Mitten im anlaufenden Bundestagswahlkampf wird die AfD von ungeklärten Spendengeldern gestört. Angeblich soll ein ganzer Trupp von Millionären die Partei finanzieren. Ex-Chefin Frauke Petry stimmt ein „Requiem" auf ihre ehemalige Partei an.
Das Treffen findet unter höchst konspirativen Umständen in einem Berliner Bürogebäude im Regierungsviertel statt. Ein AfD-Bundestagsabgeordneter mit Perücke, großem Mundschutz, Sonnenbrille und Kapuzenpulli sitzt vor einem Laptop. Er wird nur von hinten gefilmt, über seine Hände sind klinische Gummihandschuhe gezogen. So sollen keine verräterischen Fingerabdrücke von ihm auf der Tastatur zurückbleiben. Ein Reporter befragt das verkleidete Wesen vor dem Rechner, dieses schreibt die Antworten auf den Laptop, der Reporter liest die Antworten dann vor. Was nach Reporter-Klamauk aus den Unzeiten des Privatfernsehens Ende der 90er-Jahre klingt, lief so Ende Juni dieses Jahres als „Enthüllungsreportage" in der ARD. Die Inszenierung sollte die Dramatik um geheimnisvolle Geldgeber unterstreichen.
Ganz so dick muss man nicht auftragen, um einen Eindruck von den merkwürdigen Parteispenden und ihren Gönnern zu vermitteln. Ganz offensichtlich erfreut sich die Alternative für Deutschland seit ihrer Parteigründung 2013 über eine sehr illustre Reihe von Spendern. Mitte Juni hat gerade erst das Verwaltungsgericht Berlin eine Strafzahlung der Bundestagsverwaltung von 396.000 Euro bestätigt, da eine Parteispende von 132.000 Euro nicht der Bundestagsverwaltung gemeldet wurde. Das Geld stammt laut Kontoauszügen vom Schweizer Pharmahersteller „PWS Pharma-Whole-Sale International AG" und wurde an die Co-Fraktionschefin im Bundestag, Alice Weidel, überwiesen. Die hatte das Geld zwar wieder zurücküberwiesen, allerdings hätte Weidel, beziehungsweise die AfD-Bundespartei, die Spende trotzdem der Bundestagsverwaltung melden müssen, so die Berliner Verwaltungsrichter in ihrem Urteil. Das Urteil zur Strafzahlung von fast 400.000 Euro trifft die AfD zur absoluten Unzeit, auch wenn es noch nicht rechtskräftig ist. Eine Woche später lief parteiintern eine Spendenkampagne für die Bundestagswahl an. In der Bundesgeschäftsstelle am Rande des Berliner Tiergartens, von wo aus die Spendenaktion organisiert wird, herrscht Irritation. „Wir rufen zu Parteispenden unter den Mitgliedern auf und gleichzeitig könnte es sein, das wir fast 400.000 Euro Strafe für eine illegale Parteispende zahlen müssen. Da werden sich die Parteifreunde kaum dafür begeistern, Geld zu spenden, das dann an die Bundestagsverwaltung wegen einer Großspende aus der Schweiz zurückgezahlt werden muss", bringt es ein leitender Mitarbeiter in der Bundesgeschäftsstelle gegenüber FORUM auf den Punkt. Eingetütet hat diese folgenschwere Spende offensichtlich die Schweizer Werbeagentur Goal AG unter der Leitung von Alexander Segert. Kein Unbekannter in „patriotischen Kreisen", unterstützte der gebürtige Hamburger mit heutigem Wohnsitz bei Zürich doch jahrelang unter anderem die Schweizer Volkspartei bei ihrem rechtspopulistischen Ansinnen. Weitere genannte Spender entpuppten sich als Fehlinformation, sie gaben auf Nachfrage an, mit den Spenden an die AfD nichts zu tun zu haben. Nun wird ein weiterer Millionär als anonymer Spender vermutet.
Plausible Indizien, wenig Beweise
Zu allem Überfluss meldete sich dann auch noch die ehemalige AfD-Bundesprecherin Frauke Petry mit einem Buch aus der politischen Versenkung zurück, das sicher nicht zufällig zum Start in den Bundestagswahlkampf präsentiert wurde. Die inzwischen Parteilose hatte Hals über Kopf nach der Bundestagswahl im Winter 2017 die AfD-Bundestagsfraktion verlassen und „Die Blaue Partei" gegründet, aus der sie nun auch schon wieder ausgetreten ist. Doch Petry will noch mal ordentlich mit der AfD abrechnen. Ihr Fazit gegenüber FORUM: „Da sind viele gekaufte Leute in der Bundestagsfraktion, die direkte Zahlungen angenommen haben." Frauke Petry nennt Namen: Alice Weidel, Jörg Meuthen, Nikolaus Fest oder Guido Reil.
