Eine Erbfolge der etwas anderen Art: Ex-Handballprofi Danijel Grgic folgt beim luxemburgischen Meister HB Esch auf seinen Ex-Trainer André Gulbicki und reicht das Amt des Jugendkoordinators bei Drittligist HG Saarlouis an seinen Stiefsohn Tom Paetow weiter. Der will die Talent-Fluktuation bei der HG stoppen.
Danijel Grgic verspürt Vorfreude. Auf einen Job, den er im Sommer 2021 antreten wird und obwohl er mit einem Übernahmeangebot nicht gerechnet hatte. Der Ex-Handballprofi und Noch-Jugendkoordinator von Drittligist HG Saarlouis wird Trainer des frisch gebackenen luxemburgischen Meisters HB Esch. „Es war nicht geplant, dass ich die HG verlasse. Aber dann kam ein Anruf aus Luxemburg, bei dem Interesse an meiner Person gezeigt wurde", erzählt er von dem unverhofften Angebot aus dem Nachbarland. „Ich mache nicht alles, aber wenn man quasi vor der eigenen Haustür für einen Topverein arbeiten kann, dann ist das schon sehr reizvoll", gibt „Dado" zu.
2006 kam der Champions-League-erfahrene frühere kroatische Nationalspieler (25 Einsätze) in seinem Karriere-Herbst zum damaligen Regionalligisten HG Saarlouis. Von Anfang an war er als zentraler Strippenzieher der Chef auf dem Feld und zusammen mit Daniel Altmeyer sogar Spielertrainer, als 2009 der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelang. 2014 beendete er seine aktive Karriere, engagierte sich aber weiter im Verein. Als Jugendkoordinator sowie Trainer der A-Jugend-Bundesligamannschaft und der Zweiten Mannschaft war er maßgeblich an der Ausbildung von Toptalenten wie Lars Weissgerber (HSG Wetzlar) oder Michael Schulz (DJK Rimpar) beteiligt, die den Sprung in den Profibereich geschafft haben. Zwischen 2016 und 2019 war er Trainer der VTZ Saarpfalz, die er überraschend in die 3. Liga führte. Im Sommer 2020 folgte die Rückkehr auf den ehrenamtlichen Posten des HG-Jugendkoordinators. Um künftig als semiprofessioneller Trainer arbeiten zu können, reduziert der Angestellte einer Entsorgungs- und Recyclingfirma die Arbeitsstunden im Betrieb. Sein Lebensmittelpunkt wird allerdings im Saarland bleiben. Zum Training und zu den Spielen wird gependelt.
Grgic will um Titel mitspielen
Den besonderen Reiz der neuen Aufgabe machen für Danijel Grgic verschiedene Aspekte aus: Zum einen darf er als Handballtrainer erstmals unter Profibedingungen arbeiten. „Und das in einem Land, in dem man eine sehr spannende Saison hat mit fünf, sechs Teams, die auf Augenhöhe um die Meisterschaft und den Pokalsieg kämpfen", erklärt er. Als luxemburgischer Meister wird HB Esch auch in einem internationalen Wettbewerb mitmischen – je nach Entscheidung der Vereinsführung in der Qualifikationsrunde um den Einzug in die neu gegründete EHF European League oder im EHF-Pokalwettbewerb „Challenge Cup". Zum anderen tritt er in Luxemburg die Nachfolge von André Gulbicki an, seinem Lieblingstrainer aus erfolgreichen Saarlouiser Tagen (2009 bis 2012), den er schlicht „den Coach" nennt. „Für mich ist es eine große Ehre. Ich habe von ihm viel gelernt. Gemeinsam haben wir hier Unmögliches erreicht. Das bleibt für immer", betont Grgic dankbar. Auf dem Feld war der HG-Leitwolf die rechte Hand des Trainers, der Kontakt ist über die Zusammenarbeit hinaus nie abgerissen. „Dass es nicht einfach sein wird, in seine Fußstapfen zu treten, ist klar. Der Coach hat in drei Jahren in Esch sechs Titel geholt. Er war dreimal Meister, zweimal Pokalsieger und einmal Supercupsieger. Es ist kaum möglich, das zu überbieten", weiß Grgic, „Darum geht es mir aber auch nicht. Ich will seine gute Arbeit fortführen, aber mit meiner Handschrift." Was das heißt? „Ich werde das machen, was ich halt immer mache: Versuchen, die Jungs weiterzuentwickeln", antwortet Dado und erklärt das oberste Ziel: „Wenn eine Mannschaft über Jahre zusammenbleibt und erfolgreich ist, muss man neue Reize setzen, damit sie nicht satt wird."
