selten standen sie so im Mittelpunkt wie zuletzt: Ganz Fußball-Deutschland spricht seit Wochen über die Trainer. Aus den unterschiedlichsten Gründen.
Normalerweise stehen die Trainer eher in der zweiten Reihe. Jahrelang gab es Ausnahmen wie Udo Lattek, Hennes Weisweiler oder Otto Rehhagel, doch die Masse der Trainer stand eher nicht im Mittelpunkt. Allenfalls, wenn es nicht lief, die Fans mit Sprechchören ihre Entlassung forderten und der Verein dem irgendwann wegen des „Drucks von außen“ nachkam, weil der Trainer ja eh „das schwächste Glied in der Kette“ ist.
André Villas-Boas wurde nach acht Monaten beurlaubt
In den vergangenen Jahren hat sich das Ganze schon ein wenig entwickelt. Trainer wurden schneller gehyped, galten aber auch schneller wieder als entzaubert. In diesem Jahr aber hat es keine Entwicklung mehr gegeben, sondern eine Explosion. Nie wurde mehr über Trainer geredet als in den vergangenen Wochen. Zumeist gut, aber längst nicht immer. Gleich mehrere Trends wurden kreiert. FORUM fasst die wichtigsten Lehren zusammen: Trainer kosten inzwischen richtig Geld: Als Borussia Dortmund im Februar die Verpflichtung des Gladbachers Marco Rose für den Sommer verkündete, fiel erstmals der Rekord. Rund fünf Millionen soll Rose kosten, etwas mehr als Julian Nagelsmann 2019 bei seinem Wechsel von Hoffenheim nach Leipzig. Rund zwei Monate später wurde die Bestmarke gebrochen – von den Gladbachern, die für 7,5 Millionen Euro Adi Hütter von Eintracht Frankfurt als Rose-Ersatz holen. Und gerade einmal zwei weitere Wochen später wurde der Rekord pulverisiert. Rund 25 Millionen wird der FC Bayern für Nagelsmann an Leipzig bezahlen. Das ist sogar Weltrekord. Der bisherige hatte zehn Jahre gehalten. 2011 hatte der FC Chelsea rund 15 Millionen Euro für André Villas-Boas an den FC Porto bezahlt. Ein Investment, das sich übrigens nicht gelohnt hat. Der Portugiese wurde nach acht Monaten beurlaubt. Sein Assistent Roberto Di Matteo übernahm und wurde mit den Blues im Finale gegen den FC Bayern in München Champions-League-Sieger.
Nachdem der Abgang verkündet wurde, stürzte Gladbach ab
Der Fall von Villas-Boas zeigt, dass eine hohe Ablöse alleine keine lange Amtszeit garantiert. Dennoch kann man davon ausgehen, dass sie den Trainer stärkt. Für wen man Geld ausgibt, den wirft man nicht gleich beim ersten Gegenwind raus. Bisher war es eher ein Argument, für Trainer keine Ablöse zu zahlen, da es für sie noch keinen gewachsenen Markt gibt. Und dass man davon ausgehen musste, ihnen am Ende auch noch eine Abfindung zahlen zu müssen statt sie möglicherweise sogar mit Gewinn weiterverkaufen zu können. Das könnte sich nun ändern. Gladbach hat Rose einst für 2,5 Millionen aus seinem Vertrag rausgekauft und nun für das Doppelte weiterveräußert. Als klassische Wertanlage werden Trainer sicher auch weiterhin nicht gesehen. Doch für viele sind sie „der wichtigste Angestellte im sportlichen Bereich“, das belegen auch zahlreiche Zitate von Managern. Schon die Tatsache, dass oft nicht nur einer, sondern gleich mehrere Spieler besser bezahlt sind als ihr Chef, ist eigentlich ein absurder Zustand. Dies wird sich sicher annähern. Aber sicher auch nur bei den Großen der Zunft.
Eine frühzeitige Verkündung ist nicht immer ratsam: Gladbachs Manager Max Eberl hatte die Erfahrung selbst schon gemacht: Nachdem Roses Abgang frühzeitig verkündet wurde, stürzte sein Verein in eine Krise, welche die Qualifikation für die Champions-, die Europa- und sogar die Conference League kostete. Dennoch entschieden sich die Gladbacher und Frankfurter gemeinsam, den feststehenden Wechsel von Hütter sofort nach der Einigung rauszugeben. Und das auch noch direkt vor dem Duell zwischen Gladbach und der Eintracht. Alle seien „froh, dass die Nachricht raus ist“, sagte Eberl damals. Es sei der Wunsch „aller Beteiligten“ gewesen, die Nachricht nicht zurückzuhalten: „Wir wollten nicht rumeiern, wir wollten Fakten schaffen“, sagte Eberl. Doch die Frankfurter erlebten einen ähnlichen Absturz wie zuvor die Gladbacher. Der vielleicht sogar noch bitterer war, weil er den Verein die erstmalige Qualifikation für die Champions League kostete. Auf die Frage, ob der Einbruch nach der Verkündung in Zusammenhang mit der Nachricht des Trainer-Abschieds stehe, sagte Mittelfeld-Spieler Sebastian Rode: „Ich denke, das ist nicht von der Hand zu weisen.“ Sogar in Leipzig munkelte der eine oder andere, dass RB nicht das Pokal-Finale gegen Dortmund verloren hätte, wenn Nagelsmanns Abschied zum FC Bayern noch nicht bekannt gewesen wäre. Dass Spieler in einem einzelnen Höhepunkt-Spiel deshalb ihre Leistung nicht abrufen, scheint grundsätzlich absurd. Die Frage, wie gut der Trainer sie noch erreichte, darf aber gestellt werden.
