Zahllose Gruppen und Ehrenamtliche engagieren sich im Kampf gegen den Klimawandel. Bei aller Einsatzbereitschaft braucht es aber auch effektive Methoden. Dr. Nida Bajwa leitet dazu das internationale, von der EU geförderte Projekt „Psyclic".
Herr Bajwa, wie kam das Projekt „Psyclic" zustande?
Meine Mitarbeitenden und ich kommen aus dem Fachbereich der Arbeits- und Organisationspsychologie, welches sich traditionell mit den drei Hauptfeldern Organisationsentwicklung, Personalauswahl und Personalentwicklung auseinandersetzt. Da viele Psychologie-Studierende eher im linken politischen Spektrum zu verorten sind, sind Wirtschaftsthemen eher negativ besetzt. Seit einigen Jahren schon arbeiten wir in internationalen Kapazitätsaufbauprojekten und versuchen, in Entwicklungsländern an der Verbesserung der Arbeitsmarktsituation für Absolvierende zu arbeiten. Im letzten Sommer haben wir uns überlegt, wo wir den Aspekt „Social Impact" unserer Arbeit noch stärker herausstellen können, da wir zwar viel mit Zielgruppen im internationalen Kontext zusammenarbeiten, aber noch mehr für die hiesigen Studierenden machen könnten. In diesem Kontext tauchte dann auch im Austausch mit Vereinen, Organisationen und Unternehmen das Thema „Klimawandel" auf. Und hier haben wir festgestellt, dass es gerade im Bereich Freiwilligenarbeit, insbesondere dem Klima-Aktivismus, wie beispielsweise „Friday’s for Future" und den „Psychologist’s for Future", Bedarf gibt. Denn hier liegen die Herausforderungen vor allem in der Ausgestaltung von nachhaltigem Aktivismus oder auch ehrenamtlicher Tätigkeit als solcher.
Was ist der Grundgedanke dahinter?
Gerade ehrenamtliches Engagement bringt große Herausforderungen im Bereich der Zusammenarbeit mit sich. Wir haben daher mit Klima-Aktivismus-Gruppen gesprochen und nach deren Bedürfnissen gefragt, um Mehrwerte zu gestalten. Im Zuge dessen wurde deutlich, dass es Herausforderungen in freiwilligen Organisationen gibt, die man aus einer arbeits- und organisationspsychologischen Perspektive bis jetzt noch nicht verstanden hat. Das können motivationale Aspekte sein, also die Fragen: Warum beteilige ich mich überhaupt bei einer Organisation? Was ist meine persönliche Motivation? Wie kann man Organisationsformen gestalten, dass Leute am Ball bleiben? Ausgehend davon, dass sich solche Aspekte von „normaler" Arbeit unterscheiden könnten, haben wir die Gedanken hier am Lehrstuhl bei uns weiterentwickelt. Es macht Sinn, das Ganze in einer interdisziplinären Perspektive innerhalb der Psychologie einzubetten. Denn es gibt nicht nur unseren Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie, der sich mit diesen Themen beschäftigt. Beispielsweise die Sozialpsychologie, die sich mit Gruppenprozessen auseinandersetzt und Modelle parat hat, um auf theoretischer Ebene psychologische Mechanismen zu verbessern. Genauso gibt es schon seit längerer Zeit den Bereich der Umweltpsychologie, die sich klimabezogene Themen auf einer sehr theoretischen Basis anschaut. Wir möchten diese Perspektiven mit einem anwendungsbezogenen Fach, nämlich der Arbeits- und Organisationspsychologie, zusammenbringen. So möchten wir nicht nur einen Mehrwert für die Bedarfe der genannten Organisationen schaffen, sondern auch eine neuartige Form des Unterrichts kreieren, der den Studierenden helfen kann, psychologische Phänomene ganzheitlicher zu verstehen.
An welche Zielgruppen richtet sich das Projekt?
Wir haben im Grunde zwei Zielgruppen. Zum einen die Studierenden, die eine breitere Perspektive auf das Thema Klimawandel aus einer psychologischen Perspektive bekommen sollen, zum anderen die Vereine und Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten und denen wir Hilfestellungen geben wollen, wie sie mit Herausforderungen des ehrenamtlichen Engagements innerhalb ihrer Organisation umgehen können.
