Ist der Impfstoff Astrazeneca doch besser als sein Ruf? Die jetzt empfohlene Kombination mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech) bringt eine stärkere Immunantwort des Körpers. Das haben auch erste Ergebnisse der Studie eines Forscherteams unter Leitung von Immunologie-Professorin Dr. Martina Sester von der Universität des Saarlandes gezeigt.
Frau Prof. Dr. Sester, wie aussagekräftig ist die an 250 Probanden durchgeführte Studie?
Die Studie ist noch nicht abgeschlossen, und es kommen weitere Probanden hinzu. Aber mit einer Fallzahl von knapp über 200 konnten wir bereits eindeutige Unterschiede feststellen und haben uns deshalb entschlossen, mit interessanten Vorabergebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir haben die Immunantworten von Probanden untersucht und verglichen, die eine zweifache Impfung mit Astrazeneca, mit Biontech sowie eine Kombination aus beiden erhalten haben, sprich eine heterologe Impfung. Einige Probanden haben auch eine Kombi-Impfung aus Astrazeneca und Moderna. Die Abwehrreaktion des Körpers gegen das Coronavirus war bei der Kombination von Vektor- und mRNA-Impfstoff höher als nach der zweifachen Astrazeneca- Impfung.
Vielleicht an dieser Stelle nochmals zur Wirksamkeit der derzeit in der EU zugelassenen Impfstoffe alleine betrachtet oder in Kombination, damit wir überhaupt wissen, wovon wir reden.
Die Effizienz bei einer Zweifach-Impfung mit den mRNA-Impfstoffen Biontech und Moderna liegt bei über 90 Prozent, bei den vektorbasierten Impfstoffen Astrazeneca bei über 70 Prozent und bei der einfachen Impfung von Johnson & Johnson bei knapp 70 Prozent.
Wo liegen denn nun die Vorteile einer sogenannten heterologen Impfung?
Damit keine Missverständnisse aufkommen, eine Doppelimpfung, sprich homologe Impfung, mit Biontech, Moderna und Astrazeneca schützt in den allermeisten Fällen vor einem schweren Verlauf einer Corona-Infektion. Es gibt Fälle von Geimpften, die infiziert wurden, aber keine Symptome gezeigt haben. Eine Impfung ist nach persönlicher Risikoabwägung also immer anzuraten.
Nun zu unserer Studie: Wir haben untersucht, wie viele Antikörper die geimpften Probanden gebildet haben und zudem die Wirkstärke der sogenannten neutralisierenden Antikörper bestimmt. Letztere verhindern, dass das Virus in die menschlichen Zellen eindringt, um sich zu vermehren. Wir haben festgestellt, dass die Kombi-Impfung die meisten neutralisierenden Antikörper vorzuweisen hatte oder zumindest so viele wie bei einer homologen Impfung mit Biontech.
Außerdem haben wir zwei verschiedene Typen von T-Zellen analysiert. T-Zellen sind Teile der weißen Blutkörperchen, die im Blut zirkulieren. Sie unterstützen den Körper in der Produktion von Antikörpern, um Viren besser abbauen zu können. Neben diesen Helferzellen gibt es auch die T-Killerzellen, die bereits infizierte Zellen im Körper vernichten. Damit wird ein schwerer Verlauf einer Covid-19-Erkrankung verhindert. Die heterologe Impfung hat auch in diesem Fall zur stärksten Reaktion geführt – insbesondere bei den Killerzellen.
Die Kombi-Impfung erhöht also nachweislich die Immunantwort des Körpers. Künftig kommt in Deutschland aber hauptsächlich Biontech zum Einsatz. Nach den vielen Querelen um Astrazeneca wohl ein Comeback des ungeliebten Impfstoffs?
Wir würden in der Impfkampagne sicherlich Chancen vergeben, wenn Vektorimpfstoffe nicht mehr zum Einsatz kommen. Der schlechte Ruf von Astrazeneca liegt nicht daran, dass dieser Impfstoff eine schlechte Effizienz hat. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Vektorimpfstoff Astrazeneca vor einem Comeback steht, aber nur in der Kombination beziehungsweise als mögliche Auffrischungsimpfung. Aber was in der Praxis ausgeübt wird, hängt letztendlich davon ab, was an Impfstoffen geliefert wird.
Was die Wirksamkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus im Allgemeinen angeht, liegen wir auf einem sehr hohen Niveau beispielsweise im Vergleich zu den Grippeschutzimpfungen mit durchschnittlich 50 Prozent Wirksamkeit. Wir haben es schließlich geschafft, innerhalb eines Jahres in der EU eine wirksame Impfkampagne zu starten.
An der Bildung von Antikörpern und T-Zellen lässt sich die Immunantwort der Impflinge ablesen. Wie lange hält die Immunität vor beziehungsweise ab wann müsste eine Auffrischung, sprich die dritte Impfung, erfolgen?
