Der französische Präsident Emmanuel Macron liebt das Denken in großen Räumen. Mit seinen Weltraumplänen unterstreicht er einen Machtanspruch. Dabei baut er auf ein langes Engagement seines Landes in Sachen Weltraumpolitik.
Im Prinzip fürchten unsere gallischen Nachbarn nur, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Das ist allerdings unmöglich, was Asterix und Co. vor rund 2.000 Jahren wohl aber nicht so genau wissen konnten. Nichtsdestotrotz gibt es Dinge, die aus dem Himmel auf die Erde stürzen können wie Asteroiden oder neuerdings zunehmender Weltraumschrott von ausgedienten oder von der Umlaufbahn abgekommenen Satelliten. Hinzu kommt eine ganz neuartige Bedrohung aus dem Weltraum. Nicht etwa durch Außerirdische, sondern durch das Militär. Während unsere gallischen Freunde Asterix und Obelix sich dank ihres Zaubertranks noch mit einer Heerschar römischer Legionäre Mann gegen Mann rumprügelten, sitzen die heutigen modernen Feldherren fernab des Kriegsgeschehens am Computer und lenken ihre Waffen ferngesteuert per Satellit aus dem Orbit millimetergenau ins Ziel.
Beim Teutates! Glück für die, die auf der Seite der führenden Weltraumnationen stehen. Neben den Vereinigten Staaten, Russland, den aufstrebenden Ländern China und Indien gehört auch die EU dazu, allen voran Frankreich, wo die Raumfahrt einen weitaus höheren Stellenwert besitzt als beispielsweise in Deutschland. Schon zu Beginn der 60er-Jahre schickten sich unsere französischen Nachbarn unter Staatenlenker Charles de Gaulle an, ein eigenes Weltraumprogramm auf die Beine zu stellen. Mit dem eigenen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ganz in der Nähe des Äquators verfügt Frankreich seit jeher über ideale Voraussetzungen, Trägerraketen vom Typ Ariane mit Satelliten, ob nun zur Wetterbeobachtung, für Kommunikations- oder reine Forschungszwecke oder zur Verteidigung, ins Weltall zu schießen. Wohl wissend, dass Weltraumabenteuer sehr kostspielig sind und Partner bedürfen, sieht Frankreich sich als Motor für eine europäische Zusammenarbeit in der Weltraumforschung und -nutzung. Die Europäische Weltraumbehörde Esa aus dem Jahr 1975 gilt als Meilenstein. Gleiches gilt für Eutelsat im Bereich Telekommunikation oder Eumetsat in der Meteorologie. Freilich auf sich warten lässt noch das europäische Navigationssystem Galileo, das dem amerikanischen System GPS irgendwann mal Konkurrenz machen soll. Wann genau, das steht noch in den Sternen.
Längst hat sich Frankreich eine Weltraumstrategie zugelegt, die von keiner Regierung und keinem Präsidenten in den letzten 30 Jahren nur ansatzweise infrage gestellt wurde. Dass diese Strategie nicht nur Weltraumromantikern auf der Suche nach anderen Leben in fernen Galaxien dient, sondern knallharten Wirtschaftsinteressen, liegt auf der Hand. Inzwischen hat sich in Frankreich eine Weltraumindustrie mit weit über 15.000 qualifizierten Arbeitsplätzen etabliert mit Zentrum in Toulouse. Dort befindet sich die französische Weltraumagentur CNES. Toulouse ist nicht nur Sitz der Flugzeugindustrie von Airbus, sondern beherbergt auch große Rüstungskonzerne wie EADS aus der Airbus-Gruppe oder Dassault.
Die traditionellen Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft haben mit dem Verteidigungskommando für den Weltraum 2019 Zuwachs bekommen. Rund 3,6 Milliarden Euro sind im französischen Fünfjahresplan der Rüstungsinvestitionen im Weltraum bis 2025 vorgesehen. Damit sollen nach dem Willen des Oberbefehlshabers der Streitkräfte, Emmanuel Macron, zusätzliche Abhörsatelliten und Satelliten zur Radarüberwachung zum Einsatz kommen. Sein Ziel: die strategische Autonomie Frankreichs für die Verteidigung im Weltraum voranbringen, denn bereits 2017 hatte sich ein russischer Militärsatellit einem französischen bedenklich genähert. Solche Spionage-Attacken sollen künftig abgewehrt werden. Satelliten fliegen je nach Auftrag in einer Höhe zwischen 200 und 36.000 Kilometer und können riesige Datenmengen schnell und weltweit übertragen oder eben auch ausspionieren oder mittels Funkstörsystemen außer Kraft setzen. Außerdem möchte Macron mit den ganz großen Weltraumnationen zumindest als ernst zu nehmender Partner mitreden können. Ob Frankreich allerdings eine von der Nato unabhängige Weltraumstrategie benötigt, wird von Kritikern bezweifelt. Allerdings stehen die französischen Streitkräfte nicht unter dem Oberbefehl der Nato, obwohl Frankreich Mitglied des Atlantischen Verteidigungsbündnisses ist.
In der ersten Liga der Weltraum-Nationen
Aber nicht nur das Militär ist zunehmend abhängiger von der Weltraumtechnologie für Aufklärung, Kommunikation und Spionage. Vernetzte Satelittensysteme, Navigationssysteme, schnelles Internet aus dem All zur weltweiten Vernetzung der Fabriken im Zeitalter von Industrie 4.0, Katastrophenprävention, Klimaforschung, Vermessungen aus dem Weltraum, all das sind zukunftsträchtige und vor allem lukrative Einsatzfelder für Weltraumtechnologie. Da möchte Frankreich einfach in der ersten Liga der Weltraumnationen mitspielen und das Feld nicht nur Amerikanern, Russen und Chinesen überlassen.
Rechtliche Grundlage bildet der Weltraumvertrag, der 1967 unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen abgeschlossen wurde und dem bis Mitte 2019 rund 110 Staaten beigetreten sind. Die grundlegende Idee dabei ist das „gemeinsame Interesse der gesamten Menschheit an der fortschreitenden Erforschung und Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken". Besitzansprüche einzelner Staaten gibt es nicht, auch wenn Länder wie die USA, Österreich oder Luxemburg bereits Anspruch auf die Gewinnung von Rohstoffen im All vertraglich geregelt haben, was unter Fachleuten höchst umstritten ist. Im Prinzip ist das nichts anderes als eine Privatisierung des Weltraums auf Staatenebene.
Vielversprechender und nützlicher ist die Erarbeitung von Abwehrstrategien von extraterrestrischen Bedrohungen. Dazu zählen der Schutz von Satelliten durch Weltraummüll genauso wie Meteoriten oder Asteroiden, die der Erde bedenklich nahekommen können. Auf diesem Feld arbeiten Esa, Nasa und andere Organisationen an gemeinsamen Abwehrmissionen zusammen.
Dabei geht es vor allem darum, Satelliten vor Kollisionen zu schützen, gefährliche Objekte aufzuspüren und sie gegebenenfalls zu beseitigen oder umzulenken.
All diese Aspekte finden sich auch in der französischen Weltraumstrategie wieder. Denn neben der angestrebten Autonomie in puncto Verteidigung und Sicherheit sowie der Forschung geht es für Frankreich im Weltraum um Industriepolitik und zukunftsträchtige Geschäftsfelder. Gekämpft wird mit allen Mitteln und Bandagen wie eh und je. Nur der Ort des Geschehens ist mit dem Weltall ein anderer.