Er ist der Kandidat für die Nach-Merkel-Ära. Gegen Merz und Söder hat er sich durchgesetzt, die eigentlich große Herausforderung steht Armin Laschet noch bevor. Die Union, alles andere als in Bestform, steht massiv unter Druck. Der „Versöhner“ Laschet muss auf Kämpfernatur umschalten.
Annalena Baerbock und Olaf Scholz hatten auf Abstand Platz genommen auf ihren Sesseln im Fernsehstudio. Zwischen beiden und aus dem Hintergrund ist Armin Laschet auf einem großen Bildschirm zugeschaltet. Rein optisch hätte man den Eindruck gewinnen können, als ließe der Unionskanzlerkandidat die beiden Mitbewerber im Studio mal nett diskutieren, um anschließend aus dem Hintergrund die Fäden an sich zu ziehen.
Dass Armin Laschet das Fädenziehen im Hintergrund durchaus beherrscht, ist bekannt. Der Aachener Klüngel ist eine harte Schule. Dass er derzeit als Kanzlerkandidat der Union die Fäden in der Hand hat, danach sieht es nicht gerade aus. Aber man sollte Armin Laschets Erfahrungen mit solchen Situationen nicht unterschätzen. Situationen, in denen es für ihn und seine Partei alles andere als Erfolg versprechend aussieht, kennt er.
Vor vier Jahren gelang es ihm, Hannelore Kraft im SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen zu besiegen. Der Sieg der CDU in NRW hat maßgeblich dazu beigetragen, den damals ohnehin schon schlingernden „Schulz-Zug“ zum Entgleisen zu bringen. Dass die nordrhein-westfälische CDU dabei den Wahlsieg mit ihrem zweitschlechtesten Ergebnis erzielt hat, spielte keine Rolle, schließlich hatte sie unter Laschet einen Sprung vom bis dahin schlechtesten 26-Prozent-Ergebnis auf 33 Prozent gemacht. Vergleiche vier Jahre später sind für die Ausgangslage wenige Monate vor der Bundeswahl allenfalls insofern hilfreich, als dass sie ein Schlaglicht auf einen Politiker werfen, dessen Hartnäckigkeit oft unterschätzt wird. Vermutlich auch, weil er in öffentlichen Auftritten eher wirkt wie ein ruhiger Landesvater, der bisweilen auch recht pastoral klingt. Das macht für viele auch so schwer vorstellbar, wie Laschet als Bundeskanzler auf internationaler Bühne mit Leuten wie Biden oder Putin und den vielen anderen zurechtkäme.
Ein Profi mit Stehvermögen
Durchgesetzt hat er sich zunächst gegen Friedrich Merz (als Parteivorsitzender) und dann gegen Markus Söder (als Kanzlerkandidat). Jedes Mal knapp, wie damals gegen Hannelore Kraft. Sicher keine Leichtgewichte, und was Merz und Söder betrifft, sind die letzten Worte sicher auch noch nicht gesprochen. Da hat der „Versöhner“ noch Bewährungsproben. Und es sind nicht die einzigen.
Laschet hat die CDU in einer Situation übernommen, die sich nur schwer fassen lässt. Zwei Jahre, nachdem der Youtuber Rezo mit seiner „Zerstörung der CDU“ für wochenlange Diskussionen sorgte, macht es derzeit für einige Kommentatoren den Eindruck, als habe diese Zerstörung der CDU in diesem Jahr jetzt so richtig begonnen. Quälende Personaldebatten, noch kein Programm, Probleme am rechten Rand (Kandidatur Hans-Georg Maaßen in Thüringen), wie überhaupt das ungeklärte Verhältnis mit der zunehmend selbstbewussten CDU im Osten, Ministerpräsidenten, die ihre eigenen Wege suchen, sind nur schlagzeilenartige Stichworte für die inneren Befindlichkeiten.
Dass Markus Söder unlängst bereits drüber sinniert hat, wohin der Weg der Union führen sollte, falls sie nicht stärkste Kraft werden sollte (nämlich in die Opposition), hat nur öffentlich das aufgenommen, was derzeit unter der Hand längst auch CDU-intern diskutiert wird, nämlich die Vorstellung, Juniorpartner in einer Koalition zu sein. Wer bereits jetzt so diskutiert, dem kann man sicher einen gewissen Realismus unterstellen, nach unbedingten Machtwillen, einem bisherigen Markenkern der Union, sieht es nicht aus.
