Die Voraussetzungen sind vorhanden. Trotzdem fehlt es dem Land an Gründern und damit an Strahlkraft. Dazu braucht es transparente Fördermöglichkeiten – und weniger Bürokratie.
Start-ups in Deutschland sammeln Geld wie nie zuvor: Im ersten Quartal 2021 fast 2,2 Milliarden Euro, errechnete die Finanzdatenanbieter Refinitiv – gute Voraussetzungen für innovative Geschäftsideen, denn Deutschland hinkte im Europavergleich bei Gründerinvestitionen immer hinterher. Auch im Saarland? Dort zumindest existieren vor allem zahlreiche Orte, an denen Gründer ihrem Unternehmergeist freien Lauf lassen können: East Side Fab, Fase15, Gründer-Campus Saar, Innovationspark am Beckerturm, Dudo-Park, IT Inkubator, Co:hub66: Die Liste innovativer Ideenschmieden im Saarland lässt sich bedenkenlos fortsetzen. Orte, an denen Kreativ- und Digitalszene zu Hause sind, wo neue Formen des Arbeitens entstehen, sich Communities entwickeln, wo an innovativen Produkten und neuen Geschäftsmodellen probiert und getüftelt wird mit dem Ziel, ein Start-up-Unternehmen aus der Taufe zu heben.
Es gibt sie also, die jungen Wilden, die absolut entschlossen sind, eine noch in den Köpfen diffuse Geschäftsidee in etwas Zählbares ummünzen zu wollen. Der Nährboden im Saarland scheint zumindest in Form von Räumlichkeiten und Fördermöglichkeiten für Wagemutige gut geeignet, doch es fehlt an Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus. Hippe Großstädte wie Berlin, Hamburg oder Köln üben eine andere Faszination auf junge Menschen aus. Ganz zu schweigen von Paris, London oder den USA. Dabei kann das Saarland mit einigen Pfunden wuchern, um junge Menschen vom Verbleib zu überzeugen oder aus anderen Regionen anzuziehen: Die zentrale Lage in Europa, die Vernetzung in der Großregion, eine exzellente Forschungslandschaft und eine sich etablierende vernetzte Start-up-Szene. Denn eines ist klar: Ohne junge Menschen hat es das Saarland künftig schwer, im Konzert der Großen mitzuhalten. Es muss dem Land unbedingt gelingen, im wahrsten Sinne des Wortes mehr PS der Wissenschaft auf die Straße zu bringen, sprich mehr Zählbares in Form von Unternehmen und qualifizierten Arbeitsplätzen hervorbringen. Ausgründungen aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben das Potenzial, entscheidende Innovationen in Produkte zu transformieren, die Fortschritt bringen und Lebensqualität sichern.
Es fehlt eine Gründerkultur in Deutschland
Die wohl bekannteste Einrichtung zur Förderung von Start-ups dürfte der Gründer-Campus Saar sein. Das Starterzentrum mit der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer KWT an der Universität des Saarlandes hat seit 1995 bereits 465 Start-ups hervorgebracht, in den letzten vier Jahren im Schnitt rund 30. „Von rund 120 Ideen kristallisieren sich rund ein Viertel in Beratungsgesprächen als machbar heraus", sagt Jens Krück, Abteilungsleiter Unternehmensgründungen bei der KWT. Noch viel zu wenig, wie er findet, und fordert eine weitere Verbesserung der Gründungsinstrumente. Zudem mangele es immer noch an einer Gründerkultur in Deutschland. „Die Menschen müssen mehr Lust haben, Firmen zu gründen."
Das sieht auch Venoth Nagarajah als CEO des House of Intelligence (THOI) so. Der 2019 ins Leben gerufene Startup-Inkubator aus Saarbrücken hilft Gründungswilligen mit Geschäftspartnerschaften auf Zeit über die Anfangsphase hinweg, zum Beispiel in IT-Fragen, im kaufmännischen oder vertrieblichen Bereich oder juristischen Angelegenheiten. „Wir brauchen Menschen, die machen und einfach mal anfangen." Selbst Scheitern sei für ihn kein Problem. Im Gegenteil: Nur wer Fehler mache, könne sich verbessern. Doch die Kultur des Scheiterns ist in Deutschland nicht ausgeprägt, stigmatisiert vielmehr und behindert letztendlich den notwendigen Gründermut.