Das alles klingt zunächst sehr abstrakt. Wie können diese Ziele umgesetzt werden?
Zunächst einmal arbeiten wir hier in einem Projekt, das von der EU gefördert wird und recht Grundlagen orientiert ist. Das heißt, uns wird die Möglichkeit gegeben, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren Ideen zu entwickeln und zu erproben. Unsere Psychologiestudierenden möchten wir sensibilisieren, dass sie mit ihren im Studium erworbenen Kompetenzen einen wertvollen Beitrag in der Klimadebatte leisten können. Dieser Beitrag kann sich zum einen in psychologischen Erklärungen ausdrücken und zum anderen in der aktiven Unterstützung bei der Organisationsentwicklung von Klima-Aktivismus-Gruppen. Natürlich gehört dazu auch, zu verstehen, welchen Beitrag Wirtschaftsunternehmen im Allgemeinen zum Klimaschutz leisten können und Mechanismen zu identifizieren, um ihnen ihre Verantwortung bewusst zu machen. Allerdings möchten wir uns überwiegend auf Non-Profit-Organisationen, die sich dem Klimaschutz widmen, konzentrieren. In Klima-Aktivismus-Gruppen geht es darum, den Menschen zu helfen, ihre Motivation langfristig aufrechtzuerhalten und gewinnbringend für die Gesellschaft einzubringen.
Wie könnte man das Klima-Bewusstsein anderer Menschen verändern?
Es ist mittlerweile beispielsweise wenig zielführend, den Menschen noch mehr Angst bezüglich des Klimawandels zu machen. Das Bewusstsein für den Klimawandel ist bei den meisten Menschen in Europa mittlerweile vorhanden. Es geht eher darum, wie ich die Botschaft und die Angst davor, dass sich etwas verändern wird, mit entsprechenden Lösungen verknüpfen kann. Denn übertriebener Idealismus bringt einen in diesem Themenfeld nicht sehr weit, man muss ihn auch mit Lösungen verknüpfen.
Was ist ihre Rolle als Arbeits- und Organisationspsychologe innerhalb dieses Projekts?
Ich würde sagen der Begriff „Vermittler" oder „Moderator" trifft es und die dezidierte Rolle, Perspektiven anderer übernehmen zu können. Es geht darum, zu verstehen, was die Barrieren sind, die sich nicht immer aus dem konkreten Verhalten übersetzen lassen. Dazu zählt auch, zu wissen, dass man seine eigene – wissenschaftlich fundierte – Meinung hat, aber sein Gegenüber damit auch irgendwie abholen muss. Die Frage, wie man es schafft, anderen Menschen eine Perspektive zu vermitteln, spielt eine Rolle. Und in unserem konkreten Fall auch, wie wir es schaffen, unseren Studierenden wiederum dies zu vermitteln. Unsere Aufgabe ist es, die theoretischen Hintergründe zu entschlüsseln, warum Menschen in Bezug auf Klimawandel so handeln, wie sie handeln. Anknüpfend daran möchten wir Erklärungsmodelle entwickeln, die auch dazu taugen, ein Gespräch in eine gewisse Richtung zu lenken. Und natürlich innerhalb der Politik eine Veränderung zu erreichen auf Basis einer soliden wissenschaftlichen Argumentation und Kommunikation. Daneben möchten wir den Klima-Aktivismus-Organisationen von innen heraus helfen, sich auf einer organisationspsychologischen Ebene besser zu strukturieren. Hier geht es beispielsweise um ganz grundlegende Dinge wie den Umgang mit Konflikten in einer Organisation, die auf einer thematisch-inhaltlichen oder einer zwischenmenschlichen Ebene entstehen können. In Non-Profit-Organisationen gibt es zum Beispiel anders als in Wirtschaftsunternehmen kaum Möglichkeiten zu Sanktionen bei nicht geleisteter Arbeit. Aber trotz des ehrenamtlichen Engagements gibt es Erwartungen an die einzelnen Aktivisten und an Gruppen, sodass Konfliktsituationen jederzeit auftreten können. Hier möchten wir zum Beispiel Hilfestellungen in Form von Handlungsvorschlägen aus einer arbeits- und organisationspsychologischen Perspektive leisten und somit zu einer konstruktiven Konfliktkultur in der Freiwilligenarbeit im Bereich Klima-Aktivismus beitragen.