Fury in the Slaughterhouse ist eine der deutschen Bands, die international erfolgreich sind. Auf ihrem Comeback-Album „Now" bleiben die sechs Hannoveraner der handgestrickten melodischen Rockmusik treu. Im Interview spricht Kai Wingenfelder über wilde Auftritte in Wacken und seine Freundschaft zu den Foo Fighters.
Herr Wingenfelder, Produzent Ihres Comeback-Albums „Now" ist Vincent Sorg. Er arbeitete mit den Toten Hosen, den Broilers und In Extremo. Wie hat Sorg Sie im Studio in die richtige Stimmung gebracht?
Er hat die Stimmung kanalisiert, die allgemein gut war. Vincent Sorg ist nicht nur ein technisch versierter, sondern auch ein sehr guter mentaler Produzent. Das passt einfach. Wir haben uns untereinander seit Oktober 2016 nicht ein einziges Mal gestritten. Das gab es noch nie! Unser neues Management betreut uns so, wie man es schon früher hätte machen sollen. Dann hätten wir uns auch nie trennen müssen.
Wie sehr hat Corona die Arbeit im Tonstudio verkompliziert?
Ich habe mich immer mit Vincent gegenseitig getestet. Und dann kamen die anderen Jungs dazu und wurden ebenfalls getestet. Das waren befreiende Erlebnisse. Anschließend nahmen wir uns in den Arm und fingen mit der Arbeit an. Das Studio haben wir dann bis zum letzten Tag nicht mehr verlassen, weil wir Lebensmittel und Getränke mitgebracht hatten. Es war wie eine Woche Musikurlaub.
Wie sind Sie im Studio vorgegangen?
Wir haben eine Nummer nach der anderen fertiggestellt. Vincent sagte: „Nach fünf Tagen hört die Bereitschaft der Musiker auf, irgendetwas gut zu finden." Deswegen dauerte bei uns in den letzten anderthalb Jahren keine Session länger als fünf Tage. Aber wegen Corona hatten wir auch drei Monate Stillstand. Gemischt wurde das Album online in verschiedenen Studios in wahnwitzigen Hightech-Zoom-Konferenzen.
Hat die Technik dabei mitgespielt?
Das lief super. Als Vincent die einzelnen Nummern gemischt hat, saßen wir alle zu Hause am Bildschirm unter teuren Kopfhörern oder vor der Anlage. Auf diese Weise kann man Musik perfekt beurteilen.
Sie waren seit zwölf Jahren nicht mehr miteinander im Studio, unter anderem auch, weil Sie dort zu oft aneinandergeraten sind. Was war der Grund dieser Streitigkeiten?
Wir haben uns früher über Belanglosigkeiten gestritten. Zusammen hätten wir seit 2008 niemals ins Studio gehen können, ohne uns zu zerfleischen. Wir wollten aber nicht unsere Freundschaft verlieren, deswegen haben wir eine fast zehnjährige Pause eingelegt. Das hat dazu beigetragen, dass wir alle reifer geworden sind und heute einen gesunden Respekt voreinander haben. Man nimmt eine Gitarre in die Hand, der Sänger macht den Mund auf, Rainer haut auf die Snare und zack klingt es wie Fury. Wir haben unseren eigenen Sound.
Thees Uhlmann sang 2019 in dem Lied „Was wird aus Hannover": „Du hattest einen Plan/Ich hatte Fury in the Slaughterhouse". Was dachten Sie, als Sie das zum ersten Mal hörten?
„Super, Thees!" Und er dachte: „Super, Fury!" Deswegen hat er auch das Intro für die Platte geschrieben. Diesen Song werden wir zusammen mit Thees Uhlmann im Fernsehen performen.
Thees Uhlmann bezeichnete Fury in the Slaughterhouse auch als „U2 aus Niedersachsen – aber zum Anfassen." Ist das für Sie gut oder schlecht?
Gut, denn U2 ist eine Band, die mich sehr geprägt hat. Ich weiß, dass Thees uns mag und bestimmte Dinge genauso sieht wie wir. Man muss auch die Scorpions musikalisch nicht mögen, aber man sollte ihnen Respekt zollen, denn eine größere Rockkarriere hat Deutschland nicht zu bieten. Die Scorpions spielen nach über 40 Jahren noch immer in ausverkauften Hallen in Asien und anderswo. Da müssen die Meckerfritzen erst einmal hinkommen. Es müsste eigentlich eine Fernsehsendung geben, in der alle namhaften hiesigen Kapellen einen Scorpions-Song spielen. Aber Deutschland feiert seine Künstler nicht.
Die Stimme ist der Spiegel der Seele, heißt es. Sie wird als Ausdruck der Persönlichkeit wahrgenommen. Wie hat sich Ihre Stimme seit dem letzten Fury-Album weiterentwickelt?
Ich arbeite nicht bewusst an meiner Stimme. Nach unserer Trennung habe ich zwei Jahre lang die Medienabteilung für die Reederei Beluga aufgebaut und geleitet. Aber ohne Musik ging es bei mir nicht, weshalb mein Bruder Thorsten und ich vor zehn Jahren anfingen, deutschsprachige Songs zu machen. Das klingt ein bisschen anders, aber ich habe einfach weitergesungen und mich in meinem Studio weitergebildet.
Auf dem neuen Album besingen Sie das Jahr 1995, in dem Fury in the Slaughterhouse in den USA fast der Durchbruch gelungen wäre. Bereuen Sie, dass es damals nicht zum ganz großen Erfolg in Amerika gekommen ist?
