Sie war eine Skandalnudel, dann entglitt ihr das eigene Leben – oder hat sie es einfach aus der Hand gegeben? Die Dokumentation „Framing Britney Spears" über die Sängerin geht dieser Frage nach.
Als Britney Spears 2007 ihren Kopf vor laufenden Paparazzi-Kameras kahl schert, ist es das Medienereignis der nächsten Wochen. Komplett durchgedreht und der Welt entrückt sei sie, so der Tenor in der Berichterstattung. Kurz vorher wurde sie am Steuer ihres Autos mit ihrem Sohn auf dem Schoß fotografiert. Ebenfalls in diese Zeit fällt ihr Ein-Tages-Besuch einer Drogenentzugsklinik. Die Sache mit der Glatze ist also nur ein Punkt in einer Reihe von Skandalen und Skandälchen der jungen Musikerin – aber vielleicht der mit der weitreichendsten Konsequenz. Zuerst bekommt ihr Kurzzeit-Ehemann Kevin Federline das Sorgerecht für ihr gemeinsames Kind zugesprochen. Später erhält gar ihr Vater die Vormundschaft über sie.
Sie ist trotzdem immer noch erfolgreich, beispielsweise mit ihrer Show „Britney: Piece of Me", die sie fast 250-mal in Las Vegas aufführt. Auch ihre Alben verkaufen sich zum großen Teil noch wie geschnitten Brot. Doch im Laufe der 2010er-Jahre meinen Fans, in ihren Instagram-Posts eine Art verdeckten Hilfeschrei zu vernehmen – sie meinen zu erkennen, dass Spears die Kontrolle über ihr Leben zurückerlangen möchte. Es entwickelt sich gar eine Art Bewegung: „#FreeBritney" wird von ihren Fans und Sangeskolleginnen wie Cher oder Miley Cyrus unterstützt. Das Ziel dabei ist es, ihrem Vater Jamie Spears die Vormundschaft wieder zu entziehen. Schließlich kann sie nicht frei über ihr Leben bestimmen, und auch ihr Vermögen wird von ihrem Vater verwaltet.
Spears ist nach wie vor erfolgreich
Die Dokumentation „Framing Britney Spears", die bei Amazon Prime zu sehen ist, beschäftigt sich mit der amerikanischen Sängerin, die zum Jahrtausendwechsel einen kometenhaften Aufstieg hinlegt, der sie zu einer der erfolgreichsten Musikerinnen aller Zeiten macht. In ebenso kurzweiligen wie erschütternden und trotzdem unvollendeten rund 74 Minuten geht die Produktion der Frage nach, wie Britney Spears mit ihren nicht mal 40 Jahren scheinbar komplett ihr Leben aus der Hand geben musste.
Die Aufnahmen der Fans aus der „#FreeBritney"-Bewegung und die Aussagen von Personen aus dem Umfeld rütteln durch. War Britney Spears von Anfang an immer nur eine Marionette von irgendjemand? Von ihren Eltern, die ihre Kindheit konsequent dem Erfolg unterordneten? Von Medienvertretern, die sie in Interviews regelrecht übergriffig und komplett sexualisiert fragen, ob sie noch Jungfrau sei oder warum sie so aufreizende Kleidung trage? Von ihren Fans, die sie bereits früh von Erfolg zu Erfolg tragen?
Und die Künstlerin selbst? Nach längerem Schweigen äußert auch sie sich noch. Sie veröffentlicht auf Instagram ein Video, in dem sie zu Aerosmiths „Crazy" tanzt und schreibt dazu: „Ich habe die Dokumentation nicht angeschaut, aber das, was ich gesehen habe, hat mich peinlich berührt. Ich schäme mich für das Licht, in dem ich dargestellt wurde. Ich habe zwei Wochen lang geweint und weine jetzt noch manchmal!" „#FreeBritney"-Vertreter kommentieren diesen Eintrag jedoch, dass sie die Sängerin eigentlich nur positiv wahrgenommen hätten.
Die Frage nach ihrer psychischen Gesundheit bleibt
Tatsächlich zeichnet „Framing Britney Spears" die Protagonistin als junges, unschuldiges und talentiertes Mädchen, das viel zu früh in den „Circus" geworfen wird. Die Frage nach der psychischen Gesundheit und den juristischen Konsequenzen kann und will dieser Film nicht beantworten, der von der The New York Times Company produziert wurde, die auch die gleichnamige Tageszeitung herausbringt. So ist „Framing Britney Spears" vor allem eine Abrechnung mit rücksichtsloser und effekthaschender Berichterstattung. Denn der eigentliche Hilfeschrei erfolgte offensichtlich um 2007 herum.
Zu den vielen Wendungen in ihrem Leben kommt nun eine neue hinzu. Im April reicht sie einen Antrag auf Anhörung vor Gericht ein. Insofern ist das ungewöhnlich, weil sie zuvor jahrelang eher nicht vor Gericht zu dem Thema aussagte. Am 23. Juni hat sie nun also die Chance, ihren Sinneswandel und ihre Beweggründe zu erläutern. Immerhin verlautbarte sie bereits im vergangenen Jahr, dass sie nicht länger möchte, dass ihr Vater ihre Geschicke leitet. Ob die Sängerin dann wirklich „befreit" ist?