14 Millionen Euro Forschungsgelder der EU fließen nach Deutschland. Ziel: der Aufbau eines Exzellenzzentrums für Nanopharmazie. Dr. Bernd Baumstümmler und Dr. Daniel Müller arbeiten daran, diese Hightech-Methoden in der Pharmazie zu entwickeln und zu vermarkten.
Herr Dr. Müller, My Biotech hat die Zusage für ein Projekt über insgesamt elf Millionen Euro an Forschungsgeldern seitens der EU erhalten. Worum geht es hierbei?
Müller: Das EU-Forschungs- und Innovationsförderprogramm Horizon 2020 unterstützt zahlreiche Projekte in der EU. Wir haben eine Ausschreibung als Konsortialführer für das sogenannte Phoenix-Projekt gewonnen. Das heißt, wir beabsichtigen, zusammen mit elf Partnern ein Exzellenzzentrum für Nanopharmazeutika aufzubauen. Federführend dabei ist unsere Pharma-Forschungsleiterin Dr. Nazende Günday-Türeli, wir koordinieren dieses Projekt also wissenschaftlich. Das Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) leitet das Projekt organisatorisch.
Die Instillo Group fungiert hierbei als Dach für My Biotech?
Baumstümmler: Richtig, die Instillo Group haben wir 2010 gegründet. Damit wollten wir die patentierte Technologie der Mikroreaktoren zur Herstellung von Nanopartikeln für die Pharmazie, Kosmetik, Lebensmittel oder technische Partikel vermarkten. Instillo baut das Patentportfolio hierfür aus, sucht Partner, lizensiert die Patente und unterstützt Start-ups beim Aufbau mit Infrastruktur und Expertenwissen. Das haben wir auch für My Biotech getan.
Welches Ziel verfolgt das Phoenix-Projekt auf längere Sicht?
Müller: Wir entwickeln keine neuen Medikamente. Stattdessen erhalten wir die Wirkstoffe für ein Medikament von unseren Kunden und entwickeln daraus mithilfe von Nanotechnologie eine verbesserte Formulierung. Das heißt, vereinfacht gesagt, wir verpacken die einzelnen Wirkstoffe eines Medikaments in Nanopartikeln. Das hat beispielsweise Vorteile für die Löslichkeit im Körper, für die Wirkzeit oder die Konzentration. Zum Beispiel könnten so bestimmte Infusionen in Größenordnungen von fünf Litern pro Tag auf einen Liter reduziert werden, die den Körper auf Dauer belastende Konzentration von Schmerzmitteln kann sinken und so weiter. Das Phoenix-Projekt soll nun zeigen, dass wir die gesamte Bandbreite von der Formulierung über Qualitätssicherung, die Herstellung von Prüfmustern für klinische Tests bis hin zur Zulassung bei den Arzneimittelbehörden hier an einem Standort abbilden können. Derzeit muss ein Pharma-Unternehmen mit einem guten Dutzend Partnern zusammenarbeiten, um dies zu erreichen. Phoenix ist also kein reines Forschungs- und Entwicklungsprojekt, sondern soll konkret eine Qualitätsmanagement- und Produktionsstätte hier bei uns errichten und in den vier Projektjahren anhand von Fallbeispielen zeigen, dass wir bereit für den nächsten Schritt sind. Sprich, dass wir dann mit einem Exzellenzzentrum für Nanopharmazeutika an den Markt gehen können – für Universitäten, Forschungszentren und Pharmaunternehmen.
Baumstümmler: Institute wie das Helmholtz-Zentrum für Pharmazeutische Forschung hier im Saarland, die Pharmaunternehmen im Land und wir arbeiten im Nanobionet, dem Netzwerk für Nanotechnologie, Biotechnologie und medizinische Forschung, zusammen und das seit Jahren sehr gut. Die Mitglieder haben kontinuierlich am Aufbau des Pharmazie- und Biotechnologiestandortes gearbeitet und an Renommee gewonnen. Das zahlt sich nun aus. Hinzu kommt die Ausbildung von Fachkräften in diesem Bereich in einem trinationalen Studiengang in Luxemburg, Straßburg, Saarbrücken und Mainz.
Laut den Plänen der Saar-Landesregierung soll das gesamte Nanobionet Teil des Strukturwandels im Land hin zu einem Hightech-Standort sein. Finden Sie für Ihre Vorhaben genügend Unterstützung seitens der Regierung?
Baumstümmler: Wir sind natürlich im Kontakt mit der Landesregierung, mit dem Wirtschaftsministerium und der Staatskanzlei. Es ist wichtig, ein öffentliches Bewusstsein für den Strukturwandel zu schaffen.
Auch in der Politik scheint nun langsam die Erkenntnis zu reifen, dass der nano-biotechnologische Bereich in einem erheblichen Maße zum Strukturwandel beitragen kann. Bislang lag das Augenmerk auf der Entwicklung im IT-Bereich, das ist auch richtig so. Aber parallel ist im Pharmasegment ein mindestens gleich starker Bereich entstanden, der hervorragende Referenzen national wie international besitzt. Ich glaube, wir können auch im Bereich Wasserstoff helfen, der ja auch zu den großen Hoffnungsträgern im Land zählt. Denn die Produktion von Wasserstoff ist ohne Katalysatoren nicht möglich, und es hat sich herausgestellt, dass Nanopartikel mit die besten Katalysatoren sind, weil sie ein günstiges Verhältnis von Oberfläche zu Volumen besitzen.
Findet das Renommee der heimischen Branche Ihrer Meinung nach genügend Aufmerksamkeit bei Medien und der Gesellschaft?
Müller: Wir bewegen uns in einem stark erklärungsbedürftigen Hightech-Umfeld. Unsere Kunden, die aus Deutschland, Europa und aus anderen Teilen der Welt kommen, finden ihren Weg zu uns nicht durch Beiträge in den Medien. Aber ich glaube, wir sollten tatsächlich mehr Wert darauf legen, uns zu präsentieren und den Menschen zu erklären, was wir machen, um überhaupt ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir Teil des Strukturwandels sind. Denn dies zeigt sich alleine schon an unseren Räumlichkeiten: Auf dem Gelände, auf dem sich nun Instillo und My Biotech und alle anderen Firmen der Gruppe mit ihren hochmodernen Laborkomplexen befinden, wurden früher Ladegeräte für Autobatterien hergestellt.