Die CDU hat aktuell einiges an Kritik einzustecken, das auch aus den eigenen Reihen. Die Werte-Union und ihr Bundesvorsitzender Alexander Mitsch fordern schon länger eine Rückbesinnung auf ihre konservativen Wurzeln. Armin Laschet aber stehe nicht für einen solchen Kurs.
Herr Mitsch, Armin Laschet als Parteichef – wie steht die Werte-Union zu dieser Entscheidung?
Es ist offensichtlich, dass wir als Werte-Union uns einen anderen Parteivorsitzenden gewünscht hätten. Weniger, weil es uns um die Person geht, sondern eher, weil wir der Meinung sind, dass die Partei sich jetzt vom Kurs der vergangenen Jahre lösen muss. Sie muss sich auch ein Stück weit aus der Ära Merkel lösen. Und für diesen Aufbruch – sowohl inhaltlich, wie personell – steht Armin Laschet nicht. Dafür stünde Friedrich Merz, der sicherlich wieder eine Aufbruchsstimmung erzeugt hätte. Der in der Lage gewesen wäre, auch die Konservativen und Wirtschaftsliberalen, die wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verloren haben, wieder zu begeistern. Deshalb waren wir natürlich sehr frustriert über die Entscheidung. Insbesondere kam dazu, dass wir wahrgenommen haben, dass auch die Basis der CDU mehrheitlich Herrn Merz gewollt hätte. Letztendlich wurde Herr Laschet von den Funktionären gewählt, da ist die bestehende Kluft zwischen Funktionären und Basis noch größer geworden.
Oft hört man, bei der Ernennung eines Kanzlerkandidaten sei es bei der Frage Söder oder Laschet ähnlich gelaufen…
Da ist der Fall ein bisschen komplizierter. Aber allein das Verfahren der Kanzlerkandidatur halte ich schon für sehr schwierig, weil es eben nicht klar definiert ist. Das war in der Vergangenheit ja auch schon so. Diesmal hat man wieder deutlich gemerkt, welche Probleme es mitbringt, wenn das Verfahren zwischen CDU und CSU nicht geklärt ist. Unserer Meinung nach wäre es viel besser gewesen, wenn man schon den Parteivorsitz gegen die Basis bestimmt, zumindest der Kanzlerkandidat von der Basis bestellt wird. Aber das ist nicht passiert. Dadurch ist die Basis jetzt völlig verloren gegangen. Zweimal haben Funktionäre gegen deren Willen gestimmt. Die Situation an der Basis ist desaströs, und dies spiegelt sich auch in den katastrophalen Umfrage-Ergebnissen.
Ist der Zustand an der Basis tatsächlich so katastrophal?
Der Abwärtstrend der CDU und auch der CSU hält weiterhin an. In den vergangenen Jahren wurde bei 17 Wahlen nur bei einer einzigen ein Zuwachs der CDU erreicht. Wir haben zuletzt Zehntausende Mitglieder verloren. Allein die CDU ist von 600.000 im Hoch auf unter 400.000 Mitglieder gerauscht. Von den Mitgliedern, die noch übrig sind, sind sehr viele auch überhaupt nicht mehr für einen Wahlkampf zu motivieren. Das Durchschnittsalter liegt deutlich über 60 – in der Werte-Union liegt es wenigstens „nur“ über 50. Das ist schon prekär. Ich stelle fest, dass an der Basis der Frust über die Entscheidungen zum Vorsitz und zur Kanzlerkandidatur sehr tief sitzt. Das liegt nicht nur an den Personen, sondern auch stark an den Inhalten, die sie verkörpern.
Wie der Name bereits sagt, stehen in der Werte-Union gewisse Werte im Vordergrund. Welche sind denn in Ihren Augen die besonders wichtigen?
Freiheit, Sicherheit und Leistung. In der Reihenfolge. Das sind auch die Werte, für die die CDU lange, lange stand. Wenn ich an die soziale Marktwirtschaft denke, die von der CDU eingeführt wurde, dann war das zum einen das Thema Leistung, zum anderen aber auch das Thema Freiheit. Wenn ich an Sicherheit denke, dann war das eine Einwanderungspolitik, die darauf geachtet hat, dass unsere Gesellschaft sicher bleibt und nicht überfordert wird. Eine Politik der inneren Sicherheit, in der wir uns auch hinter unsere Sicherheitskräfte gestellt haben – sowohl hinter die Polizei, wie auch hinter die Bundeswehr. Und wenn ich an Freiheit denke, hat das auch etwas mit wirtschaftlicher Freiheit zu tun. In den vergangenen Jahren sind die Steuern und Abgaben in Deutschland aber so massiv gestiegen, dass man eigentlich sagen muss, dass die Menschen ein Stück ihrer wirtschaftlichen Freiheit an den Staat verloren haben. Auch wenn ich an die Corona-Debatte denke, fällt auf, dass die Freiheitsrechte der Bürger zu wenig Berücksichtigung finden. Die teils gravierenden Einschränkungen des Staates bei den Grundrechten werden viel zu wenig thematisiert. Deshalb ist gerade das Thema Freiheit ein sehr wichtiges. Die WerteUnion hat sich daher extra dem Motto „Freiheit statt Sozialismus“ von Helmut Kohl bedient. Das ist aktueller denn je.
