Jede Fahrradgattung ist mittlerweile elektrifiziert. Den passenden E-Bike-Typ zu finden ist das eine, aber bei den typischen Teilen geht’s ans Eingemachte. Die Motorenauswahl ist beachtlich, Akkus gibt’s in allen Größen. Worauf bei den E-Bike-Komponenten zu achten ist.
E-Bikes rollen in den kommenden Jahren über eine historische Schwelle: Wenn der Boom so weitergeht, könnten in Deutschland bald erstmals mehr E-Bikes verkauft werden als Fahrräder ohne den 250-Watt-Zusatzmotor. Im vergangenen Jahr stieg ihr Verkaufsanteil nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) auf den bisherigen Höchstwert von 38,7 Prozent. Das entspricht fast zwei Millionen Bikes.
Kurzum: Der Kauf eines Pedelec, wie die landläufig sogenannten E-Bikes korrekt heißen, kommt für immer mehr Radler infrage – obwohl der Durchschnittspreis ZIV-Angaben zufolge bei nicht gerade schnäppchenverdächtigen rund 2.600 Euro liegt. Und sie finden Elektroräder mittlerweile in allen Gattungen – vom Klassiker, dem elektrifizierten Cityrad, bis zum Exoten wie dem Faltrad-Pedelec.
Doch die Grundsatzfragen sind oft die gleichen: Welcher Motor passt zu mir? Wie groß muss der Akku sein? Wie viel Bedienkomfort und Vernetzung brauche ich? Hier ein kleiner Wegweiser durch den Komponenten-Dschungel.
Der Motor
Vorherrschend am Pedelec sind Mittelmotoren. Montiert sind sie über spezielle Anbaupunkte dort am Rahmen, wo bei herkömmlichen Fahrrädern das Tretlager sitzt. „Rund 90 Prozent aller E-Bikes am Markt fahren mit Mittelmotor", sagt E-Bike-Experte René Beckert von Emec Prototyping, ein Unternehmen mit Sitz in Dresden, das Prüftechnik für Pedelecs entwickelt. Mittelmotoren sorgen für ein ausgeglichenes Fahrverhalten, da der Schwerpunkt des Bikes dank der etwa drei Kilo schweren Antriebseinheit mittig und tief liegt. „Das Fahrzeug ist ausbalancierter", sagt Beckert. Zum Einsatz kommen sie vor allem an elektrifizierten City-, Trekking- und Mountainbikes, die zu den meistverkauften E-Bike-Gattungen zählen. Qualitativ verlässliche E-Bikes gibt es laut dem Experten ab 1.800 Euro.
Die stärksten Mittelmotoren am Markt kommen auf 120 Newtonmeter, manche Kleinwagen bieten weniger Drehmoment. So liegt das höchste Drehmoment des 2017 vorgestellten VW Polo bei 95 Nm. Damit ist ihr Potenzial allenfalls für Mountainbiker verwertbar, die an Steigungen kräftige Unterstützung auch bei niedriger Trittfrequenz in kleinen Gängen gut gebrauchen können. Beckert beobachtet jedoch eine teils zweifelhafte Leistungsschlacht: „Viele Kunden kaufen für ihren geplanten Einsatzzweck übermotorisiert."
Dabei haben sich die Hersteller von Mittelmotoren mit Produktlinien auf unterschiedliche Bedürfnisse eingestellt. So verkauft Marktführer Bosch neben Motoren mit 85 Nm für „steile Bergfahrten" auch Motoren mit 40 Nm für moderate Unterstützung im Alltag. Auch Shimano bietet mit seinen Steps-Motoren eine nach Einsatzzweck gestaffelte Palette. Gängige Systeme steuern ihr Drehmoment in drei bis fünf Unterstützungsstufen bei, Mountainbike-Motoren von Bosch und Shimano können ihre Leistung an den individuellen Fahrstil anpassen.
Schon beim Kauf die Kraft zu drosseln, indem man nicht reflexartig zum Topmotor greift, hat dreifaches Sparpotenzial: Zum einen sind weniger potente Motoren günstiger. Auch kann der Verschleiß an Kette, Ritzel oder Kettenblatt geringer sein, wenn kleinere Drehmomente an den Antriebskomponenten zerren. Und sie verbrauchen weniger Strom. „Die Energieaufnahme sinkt, was die Reichweite durchaus erhöhen kann", sagt Beckert.
