Joachim Arnold, Chef von Musik und Theater Saar, macht seine neue Freiluftarena Saar zum Spielort der Musicalproduktion. Die Kammermusiktage sind eröffnet, das SR Klassik am See findet statt. Neuigkeiten aus der Kultur.
Kultur-Testzentrum. Eine Joachim-Arnold’sche Wortschöpfung. Der Merziger Zeltpalast ist zum Corona-Testzentrum mutiert. Über dem Eingang schwebt wie gewohnt das „Zeltpalast"-Schild flankiert von der Reklame eines Sponsors, einer bekannten Brauerei, beidseits weist ein Pfeil den Weg zum „Kultur-Testzentrum".
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Kein anderer als Joachim Arnold, der Chef von Musik und Theater Saar, weiß das besser. Allerdings ist damit keinesfalls gemeint, dass Arnold, der eine Corona-Test-Mannschaft von an die 30 Leuten aufgestellt hat – sich sogar selbst hat schulen lassen –, aus der Kulturbranche aus und in die Medizinbranche eingestiegen wäre. Wo wäre, wenn der Zeltpalast als Testzentrum fungiert, Platz für die Kultur, für das angekündigte Musical?
Die große Überraschung dieses Kultur-Sommers: die Freiluftarena Saar! Errichtet in einer Woche Bauzeit von acht Bühnenhandwerkern auf dem Außengelände des Zeltpalastes. Joachim Arnold packte tatkräftig mit an. Irgendwann war ihm klar: Wenn noch irgendwelche Veranstaltungen 2021 mit nennenswerten Zuschauerzahlen stattfinden, die den Aufwand einer Neuproduktion amortisieren können, dann draußen. Die Zuschauertribüne bietet 1.000 Sitzplätze, steigt bis fünfeinhalb Meter an – 40 Tonnen Stahl bilden den Unterbau. „Eine verzinkte, amtliche Supertribüne!" ruft Arnold, als ich staune. „Ich kann dir sagen, das ist heldenhaft!" Ich bezweifle es nicht und überlege laut: „Aber woher?" Arnold schmunzelt: „99 Prozent erkennen das nicht."
Im letzten Jahr fanden die Kammermusiktage Mettlach im Zeltpalast statt, deshalb wurde die Zuschauertribüne ausgebaut und eingelagert. Die Kammermusiktage Mettlach finden auch in diesem Jahr zur Gänze in Merzig statt, auch wenn sich die Künstlerische Leiterin Franziska Hölscher gehofft und gewünscht hatte – siehe FORUM 18 – in der Alten Abtei Mettlach Konzerte anbieten zu können. „Die amtliche Supertribüne" wird sich als Open-Air-Bühne erstmals in dieser Saison bewähren können, vorrangig als Musicalbühne. Zuvor steht das SR Klassik am See als Freiluftveranstaltung in Losheim auf Arnolds Agenda. Der Kulturveranstalter musste ein neues Programm zusammenstellen. Letztes Jahr wurde das SR Klassik am See abgesagt.
Die Dirigentin Marie Jacquot, die das Konzert mit amerikanischer Filmmusik geleitet hätte, hatte 2021 andere Pläne. Zudem musste das Orchester verkleinert werden. Was nun? Herr oder Frau Zufall kam zu Hilfe.
Auf einem Flug nach New York 2019 smalltalkte Arnold mit seiner Sitznachbarin, die erzählte, dass sie an der Metropolitan Opera dirigiere. Ein Anruf in N.Y.: Die amerikanische Dirigentin Karen Kamensek sagte für 2021 zu. Gemeinsam mit ihr, der Orchestermanagerin der Deutschen Radio Philharmonie, Maria Grätzel, und dem Chefdramaturg der Wiener Volksoper, Christoph Wagner-Trenkwitz, der seinerseits mit Karen Kamensek in Wien zusammengearbeitet hatte, wurde ein Programm abgestimmt: „Wien, nur du allein …!"
