Gil Kunkel ist seit Kurzem Handball-Nationalspieler. Der 15-Jährige vom SV 64 Zweibrücken feierte jüngst sein Debüt in der U17-Auswahl und erzielte sogar schon sein erstes Tor. Perspektivisch will er wie sein großer Bruder Yves vom MT Melsungen Handballprofi werden.
Es war echt krass, ein richtig gutes Gefühl", beschreibt Handballer Gil Kunkel seine Eindrücke vom ersten Lehrgang mit der U17-Nationalmannschaft. Der 15-jährige Linkshänder vom SV 64 Zweibrücken wurde nämlich vor Kurzem erstmals zu einem Lehrgang eingeladen und kam im Rahmen des Vier-Nationen-Turnieres der Ruhr-Games zu seinen ersten Länderspieleinsätzen. Beim knappen 27:25-Auftaktsieg gegen Polen gelang dem B-Jugendspieler vier Minuten vor dem Abpfiff das vorentscheidende Tor zur 26:24-Führung. Auch bei der 24:27-Niederlage gegen Frankreich durfte Kunkel ran. Nach dem 32:29-Sieg über Ungarn belegte Deutschland hinter Ungarn den zweiten Platz der Abschlusstabelle. „Es war anstrengend, aber es hat auch viel Spaß gemacht", resümiert Kunkel.
Der Spaß ist es auch, der ihn überhaupt erst zum Handball brachte. Und seine handballverrückte Familie. Papa Uwe war früher Trainer von Gils großem Bruder Yves bei der HSG Völklingen. „Dadurch war ich samstags immer wieder in der Halle dabei, habe mir die Spiele angeschaut. und mir hatte es immer gut gefallen", erinnert sich Gil, der vor allem von nervenaufreibenden, emotionalen Spielen fasziniert war und es immer noch ist: „Es war schon cool zu sehen, wie gut das mein Bruder gemacht hat, und irgendwann habe ich mir gesagt: Ich will das auch können." Damals war Gil drei Jahre alt. Yves ist inzwischen 27 Jahre alt, steht bei Bundesligist MT Melsungen unter Vertrag und hat drei A-Länderspiele absolviert. Klar, dass Gil oft auf sein großes Vorbild und dessen Fußstapfen angesprochen wird. „Manchmal ist es auch nervig, aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Es wäre aber schöner, wenn bald nur noch von den Brüdern die Rede ist und nicht ‚Du bist doch der Bruder von‘", gibt Gil zu. Seinen Platz in der U17-Nationalmannschaft hat er sich ja auch selbst erarbeitet. Bis 2018 spielte Gil Kunkel in Völklingen, dann folgte der Wechsel in die Talentschmiede des SV 64 Zweibrücken, mit dem er seither reihenweise Spiele gewinnt. Auch mit der Saarauswahl durfte er schon besondere Erlebnisse sammeln. Beispielsweise 2019, als sein Jahrgang der erste seit Jahren war, der mal wieder den Ländervergleich beim Walter-Laubersheimer-Gedächtnisturnier in Bellheim gewinnen konnte. „Das war schon ein cooles Gefühl. Vor allem, weil das letzte Spiel richtig intensiv war. Ich selbst habe da leider eine Rote Karte kassiert", erzählt er, „Es war einfach ein nervenaufreibendes Spiel." Und die liebt er ja so.
Schnell und ausdauernd
Gil Kunkels größte Stärke ist die herausragende Athletik: Er ist schnell und ausdauernd, was ihm insbesondere auf Rechtsaußen zugutekommt. Auf dieser Position wurde er in der Nationalmannschaft eingesetzt. Im Verein spielt er überwiegend halbrechts, also im Rückraum. „Im Moment macht es mir im Rückraum am meisten Spaß. Einfach, weil man auf Außen viel weniger Bälle bekommt", gibt er mit einem Augenzwinkern zu, „Aber vor allem wenn es ums Tempospiel geht, macht es mir außen natürlich auch Spaß. Nach einem Gegenstoß in der Luft zu stehen und den Ball zu versenken, ist genau mein Ding." Auf welche Position er sich spezialisieren wird, bleibt abzuwarten. Hier spielt auch die körperliche Entwicklung eine Rolle. Unabhängig, von wo aus er zum Wurf ansetzt, würde er am liebsten in der Schlussphase eines heiß umkämpften Spiels in einer ausverkauften Halle den alles entscheidenden Treffer erzielen. Dieses Gefühl war ihm nämlich bisher noch nicht vergönnt – auch wegen der Restriktionen in der Corona-Pandemie.
