Rund 400 Athleten werden Deutschland bei den Olympischen Spielen vertreten. Nicht alle von ihnen werden am Ende auf dem Podest stehen und sich über eine Medaille freuen. Wir stellen die größten Medaillenhoffnungen im „Team D" vor.
Aufgrund der Coronapandemie wird die Medaillenvergabe in vielen Sportarten zur Wundertüte, denn aussagekräftige Vergleichsmöglichkeiten fehlten in den vergangenen Monaten vielerorts. Es wird also spannend, wer die Nase vorne hat.
Beachvolleyball
Die Beachvolleyballer haben zuletzt immer für große Olympia-Momente gesorgt. An diese Tradition anknüpfen möchten vor allem Julius Thole / Clemens Wickler, das Hamburger Duo geht als Vizeweltmeister mit großen Hoffnungen ins olympische Turnier. Allerdings kamen Thole (Bänderriss) und Wickler (Blinddarm-OP) nicht verletzungsfrei durch die Saison. Fünf Jahre nach ihrem Olympiasieg ist Laura Ludwig auch wieder am Start – diesmal aber mit einer neuen Partnerin. Kira Walkenhorst hatte eine Karriere-Pause eingelegt, deswegen schlägt Ludwig nun mit Margareta Kozuch auf.
Bogenschießen
Nach ihrer Silbermedaille von Rio de Janeiro zählt Lisa Unruh auch in Tokio wieder zu den Medaillenkandidaten. Die 33-Jährige ist eine der wenigen Athleten, die sich über die Olympia-Verschiebung gefreut haben. Denn Unruh war vor anderthalb Jahren an der Schulter operiert worden. „So hatte ich Zeit, das auszuheilen", sagte die Berlinerin. Unruh hat im Einzel und vielleicht auch mit der Mannschaft eine Medaillenchance. „Wenn wir alle unseren Fokus behalten und unser Ding machen", sagt sie, „können wir viel erreichen."
Fußball
Nach dem jüngsten EM-Titel ist die U21-Nationalmannschaft auch heiß auf den Olympiasieg. 2016 in Rio unterlag das Team von Trainer Stefan Kuntz im Finale nur knapp Gastgeber Brasilien mit Neymar. Kuntz darf drei ältere Spieler nominieren, einer davon soll Torjäger Max Kruse von Union Berlin sein. Er wolle mithelfen, sagte Kruse, „dass wir die Goldmedaille auch noch nach Deutschland holen".
Handball
Das Ziel der einstigen „Bad Boys" ist ambitioniert: Gold. Das zumindest war zu Beginn des Olympiazyklus so vom Verband ausgegeben worden – und daran wurde auch nach der historisch schlechten WM im Januar (zwölfter Platz) festgehalten. Doch realistisch betrachtet wäre schon eine Medaille wie vor vier Jahren (Bronze) ein großer Erfolg, denn aktuell haben Nationen wie Dänemark, Frankreich und Spanien die besseren Kader. Wichtig wird sein, dass Kapitän Uwe Gensheimer endlich bei einem großen Turnier seine Klasse zeigt. So oder so meint DHB-Vizepräsident Bob Hanning: „Eine deutsche Mannschaft stellt sich immer dem Anspruch einer Medaille."
Hockey
Die deutschen Hockey-Mannschaften haben bei Olympia oft Spaß gemacht und danach viel Spaß gehabt. Die Feier-Freudigkeit der Spieler ist legendär, und auch in Tokio soll es etwas zu feiern geben. Bei der EM als Generalprobe holten sowohl die Männer als auch die Frauen Silber – jeweils nur geschlagen im Finale von den Niederlanden. „Das stimmt mich optimistisch für alles, was jetzt noch kommt im Sommer", sagte Kapitän Tobias Hauke.
Kanu
Dreimal wurde ihm zu Ehren bei Olympia schon die Nationalhymne gespielt – gegen ein viertes Mal hat Sebastian Brendel nichts einzuwenden. Der Potsdamer geht auch in Tokio im Canadier-Einer und -Zweier als Mitfavorit über 1.000 Meter ins Rennen, doch die internationale Konkurrenz ist stärker geworden. Den Nachteil in Sachen Schnellkraft will der 33-Jährige durch seine Kraftausdauer und vor allem Erfahrung wettmachen. Die Kanu-Flotte ist traditionell ein Medaillen-Lieferant für das deutsche Team. In Tokio ruhen die Hoffnungen auch auf das „Generationen-Boot" mit Routinier Max Hoff (38), der seine vierten Spiele erlebt, und seinem Zweier-Partner Jacob Schopf (21).
Leichtathletik
Die deutschen Leichtathleten sind zwar in der Breite längst nicht so gut aufgestellt wie andere Nationen, aber ein paar DLV-Asse reisen mit berechtigter Medaillen-Hoffnung nach Fernost – allen voran Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo. Doch die Olympiasaison lief alles andere als optimal, einen Sieben-Meter-Sprung hatte sie Mitte Juni noch nicht vorzuweisen. Ihre Weite von 6,82 Meter beim Diamond-League-Meeting in Florenz stimmte Mihambo aber zuversichtlich: „Es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es fühlt sich an wie 2019."