Sie haben eben angesprochen, den konservativen Flügel der Union wieder mehr einzubringen. Mit Friedrich Merz und auch Hans-Georg Maaßen kandidieren nun zwei Unionspolitiker für den Bundestag, die genau diesem Flügel zugesprochen werden. Ist das eine Chance für die CDU?
Auf jeden Fall. Es ist dringend notwendig, dass die CDU sich verändert. Und zwar klar weg vom bisherigen Kurs der linken Mitte, weg von Frau Merkel. Herr Merz ist jemand, der gerade für die eben genannten wirtschaftlichen Themen Freiheit und Leistung steht, was ich sehr gut finde. Herr Maaßen steht für das Thema Sicherheit. Ich würde erwarten, dass Herr Laschet – nachdem er nun Friedrich Merz einbinden will – auch Herrn Maaßen mit einbindet. Und zwar auch glaubwürdig einbindet! Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig, damit die CDU all denjenigen, die sie in den vergangenen Jahren aus guten Gründen verlassen haben, wieder zurückgewinnen. Das wird nur gelingen, wenn Armin Laschet die inhaltliche Kurswende hinbekommt und eben auch Personen wie Hans-Georg Maaßen einbindet.
Nun ist Hans-Georg Maaßen aber schon eine eher umstrittene Personalie…
Ich glaube, in der Union ist er nicht so umstritten wie beim Rest der Parteien. Es gibt durchaus auch Stimmen, die sich positiv über ihn geäußert haben – Friedrich Merz, Wolfgang Bosbach und viele andere. Natürlich gibt es dennoch Leute in der CDU, die Herrn Maaßen nicht wollen. Ich glaube, es ist eher die Angst davor, dass er tatsächlich einen Kurs durchsetzen könnte, der wieder ein wirklich christdemokratischer Kurs wäre und somit auch die genannten Werte wieder in den Vordergrund stellt. Wohingegen sich in den vergangenen Jahren viele einen Platz in der CDU geschaffen haben, die eher auf einem Linkskurs fahren, die im Grunde auch bei den Grünen sein könnten. Was ich absolut unakzeptabel finde ist, wenn sich jetzt CDU- Funktionäre öffentlich äußern, sie würden Herrn Maaßen nicht wählen. Das gehört sich nicht unter Parteikollegen.
Angenommen die CDU schafft es im September, die Mehrheit zu erlangen: Trauen Sie Armin Laschet das Kanzleramt zu?
Ich sage es mal so: Wenn es Frau Merkel hinbekommen hat, dann schafft es Herr Laschet auch. Die Frage ist doch: Wird es eine gute Kanzlerschaft? Klar ist, es wäre eine bessere Kanzlerschaft als eine unter Annalena Baerbock. Aber Armin Laschet muss noch eine ganze Menge an Inhalten und persönlichem Profil zulegen, damit er hinterher Deutschland aus der schweren Krise herausführen kann, die uns Angela Merkel eingebracht hat. Wir werden jetzt vor der Bundestagswahl aber auch alles versuchen, als Werte-Union noch einmal Einfluss auf das Programm und die Kandidaten zu nehmen, damit die Union ein starkes Profil bekommt. Es ist unsere Aufgabe, die Union wieder attraktiv zu machen. Ein großer Teil der Nichtwähler sind die Leute, die früher einmal Union gewählt haben.
Auch die Attraktivität für junge Leute wird immer wichtiger. Sie haben den Altersschnitt bereits erwähnt. Spricht konservative Politik den Jungwähler an?
Wenn man die Werte nimmt, die ich genannt habe, dann sind das klassisch Themen, die auch junge Menschen ansprechen müssten. Gerade für junge Familien ist Sicherheit sehr wichtig. Aber auch Freiheit: Junge Menschen wollen nicht, dass der Staat alles für sie regelt. Und Leistung – ja, wenn junge Menschen kein Interesse an Leistung haben und wie sie für sich und den Staat mehr erreichen können, dann weiß ich es auch nicht. Die Werte passen auf jeden Fall, ich bin mir nur nicht sicher, ob wir diese immer richtig vermitteln können. Da sind uns die Grünen voraus, das gebe ich zu. Aber wir sind auf dem richtigen Weg, mit eben diesen drei Werten auch junge Menschen zu begeistern.