Weitere, laut dem Experten ausgereifte Mittelmotor-Systeme bauen Shimano, Brose und Yamaha. Das Münchener Start-up Fazua hat einen Motor entwickelt, der sich samt Batterie entnehmen lässt – womit sich das E-Bike wahlweise wie ein normales Fahrrad fahren soll. Er kommt auf vergleichsweise geringe 55 Nm, wird aber gerade deshalb oft an sportlichen Rädern verbaut, weil er die Beteiligung des Bikers stärker einfordert.
Mittelmotoren lassen sich mit Naben- und Kettenschaltungen kombinieren, doch der Einsatz mehrerer Kettenblätter ist konstruktionsbedingt schwierig, weshalb sich Einfachritzel am Motor durchgesetzt haben. Bei Hecknaben-Antrieben ist das anders; sie allerdings schließen Nabenschaltungen aus, da der Platz an der Hinterachse schon belegt ist.
Auch Heckmotoren kommen mit vergleichsweise niedrigen Drehmomenten von um die 40 Nm aus, fühlen sich aber direkt an, da ihre Kraft ohne Umwege auf das Antriebsrad wirkt. Hersteller sind Mahle, Neodrives, Ansmann oder die chinesische Marke Bafang. Zu finden sind sie an stylischen Urbanbikes, deren aufgeräumte Optik sie kaum stören. An E-Rennrädern und E-Gravelbikes bringen sie Gewichtsvorteile, weil sie mit kleineren Akkus kombiniert werden, und sie nehmen Anstiegen on- wie offroad den Schrecken.
Nur noch eine Randerscheinung, meist an billigen City-Rädern montiert, sind laut René Filippek, Technik-Experte beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), sogenannte Frontnabenmotoren. Sie waren mit dem Aufkommen von E-Bikes recht verbreitet, da sich das Konzept ohne aufwendige technische Änderungen am Rest des Fahrrads umsetzen lässt. „Der Motor hängt nicht am Kettentrieb, da kann man die Teile günstig auslegen", sagt Beckert. Doch die Nachteile überwiegen. So fahren solche E-Bikes kopflastig, und oft wird die Kraft des Motors unharmonisch abgestimmt ins Vorderrad geleitet – was in Kurven das Sturzrisiko erhöhen kann.
Der Akku
Auch hier beobachtet Beckert einen Wettlauf: Die Hersteller bauen immer größere Akkus. Doch je mehr Wattstunden der Biker mit sich herumfährt, desto schwerer und teurer das Fahrrad. „Der Akku ist am E-Bike der größte Preistreiber", sagt Beckert. Je nach Kapazität macht allein die Batterie zwischen 400 und 1.200 Euro des Neupreises aus. Laut Daniel Maiberger vom Batteriespezialisten Akku Vision spart beispielsweise 200 Euro, wer sich für einen 400- statt eines 500-kWh-Akkus entscheidet.
Doch Wattstunden und Zusatzakku können sich andererseits lohnen – etwa für Radler, die im Cargo-Bike energiezehrend Lasten und Kinder transportieren oder Radreisen unternehmen. „Tourenfahrer können zum Beispiel auf dem 1.270 Kilometer langen Elberadweg einen 750er-Akku oder eine Dual-Akku gut gebrauchen", sagt Beckert. Wer nur einige Kilometer pendele und im Büro nachladen könne, dem würden auch 380 Wattstunden genügen: „70 bis 80 Kilometer Reichweite sind in der Regel immer möglich." Hinzu kommt: Anders als beim E-Auto bleibt man auf dem Fahrrad auch mit leerer Batterie grundsätzlich mobil. Auf 50 Prozent auffrischen lassen sich viele Akkus in rund ein bis zwei Stunden. Die volle Ladung beansprucht rund drei Stunden, Schnellladegeräte beschleunigen den Vorgang.