Eines der drei G’s – geimpft, genesen, getestet – ist für den, der beim SR Klassik am See dabei sein möchte, Voraussetzung. Womit das Kultur-Testzentrum wieder ins Spiel kommt. Unmittelbar vorher – online wird ein Timeslot gebucht – wird kostenfrei getestet. Während der Besucher von dort weiter nach Losheim am See fährt, wird das Testergebnis auf das Smartphone übermittelt. Nach der Einweisung auf den Parkplatz werden sowohl die Sitzplätze als auch die Plätze auf der Picknickwiese zugewiesen. Dieser Plan lässt sich nur durch eine digitale Erfassung der Besucher realisieren und ist auch wegen einer möglichen Kontaktnachverfolgung notwendig. Das Kultur-Testzentrum wird vom „Gesundheitsamt des Landkreises Merzig-Wadern regelmäßig und überraschend besucht", berichtet Arnold, um deutlich zu machen, dass Sicherheit Priorität hat. Das Hygienekonzept gilt auch für die Kammermusiktage und das Musical.
„Der Kultur-Campus ist ein Versprechen"
„Das Musical ‚Jekyll & Hyde‘ musste ja letztes Jahr abgesagt werden", behaupte ich. Joachim Arnold korrigiert prompt: „Verschoben!" Und setzt sogleich nach, um jeglicher Spitzfindigkeit zuvorzukommen: „Ich habe das Stück nicht abgesagt, ich habe es verschoben. Ich habe es auch den Künstlern versprochen. Ich habe noch nie was abgesagt! Ich habe es mir selbst auch versprochen. Es gibt eine psychologische Komponente dabei: Wir haben das letztes Jahr vorgehabt. Wir wollen das Stück machen. Es geht weiter! Nach der Pause machen wir das, was wir vorgehabt haben." Gut gebrüllt, Löwe!
Mit dieser Entschlossenheit lässt sich die Neuproduktion angehen und das Musical Open-Air tauglich umdenken. Die Regie hat Andreas Gergen übernommen – der Hausregisseur. Das Musical „Jekyll & Hyde" basiert auf der Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" von Robert Louis Stevenson. Die Geschichte spielt im viktorianischen Zeitalter im düster-nebligen London. „Das Künstlerkollektiv Fett-Film zaubert mit einer lichtstarken LED-Wand eine Traumwelt", verspricht Arnold. Die Romanvorlage thematisiert die Persönlichkeitsspaltung eines Wissenschaftlers, der mordet. Schauriges in lauen Sommernächten? Arnold lässt sich nicht beirren: „Jeder hat eine Schattenseite. Jeder, der ehrlich mit sich umgeht, weiß, dass er eine dunkle Seite hat." Hätte man nicht etwas Heiteres bedurft? Arnold weiß es besser: „Ich find’ das klasse! Der Kampf dieses Menschen Dr. Jekyll, seine andere Seite zu besiegen – wir brauchen spannende Geschichten, wir wollen emotionalisiert werden!"
Zwölf Akteure studieren mit dem Regisseur Gergen, dem Choreografen Till Neu und dem musikalischen Leiter Marc Seitz das Musical ein. Die Kostümbildnerin Ulli Kremer hat oft mit ihren Kreationen in Merzig beeindruckt – mutmaßlich gelingt es ihr erneut. Die sieben Musiker der Liveband werden auf der Bühne der Freiluftarena Saar die Merziger Nächte rocken.
Der Standort der neuen Freiluftarena Saar wurde auf dem Areal des Merziger Zeltpalastes wohlweislich gewählt – das zeigen Drohnenaufnahmen eindrucksvoll. Entstanden ist „ein großzügiger, ebenerdiger, barrierefreier Campus", jubelt Arnold. „Ich bin sehr zufrieden, ich bin so erleichtert", setzt er hinzu. „Ich denke die ganze Zeit darüber nach, wie man das weiterentwickeln kann. Das wird uns viele neue Möglichkeiten eröffnen. Der Kultur-Campus ist ein Versprechen in die Zukunft."
Nach der Pause geht es weiter. Aber da kommt noch mehr …