Das bemängelt auch Knut Meierfels, Geschäftsführender Gesellschafter des Dudo-Parks. „Wir Deutsche versuchen immer alles 150-prozentig im Voraus zu machen. Uns fehlt vielfach der Mut, neue Produkte am Markt zu entwickeln, so wie es die Amerikaner tun. Das behindert uns, wenn es schnell gehen muss." Mit seiner Idee, traditionelles Umfeld und neue Welt zusammenzubringen, entwickelt er seit 2020 in Saarbrücken-Dudweiler ein völlig neues Konzept zum Wohnen, Arbeiten und Leben auf einem Raum. Ziel: eine hohe multidisziplinäre Talentdichte fördert Innovationsbereitschaft und Gründermut. 15 Häuser, darunter das ehemalige Gebäude des Fleischwarenherstellers Schwamm, im Zentrum Dudweilers gehören inzwischen zum Komplex Dudo-Park. 40 bis 80 WG-Zimmer sowie 15 Gewerbeflächen, eine Dachterrasse und ein Innenhof sollen dort entstehen und das neue Denken in der Wirtschaft beflügeln.
Mit solchen Konzepten versuchen die Macher, junge innovationsfreudige Menschen zusammenzubringen und zu vernetzen – auch überregional. Gleichzeitig sollen Kontakte zu potentiellen Investoren intensiviert werden, denn was nutzt die beste Geschäftsidee, wenn die Wirtschaft nicht darauf anspringt? Der ehemalige Wirtschaftsminister des Saarlandes, Dr. Hanspeter Georgi, fordert deshalb auch Kommunen und Land dazu auf, vielversprechenden Startups auch mal einen Auftrag zu geben, damit sie ihr Können praktisch unter Beweis stellen können. „Nicht nur reden und fordern, sondern auch konkret mal den ersten Auftrag bei ihnen platzieren."
„Schnell die richtigen Teams aufbauen"
Gleiches gilt für die Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien, die so manchem Start-up schon bei der Geburt den Atem rauben. „Die politisch Handelnden sollten unbedingt lernen, ein Startup mitzudenken", so Jens Krück. Bürokratie ersticke jegliches Bemühen im Keim. Es sei dringend geboten zu überlegen, ob jede Verordnung auch für ein Start-up passend und sinnvoll sei.
Dass die Förderlandschaft im Saarland zu kleinteilig sei, sehen die Macher der Startup-Szene weniger. „Wir pflegen ein starkes Netzwerk, kennen uns untereinander und verweisen Interessenten direkt an andere Ansprechpartner", betont Jens Krück. Venoth Nagarajah sieht das Saarland aufgrund seiner überschaubaren Größe sogar ideal geeignet zur kompetenten Vernetzung: „Wenn nicht hier, wo dann?" „Wir haben im Saarland wie sonst nirgendwo die Möglichkeit, schnell die richtigen Leute zusammenzubringen, Ideen gemeinsam zu entwickeln und Teams aufzubauen", gibt sich Knut Meierfels optimistisch. Das solle sich im Dudo-Park etablieren, aber er warnt auch davor, Großunternehmen als Heilsbringer der Start-up-Szene zu sehen. „Es ist nicht unser Ziel, dass die Großen das Start-up integrieren, um nur an das Produkt zu kommen." Joint-Ventures beispielsweise wären eine gute Möglichkeit für eine Symbiose zwischen etablierter Wirtschaft und Newcomern. „Wir brauchen junge Menschen zur Zukunftssicherung des Saarlandes, wir müssen aber auch ihr Selbstbewusstsein stärken und potenzielle Gründer darauf noch besser vorbereiten." Einfache und transparente Fördermöglichkeiten, faire Geschäftspartnerschaften und Raum zum Experimentieren seien der Nährboden für Start-ups und die dringend benötigte Attraktivitätssteigerung des Landes. Der Fokus muss dabei verstärkt auf der jüngeren Generation liegen.