Generell geht der Trend dazu, die Energiespeicher aus optischen Gründen im Rahmen verschwinden zu lassen – Stichwort Integration. Während viele Packs zum Laden entnommen werden können, sind die Akkus mancher E-Rennräder oder Designbikes fest integriert und können nur aufwendig zu Wartungs- oder Reparaturzwecken aus dem Rohr gezogen werden. Damit muss das Fahrrad in Wohnung oder Keller getragen werden, um es dort zu laden. Wer im Winter als Stellplatz nur die kalte Garage hat, sollte das bedenken: „Akkus sollten zwischen 10 und 23 Grad gelagert werden", sagt Maiberger. Ansonsten gingen sie auf Dauer kaputt oder verlören stark an Leistungsfähigkeit.
Die Lebensdauer von E-Bike-Akkus, die meist mit eigenen Schlössern gesichert werden, geben die Hersteller laut dem Akku-Fachmann mittlerweile mit 800 bis 1.000 Vollladezyklen an. Danach sinke die Restkapazität auf unter 80 Prozent, und der Akku gilt als tot, kann eingeschränkt aber noch genutzt werden. Maiberger gibt ein Beispiel: Wer als Pendler täglich 30 Kilometer zurücklegt und mit einem 500-Wh-Akku im Schnitt 75 Kilometer weit kommt, könne bei 1.000 Vollladezyklen von einer Nutzungsdauer von 500 Wochen ausgehen, also über neun Jahre. Wie lang der Akku real hält, hängt von Art und Dauer der Beanspruchung ab. Aufgrund falscher Pflege sinke die Restkapazität oft schon nach drei bis fünf Jahren auf unter 80 Prozent, eine Angabe, die Ingo Witte vom Werkstattnetz All-Ride des Verbundes Service und Fahrrad (VSF) bestätigt: „Daran sollte man schon beim Kauf denken." Angst vor Akkubränden beim Laden ist nach Ansicht der Experten bei richtiger Anwendung dank ausgereiftem Batteriemanagementsystem mittlerweile unbegründet.
Display und Bedieneinheit
Es gibt große und kleine Displays. Es gibt beleuchtete Farbanzeigen, die sich den Lichtverhältnissen anpassen und auf Touch-Befehle reagieren. Es gibt Mini-Anzeigen in Graustufen mit einfachen Tasten. Und es können digitale Ökosysteme zum Fitnessdaten-Tracking oder der Reiseplanung vom heimischen Rechner aus genutzt werden. Doch ist man mit dem Typ des E-Bikes wie bei Motor und Akku meist auf spezifische Lösungen festgelegt, die mit den restlichen E-Bike-Komponenten kompatibel sind und vom Zulieferer aus einer Hand ans Rad kommen. Allerdings hat der Kunde auch innerhalb dieser Komponentengruppen die Wahl zwischen einfachen und komplexeren Lösungen – je nach Wunsch, Einsatzzweck und Geldbeutel.
Gängig an Trekking- und Citybikes sind zentral am Lenker platzierte Anzeigen, die oft auch entnommen werden können und damit einen gewissen Diebstahlschutz bieten, denn ohne sie startet der Motor nicht. Laut ADFC-Experte Filippek gibt es auch für E-Bike-Displays einen Schwarzmarkt. Tempo, Reichweite, Ladezustand und Unterstützungsstufe zählen zu den Standardinformationen. Die Unterstützungsstufen wechselt man mit Tasten am Display oder über eine zusätzliche Bedieneinheit mit Plus- und Minus-Taste in Griffnähe.
An Mountainbikes kommen oft kleinere Anzeigen zum Einsatz, die auf Spritzwasserschutz setzen und den sportlichen Auftritt weniger stören. „Am MTB sinnvoll sind auf jeden Fall vom Griff aus erreichbare Tasten, ob direkt im Display integriert oder als Satellitentaster", sagt Filippek. Er empfiehlt mit Blick auf die Kosten, grundsätzlich die Funktionsfülle kritisch zu hinterfragen. So benötigt nicht jeder eine Schaltpunkt-Anzeige oder muss über Smartphone-Apps von Drittanbietern wie Komoot oder Strava, Audible oder Spotify einbinden können.
Wichtiger sind die Basics: Lässt sich das Display auch bei Sonneneinstrahlung gut ablesen? Ist es neigungsverstellbar? Komme ich mit der Menüführung klar? All das sollte man bei einer Probefahrt ausprobieren. Entwickler Beckert empfiehlt, die Probefahrt für einen simulierten Jahreszeitentest zu nutzen: „Lassen sich Schalter und Touch-Flächen auch mit Fahrradhandschuhen noch gut bedienen?"
