Robin Storck hat sich aufgemacht, mit seinem Trekkingbike Europa zu erkunden. Zwei Monate nach der Rückkehr erzählt der 21-Jährige von den Höhen und Tiefen seiner Abenteuerreise.
Der in Rehlingen-Siersburg ansässige Enthusiast Robin Storck fasste 2019 den Entschluss, zwischen einem Freiwilligen Ökologischen Jahr und einer Ausbildung das Gefühl von Freiheit genießen zu wollen. Inspiriert durch die Bücher von Thomas Meixner, möchte er diesem Weltenbummler nacheifern. Das Ziel sollte fürs Erste nicht zu weit entfernt liegen. Nachdem Europa zum Reisegebiet auserkoren ist, beginnen die Vorbereitungen, einmal in Form von Geldbeschaffung per Interimsjob und zum Zweiten in Gestalt eines moderaten Trainings. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Robin Storck das Fahrrad bis dahin nur als Fortbewegungsmittel, nicht aber als Reisegefährt genutzt hatte.
Der Traum von der gefühlten Freiheit wurde schon in zig Romanen und Roadmovies zum Stoff einer Erzählung. Auf die Frage, ob man dieses Gefühl auch in einem Europa der sozialversicherungspflichtigen Bürger vermittelt bekommt: „Ich denke, dass die ganzen Regeln für die Allgemeinheit gemacht sind. Da man als Reisender aus der Masse heraussticht, findet sehr viel nicht mehr statt. Angefangen bei Verkehrsregeln, die man nicht von jedem Land kennt, macht man halt so, wie man denkt. Zum Beispiel schauen sie Dich in Frankreich verwirrt an, wenn Du bei ‘ner roten Ampel hältst", sagt Robin Storck und lacht. Das Kalkül, sich als Fremder mit Unwissen gegenüber den Behörden zu behaupten und mit Regelverstößen durchzukommen, hat sich auf dem Trip bewährt. Vor allem in Hinblick auf das Wildcampen, das wegen Corona und den damit verbundenen Schließungen von Herbergen zum Regelfall wurde (90 Prozent der Übernachtungen), brachte die eine oder andere Situation mit sich, in der er mit Charme durchkam. So zum Beispiel in einem englischen Park, wo Robin Storck von Bobbys mit Taschenlampen aus dem Zelt geholt wurde. Ansonsten ging es in Städten auch mal von Hostels auf die Gästecouch hilfsbereiter Gastgeber. Auf die Frage, ob es sein Charakter sei, ein Urvertrauen in die Unversehrtheit und das eigene Geschick zu haben, sich in brenzligen Situationen zu behaupten, sich dem Kopfkino auf langen Strecken des Alleinseins zu stellen, meint Robin Storck: „Bei Antritt braucht es dieses Urvertrauen. Den Schritt machen zu können setzt voraus, dass man seine Ängste überwindet. Es könnten Reparaturen am Fahrrad fällig werden, die man selbst nicht machen kann. Im Lauf der Reise steigert sich diese Zuversicht. Die ist auch ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu früher. Man lernt, sich auf die Hilfsbereitschaft anderer zu verlassen, und nur weil eine Speiche bricht, gibt es keinen lebensbedrohlichen Unfall."
