Seit dem angekündigten Rückzug von Markus Tressel als Landeschef gibt es bei den Saar-Grünen heftige interne Debatten. Die Grüne Jugend meldet sich zu Wort und fordert mehr Einfluss. Die Sprecherinnen Jeanne Dillschneider und Marlene Schädler über mehr Demokratie, eine Jugendquote und was aus ihrer Sicht angepackt werden muss.
Frau Dillschneider, Frau Schädler, kurz vor dem Landesparteitag der Grünen im Saarland kam es zu einigen Spannungen innerhalb des Landesverbands, bei denen sich auch die Grüne Jugend eingemischt hat. Warum haben Sie sich dazu gezwungen gesehen, in einer Pressemitteilung und einem Brief an den Landesvorstand mehr Demokratie einzufordern?
Jeanne Dillschneider: Wir hatten das Gefühl, dass Mitglieder der Grünen Jugend bei einigen Vorgängen und Entscheidungen nicht genug repräsentiert worden sind. Das betrifft die vergangenen Mitgliederversammlungen des Ortsverbands Mitte in Saarbrücken und des Ortsverbands Saarlouis. Wir haben den Eindruck gehabt, dass die Vielfalt der Partei auch abseits unserer Jugendorganisation nicht richtig abgebildet wurde. Außerdem wurden Personen aktiv entmutigt, Gegenkandidaturen gegen die vorgeschlagene Liste der Ortsverbände vorzuschlagen. Das ist nicht der Stil, den wir uns für unsere Partei vorstellen, weshalb wir uns intern und extern dagegen positioniert haben. Wir wünschen uns einen integrativen Politikstil, der unterschiedliche Positionen einbindet und bei dem es nicht nur darum geht, sich mit einer Mehrheit durchzusetzen.
Marlene Schädler: Ich möchte hier noch kurz ergänzen: Es ist für uns klar, dass die Grünen und die Grüne Jugend von einer engen Zusammenarbeit nur profitieren können. Deshalb sehen wir es als eine Verpflichtung an, immer anzusprechen, wenn irgendwas nicht so läuft, wie wir es uns vorstellen.
Um diese Vielfalt in den Gremien der Partei dauerhaft zu sichern, fordern Sie jetzt eine Quote für junge Menschen bei den Grünen. Ist die notwendig?
Dillschneider: Wir denken, dass der Erneuerungsprozess in der Partei jetzt auch fortgeführt werden muss, also dass es auch einen Generationswechsel geben sollte. In den letzten Jahren haben wir dafür schon gute Vorarbeit geleistet, und viele Mitglieder von uns konnten kommunale Mandate gewinnen. Die Zusammenarbeit mit der Partei hat immer sehr gut und konstruktiv funktioniert und daran wollen wir weiter anknüpfen. Uns geht es darum, einen offenen und modernen Politikstil, der vielfältige Stimmen berücksichtigt, auch in Zukunft zu sichern. Dafür braucht man junge Menschen, die mitentscheiden können. Wir wollen mit unserem Vorschlag an die Arbeit von Markus Tressel und Tina Schöpfer anknüpfen, die sich unserer Meinung nach auch in den guten Umfragewerten der Grünen widerspiegelt.
Schädler: Gerade weil wir als Verband in den letzten Jahren stark an Neumitgliedern zugelegt haben, hätten wir gerne klare Regeln, wie wir eingebunden werden. Wir möchten zum Beispiel, dass mehr als zwei Mitglieder der Grünen Jugend zum Landesparteitag der Grünen dürfen. Dadurch hoffen wir nicht nur, besser repräsentiert zu sein, sondern auch bei der Neuaufstellung der Partei mitsprechen zu können. Es ist uns wichtig, wahrgenommen, gehört und ernst genommen zu werden.
Bei welchen Themen spielt es eine Rolle, dass junge Menschen bei den Grünen gehört werden? Also wo unterscheidet sich die Grüne Jugend von der Mutterpartei?
