Die aus dem Saarland stammende Singer-Songwriterin Henriette bringt bei „Die Muschel rockt" im Deutsch-Französischen Garten mit ihrer Band Amerika-Country-Pop-Sound auf die Open-Air-Bühne.
Henriette, wie bist Du bisher durch die Ausnahmesituation aufgrund der Corona-Pandemie gekommen?
Verhältnismäßig. Ich denke, es gibt Menschen, Kollegen, die weitaus mehr mit der Situation zu kämpfen haben. Natürlich geht es auch bei mir auf und ab. Der Lockdown light im Oktober hat mich ziemlich niedergehauen, um ehrlich zu sein. Doch unterm Strich versuche ich weiterhin das Positive zu sehen und diese verrückte Zeit als Chance für Neues zu nutzen.
Was war Dein eigentlicher Plan für 2020 und 2021? Wie hast Du Dich stattdessen beschäftigt?
Da ich am 14. Februar 2020 meine Debüt-EP veröffentlicht hatte, war der eigentliche Plan, damit zu touren und die Musik ein bisschen unter die Menschen zu bringen. Sogar ein paar Konzerte in Tokio standen an. Im März war schnell klar: Daraus wird erst mal nichts. Abgesehen von dem Kreativhoch, das Corona mir beschert hat – etwa 50 neue Songs sind bisher fertig – habe ich auch viel Neues ausprobiert: als freiberufliche Texterin, Songschreiberin für andere Künstler, Trauerrednerin, Vocalcoach – all das gehört jetzt auch zu meinem Lebenslauf.
Also sind die letzten Monate für Dich keine verlorene Zeit – Du konntest dennoch Deine Karriere voranbringen?
Auf jeden Fall. Kreativ gesehen war es für mich bisher wie ein geschenktes Studienjahr. Wann hat man schon so viel Zeit, in sich hineinzuhören und sich von der Muse treiben zu lassen? Auch die bisher unentdeckten Bereiche, die ich eben genannt habe, finde ich echt spannend. Das hätte ich ohne Corona garantiert nicht entdeckt. Die Schattenseite ist natürlich die Sorge um Morgen, um die Kunst und ums große Ganze. Das zermürbt manchmal. Aber auch da möchte ich mich nicht beschweren. Ich hatte die Möglichkeit, in der Krise drei neue Songs rauszubringen und weiter am Ball zu bleiben, hatte viele Menschen, die mir geholfen haben und ohne die ich das nicht geschafft hätte. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wie andere Künstler hast Du den Lockdown zum Songschreiben genutzt. Da Du unter anderen mit Songschreibern in den USA zusammenarbeitest, war das sicherlich eine ganz neue Erfahrung?
Ein Hoch auf die Technik, sage ich da nur. Ohne Zoom wäre das nicht möglich gewesen. Und das stimmt: Diese Erfahrung war absolut verrückt. Normalerweise ist man mit seinen Co-Songschreibern in einem Raum, trinkt Kaffee oder ein Bierchen, unterhält sich und schreibt dann einen Song. Mit Zoom bekam das Ganze auf einmal Konferenzcharakter – zumal es ja auch sieben Stunden Zeitverschiebung bis nach Nashville sind. Das muss man schon genau planen. Manche der Songwriter habe ich auch noch nie persönlich getroffen. Innerhalb eines Zoom-Meetings dann direkt sein Herz für einen Song auszuschütten, war am Anfang gewöhnungsbedürftig. Trotz alledem haben wir versucht, uns voll und ganz darauf einzulassen. Das hat mir stellenweise echt den seelischen Hintern gerettet.
Neben „Never Go Back", einem Country-Liebeslied, hast Du vor einiger Zeit den Song „Remember That" veröffentlicht, der Deinem verstorbenen Vater gewidmet ist. Wie war das? Ich kann mir vorstellen, dass man solch einen Song besonders gut machen will …
Da hast du vollkommen Recht, das ist natürlich ein sehr zerbrechliches Gebiet. Auf der anderen Seite ist das Thema auch wieder so persönlich, dass man fast nichts falsch machen kann. „Remember That" habe ich 2019 in Nashville mit Adam Ollendorff geschrieben. Ich hatte die Songidee schon lange im Kopf und hatte das Gefühl, dass er der richtige Co-Writer dafür ist. Adam ist ein unheimlich talentierter und sensibler Mensch, er hört zu, versteht, drängt sich nicht auf. Ich konnte mich bei ihm komplett fallen lassen. Für den Song haben wir etwa drei Stunden gebraucht und dann nachts um halb zwölf etwa noch das Demo aufgenommen. Die Botschaft des Songs ist, neben der sehr persönlichen Vater-Tochter-Geschichte, dass man singen soll, wenn es einem schlecht geht. Diese Message passte einfach so gut in diese verrückte Zeit, dass ich beschloss, „Remember That" um die Weihnachtszeit 2020 rauszubringen. Ich wollte die Welt ein bisschen damit heilen.
„Masterpiece" ist die dritte Single, die jüngst erschienen ist. In dem Song geht es um Deine Mobbingerfahrungen. Kannst Du etwas zur Geschichte dahinter erzählen?
Vor zwei Jahren hatte ich eine Erfahrung mit jemandem, die mich echt Nerven gekostet hat. Manchmal kann man ja einigermaßen nachvollziehen, warum man gemobbt wird. Nicht, dass es das besser macht, aber man kann irgendwie verstehen, was deren Problem ist. Bei ihm verstand ich es nicht. Es war einfach, weil ich ich war. Weil ich lachte, wie ich lachte. Weil ich performte, wie ich performte. Weil ich für ihn nicht von Wert war, er aus mir keinen Nutzen ziehen konnte. Weil ich uncool war, keine Drogen nahm, wenig Alkohol trank. Er behandelte mich stellenweise wie Dreck, und manchmal musste ich hart dagegen ankämpfen, mich nicht so zu fühlen. „Masterpiece" ist dann ein halbes Jahr nach dieser Erfahrung zusammen mit meinem Co-Writer Adam Hood entstanden.
Trotz Corona gibt es auch einen Lichtblick in Sachen Konzerte: Du wirst – nach aktuellem Stand – in der Reihe „Die Muschel rockt" im Deutsch-Französischen Garten auftreten – mit Band. Wer wird Dich begleiten?
Mit Band vor echtem Publikum spielen zu können, erscheint einem nach der Zeit der Garten- und Autokino-Konzerte fast wie ein Wunder. Es ist toll, dass die Stadt Saarbrücken solch ein Event möglich macht. Mit dabei habe ich fünf hochkarätige Musiker, die echtes Nashville-Feeling in die saarländische Landeshauptstadt zaubern werden. Einer von ihnen ist beispielsweise mein Studienkollege Hendrik Sieber, den viele als Bassist von Michael Patrick Kelly oder Jeanette Biedermann kennen. Hoffen wir, dass alles wie geplant stattfinden kann und wir die Zuschauer musikalisch in die USA entführen können.
Planst Du bereits eine weitere Veröffentlichung?
Ja, ich plane derzeit die Veröffentlichung meiner nächsten Single „Dear Shadow". Sollte alles so laufen, wie ich es mir wünsche, kommt der Song im Frühsommer raus. Ich denke, er wird für alle eine kleine Überraschung sein, denn er klingt ein wenig anders als meine bisherigen Songs. Geheimnisvoller, mystischer und kraftvoll. Eine Seite, die man bisher in dieser Form von mir noch nicht gehört hat. (lacht)