Es gibt kaum ein zweites Bild, das so mit Sommer und guter Laune verbunden ist, wie der Blumenprint. Daher zählen florale Muster auch in dieser Saison zu den trendigsten Motiven, die vor allem luftige Kleider schmücken.
Vom legendären französischen Couturier Christian Dior, der in den 50er-Jahren ein komplett neues elegant-feminines und raffiniertes Frauenbild erschaffen hatte, ist ein berühmtes Zitat überliefert, das einen direkten Zusammenhang zwischen Blumen und Damenwelt nahelegt: „Blumen sind, außer den Frauen, das schönste Geschenk, das Gott der Welt gemacht hat." Kein Wunder daher, dass Dior selbst in seinen Kreationen immer wieder gern auf florale Muster zurückgegriffen hatte. Obwohl er natürlich keineswegs der Erfinder der Blumenprints war, deren Auftauchen in der europäischen Mode vielmehr bis ins späte Mittelalter zurückreicht. Inzwischen zählen Blüten Jahr für Jahr zum festen Repertoire jeglicher Sommerkollektionen und legen häufig nicht mal in der kalten Jahreszeit eine komplette Ruhepause ein.
Kleider mit Blumenprints sind eigentlich kein Trend mehr, der von Designern eigens gepusht werden müsste, vielmehr zählen sie längst zu den sommerlichen Basics jeder Damengarderobe, was eine ständige Nachfrage gleichsam garantiert. Das Blumenmuster ist traditionell mit einem ausgesprochen romantischen Touch verknüpft, und ihm haftet zusätzlich ein nostalgisches Retro-Flair an. Das lässt sich eigentlich nur schwer mit dem angestrebten und vom Feminismus geprägten Bild der selbstbewussten Frau in Einklang bringen. Aber überraschenderweise ließ sich der Siegeszug der floralen Prints in der Damenmode dadurch kein bisschen stoppen. Was sich auch in den aktuellen Kollektionen für den Sommer 2021 niedergeschlagen hat und die deutsche „Vogue" zu folgendem Resümee veranlasst hatte: „Blumenkleider geben sich 2021 so vielfältig wie kaum zuvor."
Über den Wahrheitsgehalt dieses „Vogue"-Statements lässt sich beim Rückblick auf die im letzten Jahrzehnt in der Damenmode verwendeten Blumenmuster durchaus streiten. Denn speziell in den Sommersaisons 2010 und 2011 hatten einige Designer versucht, dem Klassiker durch Vermischung mit anderen Mustern zusätzlichen Pepp zu verleihen. Diesen Sommer ist das eigentlich nur Dolce & Gabbana so richtig gut durch die gelungene Kombination von Blumenprints mit Polka Dots gelungen. Aber das generelle Problem bei der alljährlichen medialen Berichterstattung über florale Prints besteht eben darin, dass sich die Umsetzungen in den saisonalen Kollektionen zwangsläufig nur um Nuancen unterscheiden können. Mal sind die Blüten mehr naturalistisch, mal mehr artifiziell verfremdend dargestellt. Manche Blumen sind überlebensgroß gestaltet, manche winzig klein wie ein blühender Teppich. Oder es wird eine bestimme Blütenart bevorzugt, oder eine andere Blume zum Jahresfavoriten gekürt. Mal ist diese Farbgebung tonangebend, mal eine gänzlich andere. Manchmal wird auf Monochromes gesetzt, manchmal auf auffällig-divergierende Farben. Die einen meinen die Fashion-Beobachter hätten eine Blumen-Inspiration im Stil der Hippie-Flower-Power-Bewegung der 60er- und 70er-Jahre erkannt, andere werden die in den 80er- oder 90er-Jahren gebräuchlichen Blumenmuster als Vorbilder ins Feld führen. Für den Sommer 2021 hat das Fashion-Onlineportal „Who What Wear" die „Kitchy ‚80s Florals" als Inspirationsquelle der Designer ausfindig gemacht. Was nicht so einfach nachvollzogen werden kann, weil die dafür mitgelieferte Erklärung, dass die aktuellen Prints weniger romantisch, dafür mehr „punchy", also ausdrucksstark sein sollen, alles andere als überzeugend ist.
Da es aktuell nicht möglich ist, eine klare stilistische Zuweisung zu Vorbildern à la Jugendstil oder den durch die Präraffaeliten weltweit berühmt gemachten floralen Mustern eines William Blake zu liefern, scheint uns der Trend-Erklärungsansatz des Fashion-Onlineportals glowsly.com wesentlich sinnvoller zu sein. Die wie immer bestens informierten Experten der 2017 gegründeten Mode-Plattform beschränken sich darauf, in der aktuellen Saison zwischen „Extra-Large Florals" und „Tiny, Busy Florals" zu unterscheiden. Allerdings hatten sie vorab darauf hingewiesen, dass sich die Blumenmuster des Sommers 2021 kaum von denen des Sommers 2020 unterscheiden. Der Grund: Viele Designer hatten wegen coronabedingtem Produktionsstau noch jede Menge Stoffvorlagen in ihren Lagern vorrätig und mussten diesen Material-Überhang erst einmal abbauen.
