Berlin, Frankfurt und Saarbrücken sind keine Unbekannten. Doch warum eröffnet man ein Geschäft abseits der Ballungsgebiete? Anhand der Beispiele Eppelborn und Friedrichsthal geht FORUM dieser Frage nach.
Es ist ein geschäftiger Tag in der Saarbrücker Straße. Gerade hat Alexandra Pütz sich mit einem jungen Mädchen unterhalten und sie dafür gelobt, wie liebevoll sie sich um ihr Kätzchen kümmert. Kurz später kommt eine junge Frau in das Geschäft in Friedrichsthal und nimmt einige Lebensmittel mit, die sich so nicht mehr verkaufen lassen. Sie ist eine Foodsaverin von der Initiative Foodsharing, die das nicht mehr zum Verkauf taugliche Gemüse „rettet" und es beispielsweise selbst verzehrt oder an andere weitergibt. Zur Mittagszeit nimmt der Kundenstrom etwas ab und es ist Zeit für ein Gespräch. Seit Mitte Dezember hat Alexandra Pütz ihr Geschäft bereits: „Unverpackt leben – Regional in Friedrichsthal". Damit bietet sie eine alternative Anlaufstelle zur Nahversorgung im Ortskern der kleinsten Stadt des Saarlandes. Um die 10.000 Einwohner leben hier, im Ausläufer des Sulzbachtals. Die ehemalige Bergbaukommune liegt im Durchgang zwischen der Landeshauptstadt Saarbrücken mit ihren mehr als 180.000 Einwohnern und der zweitgrößten Stadt des Saarlandes: Neunkirchen. Die Hüttenstadt hat immerhin auch mehr als 46.000 Einwohner. „Friedrichsthal ist ein kleiner Knotenpunkt", bringt sie es auf den Punkt.
Was neben den vielen Bürgerinnen und Bürgern und der Mitte der beiden großen Städte aber auch noch für ihren Heimatort spricht, ist die Verkehrsanbindung. Friedrichsthal hat sein eigenes Autobahndreieck, einen Anschluss im kleinen Ortsteil Maybach und liegt ziemlich nah an der Ursapharm-Arena in Elversberg, wo ebenfalls ein Autobahnanschluss ist. Sprich: Von hier aus kann man fast alle Ecken des kleinsten Flächenlandes recht einfach erreichen – und vorher eben am besten im Unverpackt-Laden einkaufen. Und damit hat sich die 34-Jährige in der kurzen Zeit schon recht ordentlich etabliert. Kunden aus den genannten Regionen kommen gerne in den frisch renovierten Laden, in dem vorher ein Möbelgeschäft mit 110-jähriger Tradition beheimatet war. „Wir haben auch eine gute Stammkundschaft aus Friedrichsthal selbst", wie sie erklärt. Sie selbst habe vor rund zehn Jahren damit angefangen, ihre eigenen Konsumeigenschaften zu hinterfragen. Als der erste Unverpackt-Laden in Saarbrücken öffnete, war sie direkt „Kundin der ersten Stunde", wie sie sich erinnert. Bei der Inhaberin Birgit Klöber hat sie sogar ein Praktikum absolviert, bevor sie in Friedrichsthal selbst loslegte. Wie viele ihrer Kolleginnen hat auch sie eine Grundfinanzierung per Crowdfunding auf der Plattform Startnext gestemmt. Rund 20.000 Euro sind so zusammengekommen, was natürlich auch dabei hilft, Kredite zu bekommen. Ein Unternehmensberater „durchleuchtete" Businessplan und Vorhaben. Der Verein „Saaris – Saarland. Innovation und Standort" griff ihr als Existenzgründerin stark unter die Arme. „Man sollte jede Unterstützung nehmen, die man bekommen kann", fasst sie ihre Erfahrung zusammen.
Vor wenigen Jahren noch Pionieraufgabe
Dem kann Leander Wappler nur zustimmen. Der Leiter Unternehmensförderung der IHK des Saarlandes ist zuständig für den Einzelhandel und selbst gelernter Einzelhändler. So kann er sich gut in die langwierigen Vorbereitungen auf dem Weg zu einer Existenzgründung hineinversetzen. Auch er sieht im Falle von Alexandra Pütz eine gute Standortwahl und hebt die Lage in der Stadtmitte hervor, die eine „Durchgangsstraße" ist, wo man übrigens auch sehr gut und ohne Gebühren parken kann und die zwischen den beiden großen Zentren liegt. Auch verweist er auf die günstige Lage mit den Autobahnanschlüssen. Als er vor rund fünf Jahren Birgit Klöber auf ihrem Weg zum ersten Unverpackt-Laden im Saarland unterstützte, war dies noch eine Pionieraufgabe mit innovativen Ansätzen. „Das war gar nicht so leicht am Markt zu platzieren", blickt er zurück. Seinerzeit hätten deswegen die Standortwahl und die Finanzierung noch für lange Diskussionen gesorgt. Und gerade abseitige Lagen wie die in Saarbrücken am Rande des Nauwieser Viertels seien „nicht mit einer 1A-Lage vergleichbar", da es dort keine klassische Laufkundschaft gebe.