Rund um Dortmund werfen nach der Entwicklung der letzten Monate – es bleibt eben doch ein schnelllebiges Geschäft – viele sogar die Frage auf, ob nicht nur die Verkündung von Rose übereilt war, sondern auch die grundsätzliche Entscheidung für ihn. Denn Edin Terzic führte die Dortmunder nach leichten Schwankungen zum Anfang letztlich souverän zum Pokalsieg und auch noch in die Champions League. Beliebt war er ohnehin, weil er ein Ur-Dortmunder ist. Dass der 38-Jährige sich nun wieder hinter dem in den letzten Monaten für viele entzauberten Rose und auch noch dessen ersten Vertrauten Alexander Zickler anstellt, scheint schwer vorstellbar. Bleibt Terzic, wird er immer Roses Schattenmann sein. Geht er – es gibt offenbar durchaus Vereine, die an ihm als Chef-Trainer interessiert sind – bleibt er es auch. Weil schon bei einem mäßigen Start Roses wieder die Diskussionen losgehen, ob das mit Terzic nicht besser geklappt hätte. Und wieso man sich der Option beraubt hat, ihn erneut hochzuziehen.
Retter aus der Rente sind groß in Mode: Da die Vereine durch Corona ohnehin schon größere Verluste zu beklagen haben, war die Angst vor dem Absturz größer als sonst. Und so wie den einen gute Trainer plötzlich einiges wert waren, griffen andere bei drohendem Ab- oder Nicht-Aufstieg auf Altbewährtes zurück. Und zwar – bei allem Respekt – im Wortsinne. Sechs Spieltage vor dem Saisonende holte der 1. FC Köln nämlich Friedhelm Funkel. Der 67-Jährige, der 2002 schon mal mit dem FC ab- und danach wieder aufgestiegen war, hatte nach dem Rauswurf in Düsseldorf im Januar 2020 sein Karriereende erklärt. Wegen Corona konnte er aber nicht wie geplant reisen, also nahm er das Angebot des FC – ausdrücklich nur bis zum Saisonende – an und schaffte es in die Relegationsspiele. In Hamburg wurde Vereins-Ikone Horst Hrubesch (70), im Sommer erst nach 37 Jahren als Direktor im Nachwuchsleistungszentrum zum HSV zurückgekehrt, sogar drei Spiele vor dem Saisonende installiert. Auch nur bis zum Saisonende. Nach einem Auftaktsieg verpasste er allerdings den Aufstieg. Und in Bremen riefen sie sogar einen einzigen Spieltag vor dem Saisonende in höchster Not nach Thomas Schaaf. Der 60-Jährige, zuletzt Technischer Direktor, hatte die Bremer von 1999 bis 2013 trainiert, stieg nun mit Werder als 17. aber sogar direkt ab. Auch Augsburg holte drei Spiele vor dem Saisonende Ex-Trainer Markus Weinzierl zurück. Der ist mit 46 aber noch weit von der Rente entfernt.
Terzic wird beim BVB immer Roses Schattenmann sein
Ständige Wechsel bringen nichts: Beim FC Schalke und bei den Würzburger Kickers waren sie in dieser Saison besonders nervös. Nichts klappte, also versuchten sie es immer wieder mit neuen Trainern. Mit immer neuen Ansätzen, personell, taktisch oder in der Ansprache. Die Folge: Die ohnehin nicht funktionierenden Teams wussten nicht mehr, wo sie dran waren und taumelten immer weiter. Auf Schalke durfte David Wagner nur noch zwei Bundesliga-Spiele absolvieren, bei Manuel Baum waren es zehn, bei Christian Gross auch, bei Dimitrios Grammozis schließlich elf. Dazwischen stand noch „Jahrhunderttrainer“ Huub Stevens einmal an der Seitenlinie. Auch in Würzburg verlor man erstmals nach dem 2. Spieltag die Nerven und trennte sich vom langjährigen Erfolgscoach Michael Schiele. Für viele der Kardinalfehler. Marco Antwerpen musste schon nach fünf Spielen wieder seine Koffer packen, Bernhard Trares hielt sich stolze 18 und Ralf Santelli machte die letzten neun. Das Ergebnis in beiden Fällen: Sowohl Schalke in der Ersten als auch Würzburg in der Zweiten Liga stiegen sang- und klanglos als Tabellenletzte ab.