Bob Odenkirk – bekannt als aalglatter Anwalt aus den Kult-Serien „Breaking Bad" und „Better Call Saul" – kuriert als „Nobody" seinen emotionalen Meltdown mit einer furiosen Gewaltorgie. Der Film läuft aktuell im Kino.
Kurz vor Mitternacht. Eine Handvoll russischer Gangster verschafft sich Zutritt zu einem Linienbus. Sofort belästigen sie die wenigen Fahrgäste. Da bemerken sie Hutch (Bob Odenkirk), der wie versteinert auf der Rückbank sitzt. „Wieso steigst du nicht aus, alter Mann?", mault ihn einer der Russen an. Hutch steht auf, zieht seinen Revolver und lässt eine Kugel nach der anderen aus der Trommel auf den Boden fallen. Und denkt: „Ich hoffe, diese Arschlöcher mögen Krankenhausessen!" Das ist der Auftakt zu einem Gemetzel der Extraklasse. Viele Faustschläge, Knochenbrüche, Stichwunden, Blutgrätschen und eingeschlagene Vorderzähne später verlässt Hutch – selbst ziemlich derangiert, aber als Sieger – den Bus. Als er heimkommt, schaut ihn seine Frau (Connie Nielsen) entgeistert an. „War ein Wahnsinnstag", meint er lakonisch.
Faustschläge, Knochenbrüche und Stichwunden
Hutch ist natürlich nicht der langweilige Vorstadt-Loser mit Familie, der in der Fabrik seines Schwiegervaters sein tristes Tagwerk herunterreißt, wie uns der Film anfangs weismachen will. Hutch ist – tief in seinem Innern – immer noch der „Revisor", also ein ehemaliger Elite-Auftragsmörder des US-Geheimdienstes. Der Film zeigt, wie sich dieses „wilde Tier" wieder Bahn bricht und Hutch zum Kamikaze-Killer macht, der geradezu süchtig nach tödlichen Auseinandersetzungen ist. Immer euphorisierter, steigt er schon bald über Berge von Leichen. Bis zum ultra-brutalen Showdown, bei dem Hutchs Vater und Hilfs-Killer (Christopher Lloyd) feststellt: „Du hast ’ne Menge Gewehre!" Darauf Hutch: „Sind ja auch ’ne Menge Russen!" Dass diese Russen – unter Führung des Mobster-Psychopathen Yulian (Alexei Serebrjakow) –
im Film nur als Kanonenfutter dienen, versteht sich von selbst. Das Drehbuch-Placebo taktet bei diesem Turbo-Blutbad nur die ständig eskalierende Totenrate. Sinn macht es nicht.
Was mag einen so versierten Schauspieler wie Bob Odenkirk an dieser Schlachtplatte wohl fasziniert haben? Vielleicht wollte er endlich mal agieren, nicht nur reagieren. Denn als Anwalt Saul Goodman hat er sich in „Breaking Bad" wie in „Better Call Saul" immer wortreich aus allen Konflikten herausgewieselt, den Kopf eingezogen und brenzlige Situationen eher entschärft. Da hatte sich wohl viel Frust in Odenkirks Unterbewusstsein angestaut? Wie auch immer. Als Hutch darf er sich nun endlich als Über-Action-Held zelebrieren und lässt Sly Stallone als „Rambo", Clint Eastwood als „Dirty Harry" oder Denzel Washington als „Equalizer" ziemlich alt aussehen.
Auf Kampfszenen exzessiv vorbereitet
Oder hatte Odenkirk gar persönliche Gründe? „Bei meiner Familie wurde zweimal eingebrochen. Zu dem Zeitpunkt war ich leider nicht zu Hause, doch das hat uns alle sehr traumatisiert. Ich habe mich oft gefragt, was ich wohl getan hätte … Hätte ich versucht, die Situation zu deeskalieren? Oder wäre ich auf den Einbrecher losgegangen?" Bob Odenkirk lässt die Antwort offen. Gibt aber zu: „Ich wollte schon lange einmal einen Action-Helden spielen. Als ich die ‚Nobody‘-Rolle angeboten bekam, sah ich meine Chance gekommen und wollte sie unbedingt nutzen. Ich habe mich exzessiv auf die vielen Kampfszenen vorbereitet. Zwei Jahre lang habe ich mich von Karate- und Stunt-Trainern durch die Mangel drehen lassen! Bei Drehbeginn war ich so fit wie nie zuvor. Und das mit Ende 50!"
„Nobody" ist ein Mix aus hyperrealistischen „John Wick"-Action-Versatzstücken (die Macher dieser Filme waren auch hier am Werk), dazu Popcorn-Splatter mit einem Touch „Sin City"-Comic-Look. Eine Aggressionstriebabfuhr-Ekstase, die der russische Regisseur Ilay Naishuller („Hardcore") effektvoll choreografierte. Charles „Ein Mann sieht rot" Bronson hätte an „Nobody" sicher seine Freude gehabt.