In Frankreich haben die Regionalwahlen zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl die politische Landschaft neu sortiert. Historisch niedrige Wahlbeteiligung, Wiedergeburt der Bürgerlich-Konservativen, Wahlschlappe für Präsident Emmanuel Macron und satter Dämpfer für die Rechtspopulisten um Marine Le Pen.
Ein knappes Jahr vor den Präsidentschaftswahlen waren die französischen Nachbarn zur Wahl ihrer politischen Vertreter für die 13 Megaregionen und knapp 100 Départements aufgerufen. Ein letzter Stimmungstest für Staatspräsident Macron und für die vermeintliche Herausforderin Le Pen vom Rassemblement National (RN), wie es um sie in der Gunst der Wähler bestellt ist. Überraschend waren neben der sehr niedrigen Wahlbeteiligung von nicht einmal 35 Prozent in beiden Wahlgängen das unerwartet schlechte Abschneiden der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National mit knapp 20 Prozent der Stimmen im Landesdurchschnitt sowie das Wiedererstarken der konservativen Partei Les Républicains (LR) mit über 39 Prozent der Stimmen im zweiten Wahlgang.
Macrons Partei bei fünf Prozent
Dass das Mitte-Rechts-Bündnis La République En Marche (LREM) von Emmanuel Macron keine Bäume ausreißen würde, war von den Meinungsforschern erwartet worden. Mit rund fünf Prozent der Stimmen in den Stichwahlen liegt die Präsidentenpartei LREM allerdings deutlich abgeschlagen hinter den linken Parteien mit 24 Prozent, die sich nach den vielen Wahlschlappen der vergangenen Jahre zumindest wieder im Aufwind sehen und ihre Amtsinhaber in den Regionen vornehmlich im Südwesten und in der Mitte Frankreichs wieder durchbekommen haben. Die Grünen erhielten über elf Prozent, stellen aber keinen Regionalpräsidenten. Allerdings haben in vielen Regionen Politiker von den Sozialisten, Grünen, der Mitte und von den Konservativen ihre Listen fusioniert und ihre Anhänger im 2. Wahlgang dazu aufgerufen, den jeweiligen Kandidaten mit den größten Erfolgsaussichten zu wählen, um die Rechtspopulisten zu verhindern.
Diese Rechnung ist aufgegangen und der RN stellt in den Regionen keinen Präsidenten, selbst nicht im tiefsten Süden Provence-Alpes-Côtes-d’Azur, die als eine der Hochburgen der Rechtsnationalen gilt. Dort schnappte sich der Konservative Renaud Muselier den beim RN schon sicher geglaubten Sieg doch noch im zweiten Wahlgang. Die noch junge Macron-Partei führt ihr schlechtes Abschneiden unter anderem auch auf die nur geringe Verankerung in den Regionen zurück, zeigte sich aber zumindest erfreut darüber, dass die Franzosen der Le-Pen-Partei die Grenzen aufgezeigt haben.
Ob der letzte Stimmungstest allerdings aussagekräftig genug ist, um Rückschlüsse auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr zu ziehen, bleibt umstritten. Von den rund 48 Millionen Wählern sind rund 31 Millionen der Wahl ferngeblieben, ein historisches Tief, das begründeten Anlass zur Sorge gebe, wie es um die Demokratie in Frankreich bestellt sei, wie die Tageszeitung „Le Monde" vermutet. Von relativer Bedeutungslosigkeit der Regional- und Départementswahlen über Desinteresse der Wähler bis hin zur Unzufriedenheit mit der politischen Kaste ist dort zu lesen. Tatsache ist auf jeden Fall, dass sowohl Marine Le Pen als auch Emmanuel Macron – auch wenn sie selbst nicht zur Wahl standen –, es nicht geschafft haben, ihre Wähler im zweiten Wahlgang zu mobilisieren. Der Lack ist ab, könnte man bei beiden meinen, die schon von vielen Meinungsforschern in der zweiten Runde der Stichwahl bei den Präsidentschaftswahlen gesehen wurden. Wer da mal nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat.
Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntermaßen der Dritte. Und so wähnen sich die Bürgerlich-Konservativen nach dem überraschenden Wahlausgang wieder auf einem guten Weg, allen voran Xavier Bertrand, einst Gesundheitsminister und Arbeitsminister in der Regierung François Fillon. Der einstige Republikaner – 2017 trat er aus der LR aus – wurde in der nordfranzösischen Region Hauts-de-France von den Wählern als Regionalpräsident bestätigt und hat den RN in einer seiner Hochburgen klar auf Abstand gehalten. Der neue Hoffnungsträger der Konservativen sollte sich allerdings nicht zu früh freuen, denn auch der einstige Vorsitzende der LR, Laurent Wauquiez, gewann deutlich in der Region Auvergne-Rhône-Alpes ebenso Valérie Pécresse in der Hauptstadtregion Ile-de-France. Einen souveränen und erwarteten Sieg fuhr in der an Deutschland angrenzenden Region Grand Est der konservative Amtsinhaber Jean Rottner ein, der sogar auf die Unterstützung der anderen Parteien offiziell verzichtete und Laurent Jacobelli vom RN klar auf den zweiten Platz verwies.
Konservative profitieren
Mit den Bürgerlich-Konservativen allen voran Xavier Bertrand ist bei den Präsidentschaftswahlen also wieder zu rechnen, zumal Bertrand als auch Macron vielfach um die gleiche Wählerschaft buhlen. Mit Themen wie Kriminalität, Unsicherheit und Arbeit müsse sich wieder lohnen läuft Bertrand sich schon mal für den kommenden Wahlkampf warm.
Und die einst so stolzen und in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Sozialisten? Sie scheinen den Tiefpunkt der letzten vier Jahre überwunden zu haben, was ein wenig die Erfolge in sechs Regionen zeigten. Die Sozialisten scheinen wie Phönix aus der Asche zu kommen und wer weiß, für welche Überraschung sie im kommenden Jahr gut sind, wenn sie sich wenigstens auf einen Kandidaten einigen können. Schließlich standen mögliche aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten wie die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo noch nicht einmal zur Wahl.
Fazit: Die Ergebnisse der Regional- und Départementswahlen bleiben als Stimmungstest nur bedingt tauglich. Aber die extrem niedrige Wahlbeteiligung mit noch nicht einmal 35 Prozent sagt einiges über die Unzufriedenheit der Franzosen mit ihren Regierenden aus, und das dürften die wahren Lehren aus diesem Wahlgang sein. Wer bis heute geglaubt hat, alles laufe auf ein Déjà-vu mit Macron und Le Pen im zweiten Wahlgang hinaus, verkennt die Unberechenbarkeit der französischen Nachbarn im Umgang mit ihren Politikern. Noch hat so gut wie niemand offiziell seinen Hut in den Ring geworfen, und vor der Sommerpause dürfte nicht mehr viel passieren. Die Wahlen im Juni waren wohl lediglich ein Lackmustest dahingehend, dass Frankreich politisch eine Wundertüte mit Überraschungen bleibt.