Es ist der Hoffnungsträger der Energiewende – Wasserstoff. Von den milliardenschweren Technologieprogrammen der deutschen und französischen Regierungen möchte auch die Großregion Saar-Lor-Lux profitieren.
Wasserstoff gilt als Öl des 21. Jahrhunderts und soll die Energiewende in Deutschland und Frankreich in den nächsten zehn Jahren ein gutes Stück voranbringen. Zwar wird das Potenzial in Industrie und Verkehr in beiden Ländern entsprechend hoch eingeschätzt, aber das Problem sind die immensen Startkosten, um Wasserstoff auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Dafür haben die Regierungen in Frankreich und Deutschland im vergangenen Jahr ihre nationalen Wasserstoffstrategien auf den Weg gebracht und jeweils neun Milliarden Euro bis 2030 zur Verfügung gestellt. Eine Menge Geld, von der auch die Großregion profitieren möchte.
Das Öl des 21. Jahrhunderts
Auf einer von der Agentur Metz Inspire und dem World Trade Center Metz-Saarbrücken organisierten Mobilitätskonferenz Mitte Juni beleuchteten Fachleute aus Wirtschaft und Politik die Zukunftschancen von Wasserstoff. Zwar verfolgen Frankreich und Deutschland mit ihrer Strategie annähernd die gleichen Ziele, sagt Lena Müller-Lohse vom Deutsch-Französischen Büro für die Energiewende in Paris. Aber schon bei der Gewinnung von Wasserstoff scheiden sich die Geister. Während unsere französischen Nachbarn ihren Atomstrom zur Herstellung von dekarbonisiertem Wasserstoff nutzen, will Deutschland grünen Wasserstoff ausschließlich aus regenerativen Energien gewinnen. Während beide Länder die Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Industrie allen voran in der Stahl- und Chemiebranche sowie im Schwerlastverkehr sehen, strebt Frankreich bei der Herstellung von Wasserstoff weitestgehend Autarkie an und will eine eigene Branche aufbauen. 50. bis 100.000 neue Arbeitsplätze sollen bis 2030 entstehen. 6,5 Gigawatt Leistung könnten in den nächsten zehn Jahren in sogenannten Elektrolyseuren bereitgestellt werden. Das weltweit tätige französisch-belgische Unternehmen John Cockerill Hydrogen aus Lüttich mit allein 34 Produktionsstätten und 2.000 Mitarbeitern in Frankreich sehe sich dazu auch in der Lage, so der stellvertretende Geschäftsführer Raphael Tilot. Großprojekte im Bereich Wasserstoff bearbeitet das Unternehmen zum Beispiel am Flughafen Lüttich und in China im Olympischen Dorf für die Winterspiele 2022, wenn beispielsweise wasserstoffbetriebene Busse die Sportler an die verschiedenen Sportstätten bringen sollen. In Deutschland beziffern Fachleute einen Bedarf an Wasserstoff per Elektrolyseur bis 2030 auf über fünf Gigawatt, wobei ein Teil des Wasserstoffs aus Afrika importiert werden soll.
Das Saarland, das bei drei von 62 ausgewählten Wasserstoffprojekten in Deutschland den Zuschlag erhalten hat, sieht die Zukunft beim Wasserstoff ohnehin grenzüberschreitend. Das Infrastrukturprojekt „mosaHYc" (Moselle Sarre HYdrogen Conversion) der beiden Netzbetreiber Creos Deutschland und GRTgaz zum Transport von Wasserstoff erfährt derzeit eine Machbarkeitsstudie; die Stahlholding Saar sowie Steag gemeinsam mit Siemens Energy entwickeln ebenfalls vielversprechende Wasserstofftechnologien. Hinzu komme das geplante Projekt „TraficHdeux" der Saarbahn mit grenzüberschreitenden wasserstoffbetriebenen Zügen sowie eine damit verbundene mögliche Reaktivierung vorhandener Bahnstrecken, so der Klimakoordinator des Saarlandes, Nicola Sacca, aus dem saarländischen Wirtschaftsministerium.
Während großvolumige Anwendungen in der Schwerindustrie noch in den Anfängen stecken, sieht die Stellantis-Gruppe Wasserstoff-Nutzfahrzeuge bereits auf einem sehr guten Weg. Deren Wasserstoffmanager für Europa, Dr. Lars Peter Thiesen aus Rüsselsheim, spricht von großem Interesse in der Wirtschaft an sogenannten Plug-in-Brennstoffzellen-Lieferwagen mit gleicher Zuladung wie herkömmliche Dieselfahrzeuge. Diese leichten Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen und einer Reichweite bis zu 400 Kilometer, davon 50 Kilometer elektrisch und 350 Kilometer mit Wasserstoff, sollen bereits Ende dieses Jahres über die Straßen rollen. „Voraussetzung sind Interesse der Kunden, staatliche Förderungen und die Bereitschaft, derzeit noch höhere Kosten zu akzeptieren. Außerdem müssen die Fahrzeuge zur Flotte des Unternehmens passen. Zurzeit befinden wir uns an der Schwelle zur Massenproduktion und dann wird die Kostenstruktur sicher eine ganz andere sein", gibt sich Thiesen zuversichtlich. Den Brennstoffzellen-Fahrzeugen prophezeit er eine gute Zukunft. „Dafür sorgen die Nachhaltigkeit mit null CO2-Emissionen, die große Reichweite und das schnelle Betanken in drei Minuten." Schon heute gebe es rund 100 öffentliche Wasserstofftankstellen in Deutschland und damit ein flächendeckendes Netz, Tendenz klar steigend. Tankstellen befinden sich im Saarland in Saarbrücken-Gersweiler, in Lothringen in Sarreguemines und in Audun-le-Roman. Die Infrastruktur müsse aber auch im europäischen Ausland weiter ausgebaut werden.
Grenzüberschreitende Projekte
Neue Einsatzmöglichkeiten für Wasserstofftechnologien im Öffentlichen Personennahverkehr sieht Béatrice Agamennone, Vizepräsidentin für Mobilität und Verkehr in Metz. 15 neue Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb sollen in der Eurometropole Metz angeschafft werden.
In Frankreich bewege sich etwas auf den Straßen bei alternativen Antrieben, erklärt Jacques Haenn als Delegierter in Grand Est von France Hydrogène. Schließlich ist der Verkehr in Frankreich für rund 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Neben Bussen und Taxen mit Wasserstoffantrieb zum Beispiel in Paris habe die französische Eisenbahngesellschaft SNCF erste Wasserstoffzüge bestellt. Zukünftige Einsatzmöglichkeiten für Wasserstoff sieht Haenn zudem bei Schiffen und im Luftverkehr. Letztere stecke noch in der Forschung. Brennstoffzelle und Batterie sieht Haenn als gegenseitige Ergänzung.
Das Fazit der Veranstaltung zog Cédric Gouth von der Wirtschaftsförderung Metz: Großvolumige Wasserstoffanwendungen sind derzeit noch begrenzt und kommen ohne staatliche Förderung nicht aus, aber das Potenzial ist riesig und zahlreiche Projekte sind in der Pipeline oder bereits auf den Weg gebracht. Das Interesse am Energieträger Wasserstoff in der Großregion scheint geweckt zu sein.