Dillschneider: Ein Thema, das uns wichtig ist, sind grünere Innenstädte. Also zum Beispiel der sukzessive Rückgang von Autoverkehr in den Städten oder klare Strategien zur Entsiegelung und Begrünung von Flächen. Auch beim Klimawandel gibt es die eine oder andere Stelle, an der wir noch mehr als die Partei darauf drängen, dass etwas passieren muss. Außerdem sind wir für mehr Partizipationsmöglichkeiten für junge Menschen wie Schüler oder Studierende, die während der aktuellen Pandemie zum Beispiel kaum gehört wurden. Wir fordern unter anderem ein Antragswahlrecht für Menschen ab null Jahren, damit jeder wählen kann, der möchte. Denn gerade Fridays for Future hat uns gezeigt, dass auch schon Schüler wissen, was sie sich von der Zukunft erhoffen.
Schädler: Ich würde sagen, die Unterschiede zwischen uns und der Partei sind meistens gar nicht thematisch begründet. Vielleicht sind wir einfach eher die, die die krasseren Forderungen stellen.
Blicken wir auf die Bundesebene: Die Wahlen stehen bald an. Welche Themen sind auf nationaler Ebene von Bedeutung, und wie nehmen Sie die Grünen auf Bundesebene wahr?
Schädler: Wir durchleben seit über einem Jahr eine globale Pandemie, in der sehr viele Formen von Ungerechtigkeiten wieder schonungslos offenkundig geworden sind. Da müssen wir dringend gerade im Hinblick auf die Jüngeren in unserer Gesellschaft ansetzen. Ich habe viele Freundinnen, die aufhören zu studieren, weil es finanziell nicht mehr reicht, da müssen wir ganz dringend etwas tun. Dann der schon angesprochene Themenbereich Jugendbeteiligung. Ein anderes wichtiges Thema für uns ist die Gleichberechtigung: Viele Frauen müssen zurzeit wieder einen unglaublichen Spagat zwischen Privatleben und Beruf hinlegen, was sich durch die Pandemie verstärkt, sie in alte Rollenbilder zurückgedrängt. Etwas dagegen zu unternehmen ist uns aktuell sehr wichtig.
Dillschneider: Ich glaube, das Erfolgsrezept der Grünen, beziehungsweise warum wir so gute Umfragewerte haben, ist einfach unser konstruktiver und offener Stil auf allen Ebenen. Also dass wir uns zum Beispiel um gute Kompromisse in der Politik bemühen. Annalena Baerbock und Robert Habeck haben das bei der Entscheidung, wer die Kanzlerkandidatur übernimmt, noch einmal unter Beweis gestellt. Das war ein Beispiel, wie man auf eine positive Art und Weise einen Diskurs darüber führen kann, wie die Partei letztendlich personell aufgestellt werden soll. So sollten wir, denke ich, jetzt auf der Bundesebene weiter machen, auch und besonders wenn es zu einer Regierungsbeteiligung käme.
Und genau das ist es auch, was wir jetzt für die Zusammenarbeit im Saarland fordern, weil es eben so gut funktioniert.
Die Grünen werden vielleicht nach der nächsten Bundestagswahl eine bedeutendere Rolle spielen als bisher, vielleicht sogar mitregieren. Wie sähe eure Traumkoalition aus?
Dillschneider: Keine leichte Frage. Also ich persönlich kann vor allem eins sagen: Hauptsache nicht noch einmal GroKo! Das ist mal das eine. Darüber hinaus kann ich mich noch nicht so richtig festlegen, was ich jetzt genau priorisiere. Das liegt auch daran, dass die CDU noch kein Wahlprogramm vorgelegt hat. Deshalb brauche ich da bestimmt noch etwas Zeit, bis ich genau weiß, welche Regierung mir am liebsten wäre. Natürlich auf jeden Fall eine starke grüne Beteiligung.
Schädler: Ich schließe mich da an. Also GroKo halte ich auch nicht weiter aus. Ich würde sogar soweit gehen, dass ich mich sehr freuen würde, wenn die Union in der nächsten Regierung nicht dabei wäre. Was für mich klar ist, dass wir auf jeden Fall eine möglichst starke grüne Beteiligung haben wollen, um in jedweder Koalition richtig mitmischen zu können. Dafür stehen die Karten aber auch ganz gut.