Wie ein Sieben-Punkte-Programm zu einem gelasseneren Ich verhilft
Ich muss ein für alle Mal etwas für mein Stresslevel tun, soviel ist klar. Viel zu oft wanderte dieses Jahr die Nadel schon in den roten Bereich hoch – ein Alarmzeichen für mein seelisches Gleichgewicht. Zu oft spürte ich die Verwandlung vom verständnisvollen, nachsichtigen Papa zum Familienoberhaupt mit Diktator-Allüren von einem auf den nächsten Moment am eigenen Leib. So als würde der Alleinherrscher in mir nur darauf lauern, dass meine Tochter oder mein Sohn nicht gleich parieren.
Die Zahl 165 – eine scheinbar willkürlich festgelegte Marke, ab der alle Schulen im Land dichtmachen müssen – sollte meinen Cortisolspiegel noch weiter erhöhen. Doch die pure Vorstellung, dass sich bald alles dank der Bundesnotbremse wiederholen könnte – geschlossene Schulen und Kitas + Kinder zu Hause = extrem gestresster Papa –, ließ mich innehalten. So kann’s mit mir nicht weitergehen. Zumindest, wenn ich nicht dauerhaft als Rumpelstilzchen-Darsteller im Gedächtnis meiner Kinder haften bleiben will. Wie lässt sich das Pandemie-Motto „Flatten the curve" also auf meinen eigenen Gefühls- und Seelenhaushalt übertragen?
Ich überlege mir ein Sieben-Punkte-Sofortprogramm zu einem entspannteren, gelasseneren Ich. Zuerst nehme ich mein Smartphone zur Hand und sage „Gib mir Enspannung", und schon spielt es eine Stunde lang Meeresrauschen oder prasselnden Regen mit Gewitterdonner ab. Bekanntlich hat Meeresrauschen eine beruhigende und tiefenentspannende Wirkung auf uns. Im Selbstversuch – mit Ohrstöpseln – stelle ich fest, dass sich bei diesen Naturgeräuschen sogar zumindest teilweise meine Sehnsucht nach einem Urlaub auf einer Mittelmeerinsel stillen lässt.
Als Zweites nehme ich mir vor, an Wochenenden Siesta zu halten. Ein sogenannter Powernap, was übersetzt so viel bedeutet wie Energie-Nickerchen, kann den Energietank wieder auffüllen, hat zudem eine erfrischende Wirkung und macht den Kopf frei. Übrigens fanden unlängst Forscher der Pariser Sorbonne Université heraus, dass dieser Kurzschlaf für kurze Zeit auch den Blutdruck herunterfährt. Oft reicht ein Nickerchen auf der Couch, etwa wenn die Kinder gerade ihre Cartoons bingen. Nach dieser kurzen Auszeit weiß man wieder die vielen kleinen Dinge des Lebens zu schätzen – und ist selbst meist viel sozialverträglicher als vorher.
Ohne Weiteres kann ich eine dritte Maßnahme in meinen Alltag einbauen: das bewusste Ein- und Ausatmen macht zufrieden und gleichmütig. Wie ein Fels in der tosenden Brandung bleibe ich ganz bei mir – und halte alles aus. Selbst hochfrequentes Kinderschreien oder Nörgeln – vorzugsweise zu den Mahlzeiten – kann mir nichts mehr anhaben. Und wenn sich doch ein Stress-Tsunami anbahnt, sage ich laut vor mich hin: „Einatmen, ausatmen". So bricht jede aufkommende Welle.
Wenn mich das Gefühl überkommt, dass mir gerade alles zu Kopf steigt, hilft mir auch, mich zu erden. Dafür muss ich nicht gleich barfuß durch die Stadt laufen oder einen x-beliebigen Baum umarmen. Ein kurzer Spaziergang durch den nahe gelegen Park hilft dabei, dass sich alles setzt und der Plan im Kopf Form annimmt.
Statt darauf zu warten, dass endlich wieder Saunen und Thermen öffnen dürfen, kann ich als Wohnungsmieter mit einer Duschwanne im Bad ein Vollbad genießen – meinetwegen auch mit Kind, Gummiente und Schaumgebirge. Eigentlich kann man nie alt genug sein, um sich der kindlichen Badelust hinzugeben. Eigenheimbesitzer sind platztechnisch besser dran: Sie können sich eine rollende Fass-Sauna – natürlich coronakonform für zwei Personen – mieten und sie in die Einfahrt oder in ihren Garten stellen.
In den Nachmittags- und Abendstunden kann ich mich als alltagsgeplagter Papa erholen, indem ich Mandalas ausmale. Dabei entstehen jene formschönen Muster in Tier-, Blüten- oder Ornamentform. Mit dieser wunderbar monotonen Tätigkeit kann man gut und gerne Stunden verbringen – und nebenbei den gefühlten Dauer-Lockdown vergessen.
Zu guter Letzt kann ich mir und anderen etwas Gutes tun, indem ich einen Teig für Pizza, Plätzchen oder Muffins knete. Das innige Durchkneten des Teigs mit Liebe und Hingabe versetzt mich in einen buddha-ähnlichen Zustand und sorgt noch dafür, dass alle satt werden. Eine echte Win-win-Situation für alle Beteiligten.