Der EU-Rechnungshof hat Stärken und Schwächen der grenzüberschreitenden Elektromobilität überprüft – und gibt klare Ratschläge.
De EU will klimaneutral werden. Der „Green New Deal" sieht vor, dass die verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützt die EU massiv den Ausbau der Elektromobilität. Allein von 2014 bis 2020 hat die Staatengemeinschaft fast 700 Millionen Euro in den Ausbau alternativer Kraftstoffe investiert.
Als Ziel Stromtankstelle alle 60 Kilometer
Doch wurde das Geld auch sinnvoll ausgegeben? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Europäische Rechnungshof, ein Kontrollgremium der EU, in einem aktuellen Sonderbericht. Der Rechnungshof überprüft darin, wie gut die Finanzhilfen den EU-weiten Ausbau der Lade-Infrastruktur unterstützen und woran es noch hakt. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse zusammengetragen:
Wohin fließt das Geld?
Die „Richtlinie zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID)" sieht vor, dass vor allem das „Kernnetz" ausgebaut wird. Damit sind die wichtigsten Autobahnen gemeint, die quer durch die EU verlaufen. In diesem 50.000 Kilometer langen Kernnetz soll bis 2030 flächendeckend Strom für E-Autos verfügbar sein. Das Ziel: eine Stromtankstelle alle 60 Kilometer.
Welche Unterschiede gibt es innerhalb der EU?
Die Bandbreite ist enorm. Das liegt vor allem daran, dass die EU-Richtlinie keine konkreten Zahlen vorsieht, wie viele Ladesäulen wo verfügbar sein sollen. In Folge kocht jedes Land sein eigenes Süppchen, wobei selbst die nationalen Ziele nicht immer erreicht werden. So gibt es Länder, die ihre eigenen Ausbauziele um bis zu 200 Prozent übertreffen (Litauen, Lettland, Niederlande), während es anderswo kaum vorangeht (sieben Prozent in Bulgarien, zwölf Prozent in Polen).
Wo stehen die meisten Ladesäulen?
Innerhalb der 27 EU-Staaten entfallen 69 Prozent aller Ladepunkte auf nur drei Länder: Deutschland, Frankreich und die Niederlande. Es entstehen zwar überall neue Ladesäulen. Das Ziel, für eine gleichmäßige Verteilung zu sorgen, hat die EU jedoch bislang deutlich verfehlt.
Was läuft gut?
Zunächst einmal geht der Ausbau der Infrastruktur überhaupt voran. So sehr einige Länder auch im Rückstand sind: Im Herbst 2020 hatten zwölf von 27 EU-Staaten ihre Ziele bereits erreicht. Wäre Großbritannien noch EU-Mitglied, ginge es als klarer Sieger hervor. Darüber hinaus lobt der Rechnungshof die Vereinheitlichung der Anschlüsse: Inzwischen passt fast jedes Elektroauto an jede Stromtankstelle.
Woran hakt es noch?
Neben zu wenigen Ladesäulen stellen uneinheitliche Bezahlsysteme ein Ärgernis dar. Wer in Deutschland losfährt, kann mit der eigenen Ladekarte oder App nicht zwangsläufig auch in Frankreich oder Schweden bezahlen. Grenzüberschreitendes „Roaming", wie etwa bei Handys üblich, funktioniert an der Stromtanke nicht immer. Auch gibt es noch keine einheitlichen Preisangaben: Manche Anbieter rechnen pro Kilowattstunde ab, andere pro Zeit oder pauschal pro Ladevorgang.
Muss man Angst haben, unterwegs keinen Strom zu bekommen?
Bei einer 2.500 Kilometer langen Testfahrt, die die Mitarbeiter des EU-Rechnungshofs unternommen haben, erwies sich die Sorge als unbegründet. Auf dem Weg durch Luxemburg, Deutschland, Frankreich und Italien erfüllten alle Ladestationen die Anforderungen der EU. Die Stecker passten; mit der Ladekarte aus Luxemburg konnte überall Strom getankt werden. Nur einmal klappte es aufgrund eines technischen Problems nicht.
Fördermittel nur gegen Betriebsgarantien
Was war der größte Fehlschlag?
Als Beispiel nennt der Rechnungshof eine „stillgelegte kofinanzierte Infrastruktur". Gemeint ist das sogenannte „Corri-Door"-Projekt in Frankreich, das die EU mit 4,3 Millionen Euro unterstützt hat. Von 217 Ladestationen, die entlang der wichtigsten französischen Autobahnen aufgestellt wurden, mussten 189 wegen technischer Probleme und Sicherheitsbedenken wieder abgeschaltet werden. Wie der Betreiber mitteilt, sollen am Ende nur noch 40 bis 50 Stationen wieder in Betrieb gehen.
Wie lässt sich die Situation verbessern?
Der Rechnungshof hat der EU-Kommission dazu mehrere Vorschläge unterbreitet. Sie soll bis Ende 2021 konkrete Ausbauziele benennen und dabei „objektive Kriterien für Anzahl, Art und Standort der Ladestationen festlegen". Der Fokus soll dabei auf dem Schließen von Lücken im Netz liegen. So könnten benachteiligte Staaten in Osteuropa bei Ausschreibungen eher zum Zug kommen als bereits gut gerüstete Märkte wie Deutschland.
Geld soll nur noch dann fließen, wenn sich die Betreiber verpflichten, ihre Ladestationen für einen Mindestzeitraum in Betrieb zu lassen – und Roaming zu fairen Preisen anbieten.
Kommt die Kritik des Rechnungshofs an?
Die EU-Kommission hat in einer Stellungnahme erklärt, alle Empfehlungen des Rechnungshofs anzunehmen. Eine Garantie, dass elektrische Roadtrips jetzt einfacher werden, ist das natürlich nicht – aber ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung.