Zwölf junge Menschen dürfen sich nun Tanzmentoren nennen. Was und wen sie mit der Zertifizierung erreichen können, erklärt Seraina Stoffel, Künstlerische Leiterin der Landesarbeitsgemeinschaft Tanz im Saarland.
Point! Point! Auf! Ab!", ruft Marc Lahutta. „Ah, jetzt kommt die Zeitlupe", sagt er zufrieden. Dann beendet die zwölfköpfige Truppe ihre Choreografie, verharrt ganz showmäßig kurz in ihrer Position und nimmt den Applaus des Trainerteams entgegen. Lahutta gibt noch einen Tipp mit auf den Weg: „Wenn ihr verkackt, verkackt ihr – aber trotzdem immer lächeln." Der Inhaber der Tanzschule „Move On! Dance Studio" in Dillingen ist einer der Ausbilder der Tanzmentoren, die am ersten Juni-Wochenende in St. Wendel ihre Abschlusspräsentation vorführten.
Der Verein Landesarbeitsgemeinschaft Tanz im Saarland (LAG) bietet diese Tanzmentoren-Ausbildung einmal im Jahr an, wie die Künstlerische Leiterin Seraina Stoffel erklärt. Die Förderung durch das Ministerium für Bildung und Kultur sowie die Unterstützung durch das Ballett des Saarländischen Staatstheaters unterstreichen die hohe Qualität, die dort vermittelt wird. Seit 2013 haben bereits rund 100 Schülerinnen und Schüler die Ausbildung erfolgreich absolviert, wie die Künstlerische Leiterin stolz erläutert. Zwölf sind es in diesem Jahr, die ihr Zertifikat in die Höhe strecken dürfen. Beworben hatten sich im Oktober ursprünglich 17 junge Leute im Alter zwischen 15 und 23 Jahren. Doch: „Eine gewisse Grunderfahrung sollte Voraussetzung sein. Wir wollen aber auch niemanden demotivieren", sagt sie.
„Grunderfahrung ist Voraussetzung"
Die Leidenschaft bei Seraina Stoffel für ihre Profession ist ihr deutlich anzumerken. Kein Wunder: Sie ist nicht nur Künstlerische Leiterin bei der Landesarbeitsgemeinschaft Tanz im Saarland, sie ist Diplom-Tanzpädagogin, hat einen Master of Advanced Studies (MAS) Tanz-Kultur, ist Leiterin der Plattform 3, Zentrum für Tanz und Musik in Saarbrücken, unterrichtet an der Hochschule für Musik Saar und lebt schlicht für ihre Leidenschaft. Denn, so sagt sie ganz sachlich: „Tanz ist relevant."
Erfahrung scheint in diesem Jahr auf jeden Fall vorhanden gewesen zu sein. „Es sind sehr unterschiedliche Level", bringt es Marc Lahutta auf den Punkt, der den Nachwuchstänzern Hip-Hop beibrachte. Das ist natürlich ohnehin gerade angesagt, und die zehn jungen Tänzerinnen und zwei jungen Tänzer danken es mit einem kleinen Wirbelsturm hier in der Tanzschule Stage in St. Wendel. Sie hüpfen hoch, landen laut wieder auf dem Boden, machen Robot-Moves und lassen Freestyle-Elemente wie Drehungen auf dem Boden mit einfließen. „Das Stück war Party und Freude", schiebt er lachend nach. „Ein sehr schöner Jahrgang hat sich da zusammengerauft", sagt er.
Wegen Corona war natürlich auch bei der Tanzmentoren-Ausbildung so einiges anders als in regulären Zeiten, wie Seraina Stoffel erklärt. Denn wo es normalerweise Präsenzunterricht gibt, wurde diesmal ein Mix aus Online- und Präsenzunterricht umgesetzt. In den sieben Monaten, die seit der Bewerbung mit Vortanzen ins Land gingen, eigneten sich die jetzigen Mentoren ein breites Repertoire an Tänzen an. Mit dabei sind Ballett, Modern Dance, Release-Technik, Bodypercussion und eben Hip-Hop. An theoretischem Wissen wurde Anatomie, Tanzdidaktik, Choreografie und Tanzgeschichte studiert. Obwohl die Wochenenden arbeitsintensiv und der Online-Unterricht sehr anstrengend gewesen seien, sei die Stimmung als durchweg motiviert, kollegial und gut gelaunt zu beschreiben, wie sie sagt.