Etwas mehr dieser so wichtigen Laufkundschaft kann Vanessa Geib-Schorr für sich verbuchen. Mit ihrem Geschäft „Unverpackt in Eppelborn – die Eppelkischd" hat sie sich ebenfalls im Zentrum angesiedelt. „Viele waren superkritisch wegen Eppelborn", erinnert sich die 32-Jährige. Doch Unverpackt generell boomt – rund drei Monate nach der Eröffnung stellt sie zufrieden fest, dass ihr Umsatz bereits über den Prognosen liegt. Den Businessplan erstellte sie selbst, wobei ihr BWL-Studium dafür natürlich von Vorteil war. Unterstützung erhielt sie zudem durch einen Gründungsberater. Nun befindet sich ihr Ladengeschäft also an der Schnittstelle Bahnhofstraße/Am Markt/Schloßstraße mitten im Ort. „Der Big Eppel war eigentlich die erste Option, aber zu groß", sagt sie. Letztlich fiel der Entschluss auf die jetzigen rund 70 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das Geschäft ist mit dem ÖPNV direkt erreichbar und kann mit 15 Parkplätzen direkt davor punkten – auch immer ein Erfolgsfaktor für Gründerinnen und Gründer. Zudem ist die A1 mit Anschlüssen nach Saarbrücken und ins St. Wendeler Land ebenfalls gut erreichbar.
Vanessa Geib-Schorr stammt selbst aus Eppelborn, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Vater ist konventioneller Landwirt und war der letzte Landwirtschaftsmeister im Saarland. Auch wenn sie sich selbst nicht als „Vorreiterin für Plastiksparen" sieht, hat sie doch vor einigen Jahren ihr Konsumverhalten hinterfragt. Sicher half ihr dabei, dass ihre Tochter vegetarisch lebt und sie deswegen für das Thema sensibilisierte. „Es fällt ja schon ziemlich viel Müll an", sagt sie. Und nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Fokus auf Logistik hinterfragte sie sich auch selbst. „Etwas Sinnvolleres wäre schon schöner", habe sie festgestellt. 2019 lernte sie dann Birgit Klöber kennen und recherchierte weiter zum Thema, schaute sich online einige Läden an. „Ich war direkt begeistert", sagt sie strahlend. Es folgte ein Gründerworkshop in Mainz. Nachdem sie sich auf ihren Standort festgelegt hatte, musste eine Nutzungsänderung im Bebauungsplan erfolgen – dann kam Corona. Die Zeit nutzte sie, um die Räumlichkeiten, in denen bereits eine Fahrschule, ein Reisebüro und ein Busunternehmen ansässig waren, optisch auf Vordermann zu bringen. Wie eigentlich alle Inhaber der Unverpackt-Läden achtet auch Vanessa Geib-Schorr darauf, dass die Produkte aus der näheren Region stammen. So liefert Eppels Bier direkt aus dem Ort, von der Gewürzmanufaktur Rimoco aus Saarbrücken hat sie einiges im Angebot, Piranja liefert Eistees und Cola und die Bliesgau Ölmühle ist ebenfalls vertreten. „Das Sortiment ist für jeden Laden selbst wählbar", erklärt sie – bei den Unverpackt-Läden handelt es sich um keine Kette oder Franchise. Der Clou ist aber vielleicht die Mühle, mit der man Mehl von der Firma Juchem direkt aus Eppelborn selbst mahlen kann – ein echter Hingucker.
Frisches Obst und Gemüse gibt es in beiden Läden. Beide wollen Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge oder Workshops beispielsweise zur Müllvermeidung anbieten. Alexandra Pütz hat auf ihren großzügigen rund 230 Quadratmetern auch ein bisschen Platz für Kunsthandwerk, das man so vielleicht gar nicht in einem Unverpackt-Laden vermuten würde. Die Bilder, Geldbörsen oder Taschen stammen natürlich ebenfalls aus der Region und sind teilweise upgecyclet. „So schließt sich der Kreis", sagt sie schmunzelnd.
Leander Wappler von der IHK stellt derweil erfreut fest, wenn es um Finanzierung und Beratung von Unverpackt-Läden geht: „Der Trend hat sich mittlerweile verstetigt." Und so hilft er neben einem normalen Gründungsgespräch dabei, dass auch die weiteren Rahmenbedingungen im Blick bleiben. Crowdfunding beispielsweise habe sich als „ganz wichtiges Modul" etabliert und sei bei Gesprächen mit der Bank und beim Erstellen des Businessplans immens hilfreich.
Natürlich sollte bei der Standortwahl bedacht werden, dass „eine gewisse Grundfrequenz" an Laufkundschaft vorhanden sei. Am allerwichtigsten sei jedoch: „Es lohnt sich und funktioniert nur, wenn der Unternehmer oder die Unternehmerin das auch lebt." In den genannten Beispielen sei dies der Fall.