Künstlerische Verfremdung
Auch wenn uns das Gänseblümchen, das 2020 so etwas wie der florale Newcomer des Jahres bei Designern wie Marc Jacobs, Miu Miu oder Paco Rabanne gewesen war, in diesem Jahr noch nicht so sehr ins Auge gesprungen ist. Eher schon die Rose in üppigster Gestalt wie bei Rodarte, dem Label, das seit jeher Blumenprints quasi zu seinem Markenzeichen und Hauptbestandteil seiner Brand-DNA gemacht hat. Die Schwestern Kate und Laura Mulleavy hatten dabei als Inspirationsquelle für ihre neuen Printmuster, mit denen sie Slipdresses, Pyjamas oder Kleider verziert haben, die Gärten in ihrem lokalen Umfeld angeführt. Die beiden Designerinnen mussten sich wegen der Pandemie verständlicherweise vornehmlich zu Hause aufhalten. „Alles, was wir tun, dreht sich um Fantasie und Träume, aber wir befinden uns in einem Moment und sind Teil dessen, was jetzt passiert." Speziell Blumenmuster können in Corona-Zeiten durchaus als Symbol der Hoffnung auf bessere Zeiten angesehen werden, wie es die deutsche „Vogue" schon im vergangenen Jahr zu Beginn der Pandemie ihren Leserinnen ans Herz gelegt hatte.
Doch zurück zu der von Glowsly vorgenommen Blumen-Print-Einteilung. Riesenblüten bieten den Designern nicht nur die Möglichkeit zu einer künstlerischen Verfremdung des Originals, sondern haben zudem den Vorteil, dass das florale Muster auch bestens auf winzigen Smartphonescreens oder auf Instagram-Posts wahrgenommen werden kann. Kenzo beispielsweise hat die Rose in XL-Format gestaltet. Bei Valentino verleihen voluminöse Blütenprints besonders seinen transparenten Kleidern ein wunderbares sommerliches Flair. Giorgio Armani hat vor allem seine Blusen mega-floral aufgepeppt. Adam Lippes hat hingegen seine Röcke mit erdfarbenem Blütenschmuck gestaltet, daneben hat er aber auch ein Kleid mit All-Over-Riesenblumendruck im aktuellen Programm. Richard Quinn nicht zu vergessen, schließlich setzt der britische Designer seit dem Start seines Labels auf nostalgischen Blütenschmuck, aktuell in Oversize-Größe auf Shorts, Shirts – Gänseblümchen, da sind sie ja – und Röcken zu bestaunen. Ein Maxirock in Pastellgelb mit blühenden Kamelien zählt zu den Highlights der Kollektion von Dolce & Gabbana. Stella McCartney hat den Stoff einer Hose mit künstlerisch abgewandelten Blumen überzogen. Für Sommerkleider mit Mega-Blüten haben sich Marni, Carolina Herrera oder Christopher John Rogers entschieden. Bei Miu Miu kann neben einem Kleid mit Riesenblumen auch gleich eine dazu passende Handtasche mit floralem Muster erworben werden. Blütengeschmückte Accessoires wie Bags oder Schuhe scheinen diesen Sommer ansonsten eher die Ausnahme zu sein.
Die winzigen Blütenprints sind durch eine größere Portion von Abstraktion geprägt. Als Paradebeispiel sei auf die Kleider des nachhaltigen US-Newcomer-Labels Reformation verwiesen, das sich auf diesen Print ebenso wie der britische Neuling Rixo oder das dänische Aufsteiger-Label Rotate gleichsam spezialisiert hat. Aber auch Erdem setzt auf den kleinteiligen Blütenteppich. Gleiches gilt für Tom Ford, der allerdings einen botanischen Ausflug in die Tropen unternimmt. Bei Marchesa Notta gibt es die Blüten in allen Formaten, aber besonders beeindruckend ist der leuchtend-farbene XL-Print bei einem Spaghetti-Trägerkleid ausgefallen. Auch bei Michael Kors oder Nicole Miller gibt es tolle Einzelstücke mit winzigen Blumen. Kleider mit verspielt-großflächigen Millefleurs haben Labels wie & Other Stories, Preen by Thornton Bregazzi, Miu Miu – mit Gänseblümchen auf grünem Hintergrund – oder Tory Burch in ihrem aktuellen Sortiment.
Die Ursprünge der Blumenprints reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, als in China erstmals Kleidungsstücke mit Blüten verziert wurden. Wenig später wurde die aufwendige Handwerkskunst auch in Indien und in Japan zur Verschönerung von Kimonos bekannt.
Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts gelangten die ersten Stoffe über den Handelsweg nach Europa, wo sie bald zu einem Statussymbol der Reichen und Mächtigen aufstiegen. In Italien wurden dank der Verbindungen zum Osmanischen Reich vor allem blumenverzierte Velvet-Stoffe im Laufe der Renaissance sehr populär. Vor allem in Florenz und Venedig entstanden erste Manufakturen, die die fernöstlichen Vorbilder zu kopieren begannen. Im 17. Jahrhundert brachten niederländische und britische Händler das begehrte Baumwoll-Material Chintz mit Blütendekor aus Asien mit in ihre Heimat. Erst ab 1759 konnten britische Textilhersteller das Geheimnis des Chintz-Blumendekors lüften, eine eigene europäische Produktion einleiten und damit kostbar-unerschwinglichen blütengeschmückten Seide- oder Brokat-Roben erhebliche Konkurrenz bereiten.