„Ein Mann wie Reil, der aus der SPD kommt, vertritt plötzlich Positionen des Flügels in der AfD. Ich weiß, dass auch er Wahlkampfspenden für den Europawahlkampf bekommen hat und nur so der Sinneswandel zustande gekommen sein kann", so Petry. Einer der Spender hier soll der Milliardär August von Finck aus München sein, der als Parteispender schon bei der FDP und der CSU politische Geschichte geschrieben hat. Legendär ist die sogenannte „Mövenpick-Steuer" nach der Bundestagswahl 2009. Damals soll es der heute 91-jährige Milliardär gewesen sein, der den damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle von der Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent im Hotelgewerbe überzeugt haben soll. Westerwelle setzte es durch, die FDP erhielt den spöttischen Beinamen einer „Mövenpick-Partei". Es folgte der Absturz der Liberalen bei der Bundestagswahl 2013, die mit ihren 4,8 Prozent dann nicht mehr im Bundestag vertreten waren. Die AfD, die damals zum ersten Mal antrat, wurde fast gleich stark (4,7 Prozent).
Ironie an der Geschichte: August von Finck ist bereits zu diesem Zeitpunkt ein Spender der AfD. Für Frauke Petry ein klarer Hinweis, dass Milliardäre in der Politik keine sonderlichen moralischen Hemmungen hätten. Es geht um Einfluss und Machtspiele, „und da ist eine neue Partei immer ein idealer Angriffspunkt, wo man den ein oder anderen mit Geld nicht nur beeindrucken, sondern auch ganz klar beeinflussen kann". Wobei man bei den Petry-Aussagen immer vorsichtig sein muss. Die Erstauflage ihres im Juni veröffentlichten Buch musste komplett eingestampft werden. Im Skript hatte die 46-Jährige einen folgenschweren Fehler eingebaut, anstelle von Milliardär Finck, hatte sie „Flick" geschrieben, was im Eigenlektorat unter Ehemann Marcus Pretzell nicht aufgefallen war. Erst nach dem Druck des Buches gab es mehrere Anfragen, wie Friedrich Karl Flick die AfD mit Spenden hätte beeinflussen sollen. Er starb im Oktober 2006, fast sieben Jahre vor der Parteigründung.Abgesehen von solchen Recherche-Fehlern muss man bei der Suche nach den Finanziers der AfD auch sonst sehr vorsichtig sein, viele Glücksritter sind dort am Start. Da gibt es den Netzwerker Tom Rohrböck, der angeblich die AfD-Bundestagsfraktion mit Spendengeldern im Griff haben und immensen Einfluss auf die Fraktion ausüben soll. Doch dafür gibt es keine belegbaren Beweise, nur sehr viele Mutmaßungen und Gerüchte. Doch genau davon leben solche „Politikberater". Rohrböck soll über ein immenses Netzwerk verfügen, nicht nur in der AfD, sondern auch bei FDP und Union. Der strohblonde Rohrböck aus Hessen soll auch der „Postenmacher" innerhalb der AfD sein, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, aufgrund von diversen Spendengeldern. Belegt, wie gesagt, ist das alles nicht. Rohrböck selbst bezeichnet sich als Journalisten, doch im Berliner Regierungsviertel ist die Person von Presseterminen her nicht bekannt.
FORUM ist es gelungen, einen AfD-Bundestagsabgeordneten ausfindig zu machen, der Tom Rohrböck tatsächlich persönlich kennengelernt hat. Kay Gottschalk berichtet, dass er auf dem Bundesparteitag in Braunschweig 2019 direkt angesprochen worden sei, die Situation sei mehr als obskur gewesen. „Mir wurde angekündigt, dass man einflussreiche, illustre Persönlichkeiten in Österreich kennen würde, die mit großem Interesse die politische Entwicklung in Deutschland verfolgen würden, und ich könnte da auch auf finanzielle Unterstützung hoffen". AfD-Bundestagsabgeordneter Gottschalk lehnt rundheraus ab. „Genau das ist die Einflussnahme, die wir damals wie heute bei den etablierten Parteien kritisiert haben. Doch ich kann nicht ausschließen, dass andere Fraktionskollegen aus dem Bundestag gegenüber Tom Rohrböck nicht so standhaft waren". Das Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Kay Gottschalk fand übrigens ohne Perücke, Kapuzenpulli, Gummihandschuhen oder ähnlichen Accessoires statt.