Die Impfkampagne startete Ende letzten Jahres, sodass Verlaufsmessungen nach einem halben Jahr jetzt starten. Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass bei Genesenen die Zahl der Antikörper zurückgegangen ist. Allerdings verfügt der menschliche Körper auch über sogenannte Gedächtniszellen, die bei einer erneuten Infektion die Immunität sprichwörtlich wieder ankurbeln, um Antikörper und T-Zellen zu produzieren. Ein intaktes Immunsystem ist also in der Lage, sich vieles zu merken.
Es ist sicherlich davon auszugehen, dass es zu notwendigen Auffrischungsimpfungen kommt. Gerade Risikogruppen wie Immungeschwächte brauchen den besonderen Schutz – dazu zählen Menschen mit Organtransplantationen, Autoimmunerkrankungen oder Krebspatienten. Eine weitere von uns verfolgte Studie untersucht die verschiedenen Wirkprinzipien der Impfstoffe und wir wollen mittels Untersuchungen feststellen, wie wir dem Immunsystem dieser Risikogruppen auf die Sprünge helfen. Ergebnisse dieser Art werden sicherlich auch in den weiteren Verlauf der Impfkampagne miteinfließen. Ich gehe davon aus, dass wir uns auf eine dritte Impfung im kommenden Jahr einstellen müssen.
Noch einmal zurück zu der Studie: Welche Nebenwirkungen sind bei der Kombi-Impfung aufgetreten und wie wirksam ist sie gegen die gefährlichen Mutanten?
Die Probanden berichteten von keinen außergewöhnlichen Nebenwirkungen als den allseits bekannten wie Schmerzen an der Einstichstelle sowie Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Müdigkeit et cetera. Sie haben die heterologe Impfung insgesamt gut vertragen. Bei homologen Impfungen wissen wir, dass bei der zweiten Impfung mit einem Vektorimpfstoff mögliche Nebenwirkungen in der Regel geringer ausfallen als bei der ersten. Bei mRNA-Impfstoffen war es oftmals umgekehrt.
Was die Wirksamkeit der Kombi-Impfung gegen die Mutanten des Virus betrifft, mangelt es derzeit noch an belastbaren Langzeitstudien.
Gleich welche Doppelimpfung man erhalten hat, wie groß bleibt die Gefahr, trotzdem an Covid-19 zu erkranken beziehungsweise das Virus an Dritte weiterzugeben, und gibt es überhaupt eine Herdenimmunität?
Eine Doppelimpfung bietet den besten Schutz gegen das Coronavirus. Trotzdem gibt es wie bereits erwähnt Fälle von Neuinfektionen bei bereits geimpften Personen allerdings oftmals ohne Symptome oder schwere Verläufe. Ob je eine Herdenimmunität erreicht werden kann, ist aufgrund der dynamischen Entwicklung des Infektionsgeschehens in der Welt schwer zu beurteilen. Hier muss im Prinzip ständig nachjustiert werden. Wer allerdings glaubt, ohne eine Schutzimpfung durch die Pandemie zu kommen, befindet sich auf dem Holzweg, es sei denn, jegliche sozialen Kontakte werden vermieden, was allerdings sehr unrealistisch klingt. Das Coronavirus ist in der Menschheit angekommen und wird uns allein schon wegen der Mutationen und möglicher lokaler Ausbrüche noch sehr lange beschäftigen.
Im Herbst steht wieder die alljährliche Grippeimpfung auf der Agenda. Wie passt das zu den Corona-Impfungen?
2020 hat die Ständige Impfkommission (StiKo) die Grippeimpfung schon aus dem Grund empfohlen, um schwere Verläufe von den Intensivstationen in den Krankenhäusern fernzuhalten. Aufgrund der vielfältigen Hygienemaßnahmen gab es im vergangenen Winter außerdem viel weniger respiratorische Erkrankungen. Selbst die Kindersterblichkeit ist dadurch weltweit zurückgegangen. Wegen der Lockerungen zum Beispiel bei der Maskenpflicht dürfte das in diesem Jahr wieder anders aussehen. Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln haben viel Positives bewirkt. Ich denke, dass die StiKo auch in diesem Jahr die Grippeimpfung empfehlen wird.
Impfen gegen Covid-19 ist kein Wunschkonzert. Was sagen Sie den Impfkritikern?
Wir haben in Deutschland keine Impfpflicht. Alle, die nicht geimpft werden wollen, müssen allerdings das Risiko einer Infektion in Kauf nehmen. Es bleibt letztendlich eine persönliche Risikoabwägung zwischen einer Impfung mit seltenen möglichen Nebenwirkungen oder einer Infektion mit all ihren Konsequenzen. Selbst wer eine Infektion überstanden hat, kann zudem noch lange mit Post-Covid-Symptomen zu tun haben. Aber eine Impfung bietet nicht nur den besten Schutz für sich selbst, sondern schützt auch andere. Insbesondere wer mit Risikogruppen zu tun hat oder mit Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen noch nicht geimpft wurden, wie Kinder, sollte dies bedenken.