Woran er noch arbeiten muss, weiß Gil Kunkel ganz genau. „Ich muss noch mehr Wurfvarianten trainieren, vor allem Trickwürfe für den Torabschluss. Ich will den Torwart besser lesen können, um zu wissen, was ich am besten mache, um ein Tor zu erzielen", erklärt er. Ungeachtet der Fußstapfen-Metapher ist es ganz hilfreich, einen großen Bruder mit ähnlichen Anlagen und mehr Erfahrung an der Hand zu haben. „Er gibt mir gute Tipps und zeigt mir Übungen, mit denen ich mich verbessern kann. Die mache ich dann auch immer", sagt Gil. Wenn nicht gerade Pandemie ist oder ein eigenes Spiel ansteht, besucht Gil mit seinen Eltern gerne die Spiele seines Bruders. Ohnehin haben die beiden ein sehr gutes brüderliches Verhältnis – trotz oder wegen des relativ großen Altersunterschieds von elf Jahren. „Wir sind uns echt nah und telefonieren regelmäßig. Er macht sich zwar ab und zu lustig über die Art, wie ich rede, aber wir verstehen uns ansonsten sehr gut", verrät Gil lachend. In verständlichem Deutsch – nicht etwa in für Ältere befremdlicher Jugendsprache. „Zunächst einmal ist er Linkshänder. Das bringt ja schon einige Eigenarten mit sich", scherzt Yves und schiebt nach: „Außerdem ist er etwas verpeilt." Beim Thema Handball aber sieht er seinen kleinen Bruder als „sehr talentiert und sehr fleißig. Ich bin, wie die ganze Familie, richtig stolz auf ihn und freue mich, dass er seine ersten Länderspiele machen konnte. Ich hoffe, dass wir bei seinen nächsten Spielen im Nationaltrikot live in der Halle dabei sein können", sagt Yves und ergänzt: „Ich bin gespannt, wie es bei ihm weitergeht. Seine Karriere beginnt ja erst, und er hat noch einen langen Weg vor sich. Aber wenn er weiter so fleißig bleibt und an sich arbeitet, bin ich guter Dinge, dass er es schafft."
„Er hat noch einen langen Weg vor sich"
Im Verein, in seiner Schule, dem Sportgymnasium am Rotenbühl in Saarbrücken und in der Saarauswahl wird Gil Kunkel entsprechend gefördert. Das Abitur bezeichnet er als „Grundbaustein" seiner sportlichen Karriere, die wiederum einen vollen Zeitplan mit sich bringt: Morgens wird Gil von Fürstenhausen nach Saarbrücken zur Schule gefahren, nach Unterrichtsschluss geht es im Normalfall viermal pro Woche gleich weiter zum Training nach Zweibrücken. Das Auswahltraining an der Landessportschule kommt noch obendrauf. Wenigstens sind derzeit die Wochenenden weitestgehend spielfrei. Um zu entspannen, unternimmt Gil Kunkel viel mit seiner Freundin Rebecca, die selbst bei den HF Köllertal Handball spielt. „Wir haben auch einen Pool, und sobald es warm ist, bin ich dort zu finden und höre ein bisschen Musik", sagt er. Vorausgesetzt, es läuft zeitgleich kein Fußball-EM-Spiel. Ob Gil im kommenden Jahr selbst zu einem EM-Spieler wird, entscheiden die U17-Bundestrainer Jochen Beppler und Erik Wuttke kurz vor der U17-EM 2022.
Bis dahin wird er bei seinen Eltern in Fürstenhausen wohnen, in Saarbrücken zur Schule und für den SV 64 Zweibrücken auf Torejagd gehen. Mit seiner Mannschaft hat sich Gil Kunkel das Ziel gesteckt, in der kommenden Saison in der RPS-Oberliga ganz vorne mitzuspielen. „Wir wollen zur Deutschen Meisterschaft fahren und das geht nur, wenn wir mindestens Zweiter werden", erklärt Kunkel und stellt klar: „Ich will sehen, wie wir uns im bundesweiten Vergleich schlagen." Als Kaderspieler darf er mit 16 Jahren, also nach seinem Geburtstag am 31. August, auch in der Drittliga-Herrenmannschaft des SV 64 Einsatzzeit sammeln. Alles, um irgendwann einmal in die Fußstapfen… oder besser: neben die Fußstapfen seines Bruders zu treten, um dort vielleicht noch größere Abdrücke zu hinterlassen. Mit der Frage „Sind Sie nicht der Bruder von Gil Kunkel?" könnten sicher beide Brüder aus der handballverrückten Familie ganz gut leben.