Die Klimaliste möchte die Grünen auf dem Grünstreifen überholen – mit einer radikalen Wende: Wissenschaft zuerst, die Politik folgt. Das Thema Klimaschutz bleibe entscheidend, Vorteil: Annalena Baerbock. Armin Laschet dagegen unterschätze die Klimabewegung.
Bis jetzt liegen die Zahlen bei Landtagswahlen noch unter einem Prozent. Vielleicht wird es bald mehr. Die Klimaliste würde es sich wünschen. Das Bündnis aus Umweltaktivisten, viele davon aus dem Umfeld von Fridays for Future, Parents for Future oder Extinction Rebellion strebt in die Politik. Kommunal gibt es bereits Erfolge, sprich Sitze in Stadträten und Kreisen in Baden-Württemberg und Hessen. In anderen Bundesländern wie in Rheinland-Pfalz trat die Klimaliste bereits zu Landtagswahlen an – mit dem Ziel, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens durchzusetzen. Frei nach dem Motto: Umwelt und wissenschaftliche Erkenntnisse zuerst, alles andere kommt danach. Damit wollen sie auch die Grünen überholen, die sich nach Meinung der Klimaliste zu sehr von ihrer umweltzentrierten Politik verabschiedet haben. Trotzdem habe Annalena Baerbock gute Chancen, zur ersten grünen Kanzlerin Deutschlands gewählt zu werden, sagt Beatrice Bednarz von der Klimaliste Rheinland-Pfalz. Die Doktorandin der Physik an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität stieß über die Scientists for Future zur Klimaliste. „Vielleicht haben viele geglaubt, dass das Klimaschutzthema während Corona irgendwie verschwindet. Aber wir sehen nun, das ist nicht der Fall“, sagt Bednarz. Dafür will die Klimaliste sorgen. Die Demos gehen, hygieneregelkonform, weiter, ebenso die Schulstreiks. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, Berlin müsse beim CO2-Ausstieg nachbessern, habe geholfen.
„Kein CO2-Budget berechnet“
Noch ist das Wahlprogramm der Grünen nicht verabschiedet. Doch der Entwurf dazu sei enttäuschend, sagt Bednarz: „Die Grünen berechnen noch immer kein CO2-Budget.“ Zuerst müsse man das Emissionsbudget berechnen und dann die Politik danach ausrichten, so die Wissenschaftlerin. „Die Grünen wollen den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Studien wie die vom Wuppertal-Institut berechnen, dass für die Einhaltung der Klimaziele der Ausstoß um 85 Prozent reduziert werden müsste – und welche Maßnahmen dafür geeignet sind.“ Die Grünen-Vorschläge seien daher nicht kompatibel mit dem Pariser Klimaabkommen. Auch andere Parteien hätten das Budget nicht berechnet – inklusive der CDU. Zwar betone Armin Laschet Zukunftstechnologien, die man im Zusammenhang mit Umweltschutz mitdenken müsse. „Aber dieses Argument wird missbraucht“, so Bednarz. Zukunftsbranchen wie Windkraft und Photovoltaik würden ausgebremst, statt dort Arbeitsplätze zu schaffen – oder gar kommunale Schulden abzubauen. Wie es geht, zeige der ländliche Rhein-Hunsrück-Kreis, der seine eigene Energie mit Erneuerbaren produziert, überschüssige Energie verkaufe und dadurch der Landkreis mit den zweitwenigsten Schulden in Rheinland-Pfalz sei. Armin Laschet unterschätze das Klimathema. „Wir kennen sein Zitat von 2019, das Umweltthema sei ‚plötzlich‘ aufgetaucht. Sein Teammitglied Friedrich Merz twittert kurz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, Deutschland sei ja nur für zwei Prozent der Treibhausgase verantwortlich – genau hierzu sagt das Gericht, dies sei kein Argument.“ Die CDU hat offenbar den Schuss nicht gehört. „Je mehr extreme Klimaereignisse, je extremer die Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt, desto radikaler werden die Menschen“, glaubt Beatrice Bednarz. „Ich fürchte, der Versuch der CDU, nun am rechten Rand nach Wählerstimmen zu fischen, statt wirksamen Klimaschutz zu machen, produziert nur mehr Extremismus.“ Derzeit arbeitet die Klimaliste an einem Programm für Deutschland. Was die Linken für die SPD und die AfD für die CDU ist, könnte die Klimaliste für die Grünen werden.