In der Großen Koalition ist Streit über die Aufteilung des CO2-Preises auf Heizöl entbrannt. Um Mieter zu entlasten, will die SPD Vermieter an den Kosten beteiligen. Die Unionsfraktion hat sich auf die Seite der Immobilienbranche geschlagen.
Die einen mögen es eher kühl in ihrer Wohnung, die anderen kuschelig warm. Die alleinige Entscheidungsgewalt über die angemessene Raumtemperatur haben allein die Mieter. Sie tragen somit die verbrauchsabhängigen Nebenkosten. So weit, so eindeutig. Doch die eingeführte CO2-Besteuerung wirft neue Fragen auf: Wer muss die zusätzlichen Kosten für den Klimaschutz bezahlen? Die Mieterin oder der Vermieter? Oder beide gemeinsam?
Seit Anfang des Jahres wird auf fossile Energieträger wie Erdgas und Heizöl eine CO2-Steuer erhoben, um klimaschädliche Gase zu reduzieren. Diese beträgt aktuell 25 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Der Zuschlag verteuert seitdem das Tanken und Heizen in Deutschland. Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge wird eine Familie mit einem Kind im Jahr circa 87 Euro mehr für Heizkosten ausgeben müssen. Alleinstehende würden demnach mit 48 Euro jährlich belastet. In wenigen Jahren werden die Preise weiter anziehen, denn der Preis für eine Tonne CO2 wird bis 2025 schrittweise auf 55 Euro pro Tonne angehoben. Das sieht das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung so vor.
Der CO2-Preis wird weiter anziehen
Über die gerechte Verteilung der zusätzlichen Heizkosten ist nun eine hitzige Debatte entbrannt. Eigentlich hatte sich die Bundesregierung im Mai darauf geeinigt, dass die Vermieter 50 Prozent des CO2-Preises übernehmen müssen. Ursprünglich war vorgesehen, die neue Kostenaufteilung spätestens in dieser Woche gesetzlich zu verankern. Doch das Vorhaben einer hälftigen Kostenteilung droht nun aber am Widerstand der Unionsfraktion zu scheitern, so der aktuelle Stand der Diskussion in der vergangenen Woche.
Die gleichmäßige Aufteilung der Zusatzkosten zwischen Mietern und Vermietern ist Teil eines Sofortprogramms, das die Bundesregierung zusammen mit einem geänderten Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht hatte. Die Frage nach der Kostenaufteilung ist aus Sicht des Klimaschutzes deshalb von Bedeutung, weil sie die energetische Sanierung von Altbauten und die Umstellung auf klimafreundlichere Heizsysteme beeinflusst. Nur wenn auch die Vermieter die Kosten für klimaschädliches CO2 mittragen müssten, könne man sie dazu bewegen, in klimafreundliche Heizungsanlagen wie Wärmepumpen zu investieren, so das Hauptargument der Befürworter einer paritätischen Kostenverteilung.
Nach Angaben des Hamburger Öko-Instituts sind rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland dem Gebäudesektor zuzurechnen. Gemäß Klimaschutzgesetz müssen die Sektorenemissionen von heute rund 120 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2030 auf 70 Millionen Tonnen CO2 sinken. Das verschärfte Klimaziel der EU sowie der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz werden vermutlich zu einem noch strengeren Minderungsziel führen. Nach derzeitiger Planung soll die Novellierung des Klimaschutzgesetzes noch vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossen werden.
Dass die Vermieter sich an den Kosten des CO2-Aufschlags beteiligen sollen, ist nach Ansicht der Unionsfraktion eine Umkehr des Verursacherprinzips: Vermieter hätten auf das Verbrauchsverhalten von Mietern keinerlei Einfluss, sie sollten aber dennoch dafür zahlen. Die Mieter würden schon jetzt durch die beschlossene Absenkung der EEG-Umlage bei den Stromkosten entlastet, heißt es aus Unionskreisen.
Die Mieter könnten zwar ihr eigenes Heizverhalten beeinflussen und somit auch die Heizkosten. Darüber, wie gut das Haus gedämmt ist oder mit welchem System es beheizt wird, ob mit einer klimaschädlichen Ölheizung oder mit einer umweltfreundlichen Wärmepumpe, entscheiden aber allein die Vermieter, hält die SPD dagegen. Deshalb brauche es auch eine gleichmäßige Verteilung der CO2-Kosten. Die eigentlichen Heizkosten kann der Vermieter auch in Zukunft auf den Mieter abwälzen.
Die Stiftung Klimaneutralität geht noch einen Schritt weiter und fordert die komplette Abwälzung der Zusatzkosten auf die Vermieter ab dem Jahr 2023. Diese Maßnahme sei ein zentraler Baustein für eine „wirksame und sozialverträgliche Wärmewende", lässt die Stiftung unter Verweis auf die von ihr in Auftrag gegebene Studie des Freiburger Öko-Instituts verlauten. Nur so könnten die Immobilieneigentümer dazu bewegt werden, durch energetische Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle oder durch Umrüstung auf CO2-freie oder CO2-ärmere Heizanlagen den CO2-Ausstoß zu senken – und somit auch die Kosten für die Mieter.
Um „soziale Härten" zu vermeiden fordert die Stiftung als weitere Maßnahme die Modernisierungsumlage für energetische Sanierungsmaßnahmen auf 1,5 Prozent abzusenken. Zu einer energetischen Modernisierung gehört beispielsweise die Fassadendämmung, besser isolierende Fenster oder die Dämmung von Rohren. Aktuell darf der Vermieter die Jahresmiete um acht Prozent der auf die Wohnung entfallenden Modernisierungskosten erhöhen. Für die Förderung energetischer Modernisierungen sollen zudem Fördermittel in der Höhe von circa zwölf Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden.
Strenge Vorschriften an die Energieeffizienz
Darüber hinaus werden strengere gesetzliche Vorschriften an die Energieeffizienz bei Neubauten und Gebäudesanierungen vorgeschlagen. So soll der Einbau fossiler Heizanlagen in Neubauten ab 2024 verboten werden. Die hier genannten Maßnahmen sind nicht die einzigen, aber die wichtigsten Grundpfeiler der von der Stiftung Klimaneutralität und der Denkfabrik Agora Energiewende geforderten Klimapolitik für den Gebäudesektor.
Gegen die vollständige Kostenübernahme laufen Vermieter- und Eigentümerverbände Sturm. Die Annahme, dass der CO2-Preis komplett vom Vermieter getragen werden müsste, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, zeuge von „eklatantem Unwissen über ökonomische Zusammenhänge", sagt Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund, auf Anfrage. „Die CO2-Bepreisung dient dazu, den Menschen die Kosten ihres CO2-Konsums transparent zu machen. Nur so können sie CO2 dort einsparen, wo es sich lohnt."
Je höher der CO2-Preis steige, umso eher lohne es sich für den Mieter, eine „CO2-arm betriebene Wohnung" zu wählen, sagt Warnecke. Zur Entlastung der Mieter schlägt er die Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Form eines für jeden Bürger gleich hohen „Klimageldes" vor. Das Einbauverbot von herkömmlichen Heizungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ab 2024 bezeichnet er als „absurd und praxisfremd".
Voraussichtlich Ende Juni soll das fertig ausgearbeitete Klimaschutzprogramm, das auch zusätzliche Investitionen von acht Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen vorsieht, vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Eine Einigung im Streit um die Aufteilung des CO2-Preises ist vor der Bundestagswahl jedoch nicht mehr zu erwarten. Somit können Vermieter diese Zusatzkosten gänzlich auf Mieter abwälzen.