Nicht jede Bewegung sitzt zu 100 Prozent
Das spiegelt sich auch während der Abschlusspräsentation wider. Die jungen Leute, die aus dem ganzen Saarland kommen, von Merzig über Neunkirchen bis nach Saarbrücken, steigen lachend und scherzend über die ausgebreitete Technik und füllen den Nebenraum der St. Wendeler Tanzschule mit Leben – fast wie in normalen Zeiten fühlt sich dieser Samstag an. Aber eben nur fast. Denn aufgrund von Corona entfällt der Abschluss an seiner üblichen Örtlichkeit – in der Landesakademie für musisch-kulturelle Bildung in Ottweiler –, und stattdessen wich man eben nach St. Wendel aus. Normalerweise wären auch Zuschauer vor Ort, was dieses Jahr so natürlich ebenfalls nicht geht. Stattdessen wird alles professionell auf Video mitgeschnitten und später auf der LAG-Internetpräsenz zum Anschauen hochgeladen. Auch die zwölf Teilnehmer erhalten eine Kopie. „Damit sie eine Erinnerung haben", wie Seraina Stoffel sagt.
Natürlich sind die wenigsten der Teilnehmer Profis, weswegen selbstverständlich nicht jede Bewegung zu 100 Prozent sitzt. Gerade beim Ballett macht die Künstlerische Leiterin eine gewisse Müdigkeit aus. Das sei aber nicht schlimm und nur verständlich, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits einen guten halben Tag mit voller Power im Rücken haben. „Manchmal muss man etwas wiederholen", sagt sie denn auch verständnisvoll. Am Abschlusstag wird nicht nur der Körper, sondern auch der Geist angestrengt. Im Fach „Vorbereitung und Durchführung einer Veranstaltung" wird die Abschlusspräsentation als Praxisaufgabe organisiert. Man schreibt Texte, macht Fotos, setzt sich mit formalen und rechtlichen Aspekten und vielem mehr auseinander.
Sie haben also viel gelernt, die neuen Tanzmentoren, haben gemeinsam ihren Horizont erweitert, obwohl sie aus ganz verschiedenen Tanzrichtungen kommen. Sie haben im Team und unter Anleitung ihre eigenen Choreografien in allen Tanzfächern erarbeitet und für die Nachwelt festgehalten. Sie haben zusätzlich eigene erste Tanzstücke unter der Überschrift „That’s me" erstellt, die in das Programm einfließen. Gemeinsam haben sie neue Bereiche der Kunstform Tanz kennen und schätzen gelernt und ihre individuellen Fähigkeiten erweitert. Doch was kann man als Tanzmentor denn nun eigentlich machen?
Man kann eigene AGs und Workshops leiten
Man kann sein Wissen beispielsweise weitergeben, wie Seraina Stoffel erklärt. Dafür kann man unter anderem an Schulen gehen und eigene AGs oder Workshops leiten und so den Funken für die Kunstform Tanz auf andere zu übertragen versuchen.
Man kann die Grundlagenausbildung aber auch beispielsweise in Vereinen anwenden beziehungsweise dort anbieten. Man kann aber auch organisatorisch unterwegs sein und beispielsweise die LAG-Leitung bei Veranstaltungen unterstützen. Die Künstlerische Leiterin fügt hinzu: „Das Projektangebot der LAG ist geeignet, Jugendliche auf staatliche Aufnahmeprüfungen im Bereich Tanz vorzubereiten. Zahlreiche Jugendliche haben dieses Angebot bereits wahrgenommen und erfolgreich ein Studium begonnen, beispielsweise als Bühnentänzerin oder Tanzpädagoge."
Übrigens traf man sich nicht nur online und zur Abschlusspräsentation auch persönlich, sondern besuchte auch eine Woche vorher – als dies wieder möglich war – eine Tanzaufführung in Luxemburg. „Traces" von Wim Vandekeybus stand auf dem Programm und Seraina Stoffel befindet: „Ein sehr starkes Stück." Darin wird das Wirken auf die Natur seitens des Menschen künstlerisch untersucht. Gemeinsam fuhr man mit dem Bus und in verschiedenen Autos ans Ziel.