In England holten ihn Polizisten aus dem Zelt
Los ging es, wie geplant, von Deutschland über Belgien nach Großbritannien, respektive Schottland. Wegen der Fokussierung auf die Reise ignorierte Robin Storck erst einmal das Internet und die Nachrichten, bis sich durch Gespräche und Stimmung in den Ländern das Problem Corona förmlich aufdrängte. Als dann der erste Lockdown kam, schlug die Pandemie auch bei dem Reisenden mit voller Härte zu: „Mit jedem Abend drehten sich die Gespräche mehr und mehr um Corona. In einem Hostel in Manchester, nachdem ich versucht hatte, für die weiteren Tage Übernachtungen zu planen, wurde mir anhand der Schließungen klar, dass sich die Lage zu einem ernsthaften Problem ausweitet. Den ersten Lockdown habe ich wegen des Festgesetztseins mit Wandern verbracht. Das war Anfang April. Plötzlich waren die Straßen leer." Dann verlief die Route weiter nach Schottland, ein Traum für Naturfreaks und Wanderfreunde. Dort ging wegen Corona der Whisky aus, was einer nationalen Katastrophe gleichkommt. Von England hin zu den Niederlanden und zurück nach Deutschland kam der Fahrradreisende ohne Störung durch. Bis zum Reiseabschnitt Kroatien und hin zu Bosnien gab es über ganz Europa hinweg keine Grenzkontrollen, und das trotz vieler entgegenlautender Berichte. Die verlässlichsten Informationsquellen waren immer die Behörden vor Ort. „In Nordmazedonien, an der Grenze zu Albanien, waren wir zu siebt, das heißt, eine durcheinandergewürfelte Gruppe von Leidensgenossen. Jeder einzelne hatte eine andere Strategie, mit der angespannten Lage umzugehen. Man durfte nicht nach Griechenland, aber über Bulgarien schon. Dort durfte man nur rein, wenn man 14 Tage in Quarantäne ging oder wenn man Transit machte. Zuvor waren wir in Albanien, wo wir den ersten Kulturschock bekamen, und es nicht so lief, wie wir gedacht hatten. Man stößt auf Behörden, die sich mit dem Problem gar nicht beschäftigen wollen, findet keine Ansprechpartner, auch wegen Verständigungsschwierigkeiten. Kurz gefasst: Man erfährt relativ schnell, dass die Leute dort anders ticken. Auf Seiten der EU waren die Grenzen offen, aber umgekehrt, von Albanien nach Kroatien, wäre keine Einreise möglich gewesen. Schließlich wurden wir von Nordmazedonien nach Bulgarien einfach durchgewunken."
Lange vor diesem Erlebnis gab es einen längeren Schwedenaufenthalt. Dänemark hatte dichtgemacht, sodass Robin Storck die Reise nach Schweden nur über den Fährweg gelang. Die angepeilte Route über Norwegen nach Finnland bis hin zum Baltikum musste auch abgeändert werden. Dank Schwedens eigenwilliger Corona-Strategie blieben die Museen offen und das Näheproblem war plötzlich keines mehr. Selbst in dieser Situation hatte Robin Storck keine Angst, sich zu infizieren. Während der Mittsommernachtsfeier kam man sich nahe, was wegen der schwedischen Kühle gegenüber Fremden nicht der Regelfall ist. Das waghalsige Feiern in Stockholm brachte jedenfalls keine Ansteckung mit sich, und die vielzitierte „Ignoranz der Jugend" hatte sich mal wieder bewährt. Ansonsten fielen wegen Corona alle möglichen Feiern flach.
„Diese Momente sind kostbar"
„Was ich bei meiner Reise festgestellt habe, ist, dass Europa kein einheitliches Territorium darstellt. Bei all den verschiedenen Kulturen gibt es dennoch überall Supermärkte, und Wasser kann man in jedem Land relativ zuverlässig sauber bekommen. Man fühlt sich unter Freunden. Als Deutscher habe ich jedenfalls keine Probleme gehabt, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Im Gegenteil, ich wurde überall positiv empfangen. Nirgendwo musste ich mich mit Vorbehalten auseinandersetzen. Stattdessen ging es um offensichtliche, über die Ländergrenzen hinaus verbindende Themen wie Bundesliga oder Bier. Auf dem Balkan gab es noch einige, die hier schwarzgearbeitet haben und es wurde sich darüber ausgetauscht, was es noch gibt im Vergleich zu früher." Corona half beim Sparen, so viel ist sicher, denn wären Museen und andere Besichtigungs-Möglichkeiten, beziehungsweise Beherbergung in Hostels möglich gewesen, hätte sich dies auf den Geldbeutel und Betätigungen ausgewirkt.
Wegen schon verabredeter Bewerbungstermine hat Robin Storck die letzten 1.500 Kilometer von Bordeaux zurück nach Deutschland mit dem Zug abgekürzt.
Entgegen der „Instagram-Mentalität" vieler Zeitgenossen hat Robin Storck keine Online-Story aus seiner Reise gemacht. Ganz auf seine Erlebniswelt konzentriert, hat er die schönsten Momente einfach so passieren lassen. Bergpanoramen mit Seen, an dessen Ufer ein Elch trinkt oder in denen ein Biber vorbeischwimmt, der einen Fisch fängt, müssen andere posten.
„Wenn man solche Eindrücke wiedergeben möchte, dann geht es nicht nur darum, den Moment einzufangen, sondern ihn zu inszenieren, und das finde ich grundlegend falsch. Diese Momente sind zu kostbar, um sie zu fotografieren. Da geht einem das Herz auf, und man ist einfach nur glücklich."