Der einstige Hoffnungsträger hat die Franzosen enttäuscht: Um Emmanuel Macrons Partei La République en Marche steht es in Umfragen zu den französischen Regionalwahlen am 20. und 27. Juni nicht gut. Kann der Präsident seine Rechtsaußen-Konkurrentin Marine Le Pen noch verhindern?
Warmlaufen für die Präsidentschaftswahlen: Am 20. und 27. Juni wählen unsere französischen Nachbarn ihre Vertreter für die insgesamt 17 Regionalparlamente. Gleichzeitig finden Départementswahlen statt. Es ist der letzte große Testlauf für den amtierenden Staatspräsidenten Emmanuel Macron vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr. Jüngsten Umfragen der Institute IFOP und Odoxa zufolge bekommt der präsidiale Wahlverein La République en Marche (LREM) im Juni keine Schnitte, zu tief sitzt die Enttäuschung bei den Franzosen über die nicht gehaltenen Versprechen Macrons, zu groß ist die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Regierung in der Corona-Krise insbesondere die schleppende Impfkampagne, zu gespalten die französische Gesellschaft.
Testlauf für die Präsidentschaftswahl
Nun mögen Optimisten aus dem Regierungslager auf die relative Bedeutung von Regionalwahlen verweisen und auf ein Durchstarten mit neuen Themen nach der Sommerpause hoffen, aber am untergehenden Stern Macrons bei den Franzosen wird das nicht viel ändern. Der Vertrauensverlust sitzt tief. Macron schafft es nicht mehr, die symbolische Marke von 40 Prozent Zustimmung zu erreichen. Auf dem Feld der inneren Sicherheit, das die Franzosen neben der Pandemie derzeit am meisten beschäftigt, punktet der Gegner, ohne groß etwas machen zu müssen. Marine Le Pen vom Rassemblement National hat ihrer rechtsradikalen Partei nach der herben Wahlniederlage gegen Macron einen moderaten Anstrich verpasst, sich bei heiklen Themen zurückgehalten, aber ihren Hut bereits in den Ring des Präsidentschafts-Wahlkampfs geworfen. Die führenden französischen Meinungsforschungsinstitute sehen Le Pen dank der starken Mobilisierung ihrer Anhänger ganz klar in der Stichwahl im kommenden Jahr voraussichtlich gegen Emmanuel Macron, der allerdings offiziell noch nicht verkündet hat, erneut anzutreten. Die übrigen Parteien, sowohl die Sozialisten als auch die Konservativen, sind heillos zerstritten, den Grünen trotz der Achtungserfolge bei den Kommunalwahlen 2020 und erst recht nicht der Linken um Jean-Luc Mélenchon wird der ganz große Coup nicht zugetraut. Allerdings bleibt der führenden Politkaste in Paris bis April und Mai 2022 noch ein wenig Zeit, das ramponierte Image ein wenig aufzupolieren. Entscheidend dürfte letztendlich sein, wer die meisten Franzosen im zweiten Wahlgang für sich mobilisieren kann. Und das gilt erst recht für die kommende Wahl.
Der Testlauf für Macron bei den anstehenden Regionalwahlen dürfte allerdings ein Desaster werden, zumal es der LREM weithin an lokaler Verankerung fehlt. Sie stellt derzeit keinen Regionalpräsidenten in den Regionen. Fairerweise muss allerdings gesagt werden, dass nach dem neuen Zuschnitt der Regionen 2015 nun erstmals gewählt wird und die Kompetenzen auf regionaler Ebene neu verteilt wurden – zu Lasten der Départements. Zu gerne hätte Macron die Regionalwahlen auf die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen 2022 verschoben, aber die Opposition wollte nicht mitziehen. Und auch der Versuch, die regionalen Wahlen wegen der Pandemie auf den Herbst zu verschieben, scheiterte am Widerstand des nationalen Wissenschaftsrats. Lediglich die Verschiebung von März auf Juni wurde aufgrund der dritten Welle akzeptiert.
Erste Wahl nach der großen Regionalreform
Das Wahlverfahren für die regionalen Wahlen scheint komplex. Gewählt werden geschlossene Listen, die paritätisch nach Männer und Frauen aufgestellt werden, nach dem Mehrheitswahlrecht. Die Liste, die im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht, bekommt quasi als Bonus ein Viertel der Sitze hinzu. Die restlichen Sitze werden proportional anhand aller Listen verteilt, vorausgesetzt die Fünfprozenthürde wurde gemeistert. Gibt es keinen absoluten Sieger, folgt der zweite Urnengang eine Woche später unter allen Listen, die im ersten Wahlgang über zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten. Listen dürfen dann auch fusionieren. Um den Bonus von 25 Prozent der Sitze einzustreichen, reicht im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit. Gewählt werden die Abgeordneten für sechs Jahre. Gleich mitgewählt werden die politischen Vertreter der 95 Départements im Mutterland ebenfalls in zwei Wahlgängen nach dem Mehrheitswahlrecht.
Wie sieht es nun in der an Deutschland angrenzenden Region Grand Est mit ihren rund fünf Millionen Einwohnern aus? Dort tritt der amtierende Regionalpräsident Jean Rottner der konservativen Partei Les Républicains (LR) erneut an. Seine neue Konkurrentin ist Integrationsministerin Brigitte Klinkert, die für die Regierungspartei LREM ins Rennen geht, zumindest im ersten Wahlgang. Beide Kandidaten stammen aus dem Elsass, das seit über 40 Jahren in bürgerlich-konservativer Hand ist. Für die Linken und Sozialisten geht die ehemalige Kulturministerin aus der Ära François Hollande, Aurélie Filippetti aus dem Département Meurthe-et-Moselle, ins Rennen, für die Grünen Eliane Romani aus Thionville, auf der Rechtsaußenseite für Les Patriotes Florian Philippot und für den Rassemblement National (RN) die ehemalige Führungskraft der Fernsehsender TF1 und TV5, Laurent Jacobelli, der einst für die rechtspopulistische Bewegung „Debout La France" an den Start ging und nun radikal die Seiten gewechselt hat. Hinzu kommt noch eine Handvoll relativ unbekannter Kandidaten.
Laut Umfragen vom Harris Interactive dürfte der RN rund 28 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang erhalten, noch vor Rottner mit 24 Prozent und Klinkert mit 18 Prozent. Es dürfte aber davon auszugehen sein, dass Klinkert zu Gunsten von Rottner im zweiten Wahlgang verzichtet und auch die Grünen und Sozialisten zur Wahl von Rottner aufrufen, um den RN zu verhindern. Alles andere wäre eine faustdicke und vor allem unangenehme Überraschung für den großen Nachbarn Deutschland, schließlich gilt Rottner als zuverlässiger politischer Partner. Der RN um Jacobelli plant, Grand Est wieder zu zerschlagen in die drei ursprünglichen Regionen Lothringen, Elsass und Champagne-Ardennes. Und es käme noch schlimmer, denn der europaskeptische RN würde auch gerne mit Frankreich aus dem Schengener Abkommen austreten. So lautet zumindest die offizielle Parteilinie. Es wäre ein Rückschritt sondergleichen in einem eh schon arg gebeutelten Europa offener Grenzen. Das können sich die rund 200.000 Franzosen, die jeden Tag zum Arbeiten nach Deutschland und Luxemburg pendeln, klar vor Augen führen.