Laschets Ambition ist, in der Mitte, soweit die noch von der Union erreicht wird, keinen weiteren Millimeter Platz zu machen. Dass er zur Bewerbungsrede als Parteichef die Bergmannsuhr seines Vaters mitgebracht hatte, war sicher kein Hinweis auf sozialdemokratischere Ausrichtungen. Nur hat die Union in der sogenannten Mitte, in der erfahrungsgemäß Wahlen entschieden werden, ein doppeltes Problem. Erstens haben sich dort schon längst die Grünen breitgemacht, und zweitens ist eine Erosion dessen, was bislang unter „Mitte“ verstanden wurde, schon lange im Gange. Übrigens nicht nur in Deutschland. Das kann Armin Laschet aus seiner Aachener Heimat, die nach seinen Worten „immer schon in die Welt geblickt“ hat, bei den europäischen Nachbarn studieren.
Zu dieser Heimat bekennt sich Laschet, betont als „echter Öcher“ seine Beziehung zum Karneval und zum Dom, den er auf seiner Internetseite ausdrücklich als „abendländisch-christliche Zeugnis“ würdigt.
Der „Mann mit Stehvermögen“ („Neue Züricher Zeitung“), Katholik, Journalist, Jurist, erklärt seine Motivation, Politik zu machen, knapp: „Mein Wunsch war es immer, mich einzusetzen für eine bessere Welt“. Das mit der „besseren Welt“ und dem „C“ im Parteinamen heißt nach seinen Worten, „das christliche Menschenbild in konkrete Politik umzusetzen“.
Dass nicht alle in der Union in der Praxis allzu viel von einem solchen Politikverständnis christlicher Prägung halten, hat der Maskenskandal gezeigt. Dabei hat die Unionsspitze allerdings einen rigorosen Kurs gefahren. Die involvierten Abgeordneten sind ausgeschieden.
Laschet selbst hängt noch die Maskenbeschaffung in seinem Bundesland nach. Es geht um über eine Million Masken, die bei der Modefirma Van Laack bestellt worden waren, zunächst ohne Ausschreibung, was zu Beginn der Pandemie nicht unüblich war, musste vieles doch so schnell wie möglich gehen. Den Kontakt vermittelt hatte Laschets Sohn Johannes „Joe“, der als Influencer mit Van Laack zusammenarbeitet. Der soll allerdings dafür keine Provision erhalten haben, „ohne jeden Vorteil“, wie Vater Armin beteuert. Ansonsten dürfte Sohn „Joe“ (32) seinem Vater zumindest in einem Punkt den Rang ablaufen, nämlich was Follower auf Instagram betrifft. Zusammen mit seiner Frau Susanne hat Laschet zwei Söhne und eine Tochter. Er selbst ist vergleichsweise behütet in einer intakten Großfamilie aufgewachsen.
Seine politische Karriere ist alles andere als gradlinig darauf zugelaufen, einmal Parteivorsitzender und am Ende womöglich Bundeskanzler zu werden. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften, arbeitete als freier Journalist (unter anderem für den Bayrischen Rundfunk), war Chefredakteur der „Kirchenzeitung Aachen“ und Verlagsleiter des katholischen Einhard-Verlags. Seit seiner Jugend hat Laschet enge Kontakte und Beziehungen innerhalb der katholischen Kirche, bezeichnet sich selbst als „rheinisch-katholisch“.
In der Mitte keinen Millimeter Platz freigeben
1979 trat Laschet als 18-Jähriger in die CDU ein, wurde zehn Jahre später jüngster Ratsherr im Aachener Stadtrat. 1994 gewann er das Direktmandat für den Wahlkreis Aachen-Stadt, das er vier Jahre später wieder verlor. 1999 bis 2005 war Laschet Europaabgeordneter, wurde dann als Minister für Familie, Frauen und Integration von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers berufen. 2010 verlor er bei der Wahl zum CDU-Landeschef in Nordrhein-Westfalen gegen Norbert Röttgen, und erst als der die Wahl 2012 verlor, rückte Laschet an die Spitze. Seit 2017 ist er Ministerpräsident einer schwarz-gelben Koalition im bevölkerungsreichsten Bundesland.
Die Biografen Tobias Blasius und Moritz Küpper zeigen Armin Laschets Weg als den einer „fröhlichen Kontinuität“, bei allen Niederlagen geprägt von einem „notorischen Optimismus“, wobei der oft unterschätzte Laschet „keinen brachialen Aufstiegswillen“ an den Tag legt. Er sei „keine Machtmaschine“.
Kann so jemand Kanzler?
Einiges an Laschet erinnert stark an den Stil von Angela Merkel. Er wartet ab, sondiert, sucht gemeinsame Lösungen. Sein Freund Cem Özdemir wird allerdings auch mit den Worten zitiert: „Er ist schon auch ein knallharter Profi, der weiß, in welche Schlacht man ziehen muss“. Wie es aussieht, hat der Parteichef und Kanzlerkandidat aus der Stadt Karls des Großen derzeit mehr als ein Schlachtfeld bis zum 26. September vor sich.