Das haben wir schon damals nicht wirklich bereut, weil wir es theoretisch hätten haben können. Wir hätten ja nach vier Monaten nicht nach Hause fahren müssen. Unser Management in Deutschland ließ das aber zu, obwohl wir an der US-Westküste noch gar nicht gespielt hatten. Dort verkauften wir die meisten Platten außerhalb von New York. Aber unsere deutsche Plattenfirma nörgelte, weil wir zu Hause eine Tournee spielen sollten. Und unser Management, das nicht mitgekommen war, hat das einfach zugelassen. Normalerweise hätte es darauf bestehen müssen, dass wir erst dann in Deutschland touren, wenn wir in Amerika fertig sind. Eine junge, wilde Band wie wir hätte dringend einen Aufpasser gebraucht. Wir sind in Amerika mit Stretchlimos mit Mädchen und Drogen reingefahren. Aber zum Durchbruch fehlte uns nicht viel. Unsere Songs liefen oft im Radio und Cyndi Lauper drehte für uns Videos. Das wäre schon schön geworden, aber wissen Sie was: Vielleicht würden wir beide jetzt nicht miteinander sprechen, wenn es drüben geklappt hätte. Man muss ja nicht alles haben.
Vielleicht bekommen Sie ja in den USA eine zweite Chance.
Zumindest weiß ich, dass die Amis unsere neue Platte mögen. Rami Jaffee von den Foo Fighters hat darauf Keyboards gespielt. Mein Bruder Thorsten und ich sind mit ihm befreundet, und er wollte unbedingt auf einem Fury-Album mitspielen: „Send it over! I play on it." Er war da gerade mitten in der Promoarbeit für die neue Scheibe der Foo Fighters, aber das war ihm egal. Das fand ich super nett von Rami.
Hat Rami Jaffee einen eigenen Stil?
Er hat eine Art, Dinge unauffällig zu spielen. Aber wenn du den Song hörst, weißt du genau, was er darauf gemacht hat. Er ist nicht wie Rick Wakeman, der zweihändig wild drauflosspielt, sondern er ist ein banddienlicher Musiker. Rami hat es wahnsinnig drauf.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Wir haben die letzten beiden Wingenfelder-Alben bei Robert Schuller in den Artfarm-Studios im Bergischen Land aufgenommen. Dort waren auch schon die Foo Fighters. Rami ist dann immer wieder zu Robbie gekommen, wo wir ihn eines Tages kennengelernt haben. Er bot uns an: „If you need any keyboards, give me a call!" Und dann haben wir Rami eisenhart angerufen. Getroffen haben wir ihn schließlich in Paris, wo er gerade mit dem Keyboarder von Johnny Hallyday arbeitete. Dort nahmen wir die Keyboards für die Wingenfelder-Platte „Sieben Himmel hoch" auf. Anschließend spielten wir mit Rami eine Releaseparty in einer Minikneipe, bei der er sich fürchterlich betrank. Ein cooler Abend. Später besuchte ich die ganze Band beim Lollapalooza-Festival in Berlin.
Wie war die Begegnung mit Dave Grohl und Co.?
Sehr nett. U2 und die Foo Fighters sind meine Helden. Mit Dave Grohl habe ich Whiskey getrunken, aber wir sind keine Buddys. Bei Rami ist das anders. Mit ihm bin ich schon mit dem nackten Arsch in den Pool gesprungen. Mr. Grohl ist der Chef, das ist ein Ami-Prinzip. Bei den Foo Fighters hat er die Hosen an. Dave Grohl ist immer so nett, aber wenn er einen aus der Band rausschmeißen will, dann tut er es auch. Das hat er ja ein paar Mal gemacht. Amis sind da viel stringenter. Das Prinzip der demokratischen Band ist da drüben 1969 im Drogenwahn gestorben. In Amerika ist alles klar strukturiert. Dafür hast du dort auch echte Pop- und Rockstars, was man in Deutschland nicht hat.
Bob Dylan hat seine Songrechte für 300 Millionen Dollar an den Universal-Konzern verkauft. Was würden Sie für die Rechte an Ihrem Hit „Time To Wonder" verlangen?
Den Titel können wir gar nicht verkaufen, weil unsere Verlagsrechte längst vergeben sind. Wenn wir sie noch hätten, könnten wir dafür schon eine Menge Geld verlangen. Wir haben unseren Katalog an unser neues Plattenlabel verkauft, aber wir sind weiter daran beteiligt. Jetzt sind endlich wieder alle Scheiben und Videos von Fury erhältlich.
Und nächstes Jahr sehen wir Fury dann wieder in Wacken als „Die beschissenen 6"?
Wir hätten schon letztes Jahr dort spielen sollen. Aber ich glaube, es wird auch dieses Jahr nicht stattfinden. Sobald es wieder möglich ist, spielen die beschissenen 6 auf der Biergarten-Stage, bis es rumst und knallt. Diesmal wissen aber alle von Anfang an, wer sich dahinter verbirgt. Insofern wird der Laden gleich voll sein und nicht erst am Ende. Wacken war tierisch! Zuerst standen nur besoffene Typen mit bayerischen Maßkrügen vor der Bühne, aber nachher waren es 12.000 Leute, und der Laden ist auseinandergebrochen. Alle sangen bei „Time To Wonder" mit und lagen sich in den Armen.