Als klarer Goldfavorit geht Johannes Vetter in den Speerwurf-Wettbewerb. Der Ex-Weltmeister knackte in diesem Jahr gleich fünmal die 90-Meter-Marke. Bei den Frauen greift auch Christin Hussong, Zweite der Weltjahresbestenliste, nach Edelmetall. „Mein Ziel ist es ganz klar, Olympia-Gold zu holen", sagte Vetter. Danach will der Offenburger den 25 Jahre alten Weltrekord des Tschechen Jan Zelezny (98,48 Meter) ins Visier nehmen: „Wenn ich wählen müsste zwischen Olympia-Gold und Weltrekord, würde ich sagen, nehme ich Olympia-Gold und das Jahr darauf den Weltrekord."
Reiten
Eine Gold-Bank waren in der Vergangenheit immer die Dressurreiter – und das soll auch diesmal so sein. Als Mannschaft gelten die sechsmalige Olympiasiegerin Isabell Werth, Jessica von Bredow-Werndl und Dorothee Schneider als unschlagbar. Bei den deutschen Meisterschaften in Balve hatte sich das Trio über drei Tage einen Wettkampf auf Weltklasse-Niveau geliefert. Dressur-Königin Werth will auch im Einzel auf „Bella Rose", einer 14 Jahre alten Stute, mit perfekten Piaffen, Passagen und Traversalen glänzen. Zudem zählen die deutschen Vielseitigkeits- und Springreiter bei Olympia fast schon traditionell zu den Mitfavoriten.
Rudern
Der Deutschland-Achter ist das Flaggschiff und soll wie 2016 um Gold kämpfen. Damals musste man sich knapp den Briten geschlagen geben, die Männer von der Insel sind auch in diesem Jahr diejenigen, die es zu schlagen gilt. Bei der EM Mitte April in Varese/Italien war die Crew um Schlagmann Hannes Ocik davon meilenweit entfernt, als sie beim Sieg der Briten nur auf Platz vier gelandet war. Beim späteren Traditionsweltcup in Luzern fehlten im Foto-Finish dagegen nur drei Hundertstelsekunden auf den Europameister. Die Hoffnungen der Ruderer ruhen auch auf Einer-Weltmeister Oliver Zeidler.
Schwimmen
Alle Augen sind auf Florian Wellbrock gerichtet, der 23-Jährige plant in Tokio Historisches: Doppel-Gold im Freiwasser und im Becken. Das war Wellbrock bereits bei der WM 2019 mit Siegen über zehn Kilometer und 1.500 Meter gelungen – doch damals war er noch der Jäger. Jetzt ist der Druck deutlich größer. „Ich werde der Situation gewachsen sein", ist sich der Magdeburger sicher, „und da freue ich mich schon tierisch drauf." Der Deutsche Schwimm-Verband auch, denn seit dem Doppel-Triumph von Britta Steffen 2008 in Peking hat es keine deutsche Schwimm-Goldmedaille bei Olympia mehr gegeben. Für Wellbrock sind es die zweiten Spiele. „2016 hatte ich viel Angst und habe erst danach gemerkt, wie blöd das war – Angst vor dem zu haben, was ich eigentlich liebe", erinnerte sich Wellbrock zurück. Apropos Liebe: In Tokio ist auch seine Verlobte Sarah Köhler am Start, die über 800 und 1.500 Meter Freistil ebenfalls mit Medaillenchancen ins Rennen geht.
Tischtennis
Am größten sind die Chancen für die deutschen Tischtennisspieler zwar in den Teamwettbewerben und im neu eingeführten Mixed-Event, aber der inzwischen 40-jährige Timo Boll kämpft auch verbissen um seine erste Einzel-Medaille. „Ich trainiere, als ob ich Olympiasieger werden könnte. Und da ist mir komplett egal, wie hoch die Chance ist", sagte der Europameister: „Ich sehe sie vor mir, und deshalb strebe ich weiterhin danach."
Tennis
Um dieses Doppel beneidet uns fast die ganze Tennis-Welt: Angelique Kerber und Alexander Zverev wollen in Tokio im Mixed an den Start gehen – so war zumindest der Plan. „Die Verabredung steht auf jeden Fall", sagte Kerber. Beide haben schon beim Hopman-Cup als Doppel positive Erfahrungen gesammelt und dürften zum Favoritenkreis zählen. Für Kerber, die auch im Einzel antritt, ist es trotz der stressigen Corona-Saison „eine große Ehre, für Deutschland zu spielen".
Wasserspringen
Gelingt Patrick Hausding der perfekte Abschied von der Olympia-Bühne? Bei seiner Premiere 2008 in Peking hatte der Berliner Silber im Turm-Synchronspringen gewonnen, vor fünf Jahren in Rio dann noch mal Bronze vom Dreimeterbrett. Und jetzt? Die vielen Wettkampf-Ausfälle durch Corona könnten seine Chancen erhöhen, denn der 32-Jährige ist nervenstark und erfahren. Sowohl im Einzel als auch mit Partner Lars Rüdiger im Synchronspringen kann der Rekord-Europameister im Idealfall eine Medaille gewinnen. Und danach seine so erfolgreiche Karriere ausklingen lassen.