Wer ohne Anzeige auskommt, muss sich um solche Dinge nicht kümmern. Auf Displays verzichten vor allem E-Rennräder und Urbanbikes, mal aus Gewichts- und Aerodynamik-, mal aus Stilgründen. Vorrangig Heckmotor-Bikes haben lediglich einen Power-Knopf auf dem Oberrohr, über den sich auch die Fahrstufen anwählen lassen. Im Grundsatz ist das umständlicher, im Alltag mitunter kaum relevant – weil viele Biker meist eine Stufe präferieren, sagt Filippek. Schon unpraktischer bei Bikes ohne Display ist: Eine exakte Akku-Ladestandsanzeige am Fahrrad fehlt. Genaue Prozente liefert erst die zugehörige Smartphone-App, die die Hersteller anbieten.
Bremsen
Die meisten E-Bikes werden mit Scheibenbremsen angeboten. Felgenbremsen sind out – vor allem bei Nässe leidet die Bremswirkung. Allenfalls hochwertige hydraulische Felgenbremsen seien am E-Bike zu empfehlen, sagt VSF-Mitarbeiter Witte, sie gebe es nur von Magura, einziger Hersteller und einst Pionier in dem Bereich. Scheibenbremsen bieten die volle Bremskraft auch bei Wind und Wetter, erläutert ADFC-Technikexperte Filippek. Wichtig sei das bei E-Bikes umso mehr, weil mit ihnen schneller und öfters beschleunigt und wieder abgebremst werde als mit einem normalen Fahrrad. „Die Bremsleistung ist grundsätzlich höher und besser dosierbar. Scheibenbremsen haben sich als am zuverlässigsten herausgestellt."
Unterschieden werden rein mechanische Scheibenbremsen mit Seilzug und hydraulische Scheibenbremsen, die mit Mineralöl oder Bremsflüssigkeit funktionieren – E-Bikes werden aber fast nur noch mit Hydraulik bestückt. Dabei gilt: Je größer die Bremsscheibe, desto besser die Verzögerungswerte und geringer die Bedienkräfte am Bremshebel. Gängige Durchmesser liegen zwischen 140 Millimetern bei City-Bikes und bis zu 223 Millimetern an Vorderrädern von MTBs und Lastenrädern. Bremsen sind umso bissiger und feiner dosierbar, je mehr Kolben auf die Scheibe drücken. Es gibt Modelle mit einem, zwei und vier Kolben – letzte vor allem für Mountain- und Cargobikes, sagt Ingo Witte. Bei den übrigen E-Bikes seien zwei Kolben ausreichend.
Rahmen
Weil E-Bikes stärkeren fahrdynamischen Kräften ausgesetzt sind und das Akkufach im Rohr die Stabilität der Geometrie grundsätzlich schwächt, fahren sie mit speziell entwickelten Rahmen. „Sie sind fester und steifer ausgelegt, damit sie nicht brechen", sagt Ingenieur Beckert. Dank permanenter Qualitätskontrolle seien E-Bikes namhafter Hersteller den Herausforderungen in aller Regel gewachsen. Von „Billigimporten aus Asien" rät er allerdings ab.
Für Kunden bedeutet das: Sie können sich darauf konzentrieren, ob der Rahmen zu ihren Körpermaßen passt. Auch das sollte bei einer ausgiebigen Probefahrt herausgefunden werden. Händler stehen Kunden beratend zur Seite; wer es ganz genau nimmt, kann zum Bikefitter gehen. Wahlmöglichkeiten gibt’s noch beim Werkstoff. Die meisten E-Bikes fahren zwar mit Alu-Rahmen – in erster Linie bei E-Rennräder und E-MTBs aber wächst das Angebot an Carbonrahmen. Preislich geht’s dann erst bei 4.000 bis 5.000 Euro los. Zum Gegenwert gehören bessere Dämpfungseigenschaften und reduziertes Gewicht. Die leichtesten E-Rennräder rücken mit knapp elf Kilo an unmotorisierte Racer heran, E-MTBs wiegen teils nur noch um die 18 Kilo – weniger als ein Hollandrad. Doch sie kratzen als High-End-Produkte an der 10.000-Euro-Marke – fast das Vierfache des Durchschnittspreises für ein E-Bike.