Apropos Handschrift und Fußstapfen. Beides hinterlässt auch Danijel Grgic in Saarlouis. Auch dort gibt es einen stolzen Nachfolger: Grgics Stiefsohn Tom Paetow. Der Rückraumspieler der Ersten Mannschaft hat seinen Vertrag mit der HG bis 2023 verlängert und ist ab 1. Juli hauptamtlicher Jugendkoordinator sowie Trainer der A-Jugend-Bundesligamannschaft und des Saarlandligateams (U23) der HG. „Das ist eine hervorragende Lösung", findet Grgic, „Tom arbeitet schon seit vielen Jahren im Jugendbereich der HG und hat auch schon als Spieler viele Erfahrungen gesammelt." Seit 2014 trainiert der 26-jährige Spielmacher Jugendteams seines Heimatvereins. Daran änderte auch ein zwischenzeitlicher Wechsel als Spieler zu VTZ Saarpfalz (2018 bis 2020) nichts. „Ich habe riesig Bock auf diese Riesenaufgabe", freut sich Paetow und zeigt sich von den üblichen Metaphern unbeeindruckt: „Ich sehe keine Fußstapfen. Ich sehe die Grundlagen, die er mit seiner Arbeit geschaffen hat, und daran möchte ich anschließen." Konkret sollen die besten Talente eines Jahrgangs stets in den höchsten Ligen des jeweils älteren Jahrgangs zum Einsatz kommen. Gleichzeitig sollen die Spieler mit gezieltem individuellem Training im handballerischen und athletischen Bereich an das Drittliga-Team herangeführt werden und dort möglichst frühzeitig Einsatzzeiten erhalten. Wie Marko Grgic (17), Konrad Wagner (18) und Elias Noh (16). Darüber hinaus dürfen Tim Härtig, Joshua Reiz, Nico Becker (alle Jahrgang 2003) und Oskar Czertowicz (2006) bei den Männern mittrainieren.
Abgang von Talenten wird kritisiert
Die Talente Lennart (Jahrgang 2005) und Laurin (2006) Karrenbauer und Alexander Momber (2005) machen von diesem Angebot keinen Gebrauch. Sie wechseln im Sommer zur Topadresse Rhein-Neckar Löwen. Zu früh, wie Dado und Paetow finden. „Ich finde es schade, weil die Jungs hier hervorragende Chancen hätten, in der Jugend-Bundesliga zu spielen und mit der Ersten Mannschaft zu trainieren. Die Qualität der 3. Liga wird oft unterschätzt", sagt Grgic. „Wir haben versucht, sie in Gesprächen von uns zu überzeugen. Aber es hat nicht geklappt. Die Tür hier ist jedenfalls nie zu."
„Ich sehe es ähnlich wie Dado. Ich hätte die Jungs gern weiter hier gehabt, aber ich verstehe die Beweggründe. Wir sprechen hier ja von den Rhein-Neckar Löwen", ergänzt Sportwissenschafts-Student Paetow. „Ob es für die sportliche Karriere der richtige Schritt ist, wird sich zeigen. Ich denke nicht. Ich denke, dass unsere Rahmenbedingungen eine bessere individuelle Entwicklung ermöglichen würden." Mit den verbliebenen Nachwuchsspielern will Paetow „eine solide Basis aufbauen, mit der man in ein paar Jahren ganz oben angreifen kann. Ich habe mit allen Jungs gesprochen und gehe davon aus, dass uns keiner mehr verlässt." Der Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga würde der HG perspektivisch ein neues, starkes Argument bei Verhandlungen um den Verbleib ihrer Talente liefern.