Ressourcen schonen, umweltverträglich produzieren, für faire Arbeitsbedingungen sorgen. Längst steht das auf der Agenda großer und kleiner Mode- und Textilproduzenten. FORUM sprach mit Friederike von Wedel-Parlow über die Auswirkungen der Corona-Pandemie und Chancen durch Digitalisierung.
Frau von Wedel-Parlow, die Corona-Krise hat erhebliche Auswirkungen auf fast alle Wirtschaftszweige- auch die Textil- und die Modebranche sind massiv davon betroffen. Unter diesen Vorzeichen fand im Januar im Rahmen der fast ausschließlich digitalen Fashion Week in Berlin auch ein Fashion Summit statt. Sie haben diese Veranstaltung mit ins Leben gerufen – vor welchem Hintergrund?
Wir haben Anfang des Jahres unter erheblichem Zeitdruck den 1. Fashion Summit auf die Beine gestellt, ein Kraftakt, der sich gelohnt hat. Wir wollten mit diesem digitalen Format eine neue Brücke zwischen Mode, Nachhaltigkeit, Technik und Kreativität schlagen – und ich glaube, das ist schon ganz gut gelungen. Hintergrund ist natürlich auch der Umzug der großen Modemessen von Berlin nach Frankfurt, die Fashion Week Berlin muss daher ein neues Profil entwickeln. Und solch ein Format wie der Fashion Summit, bei dem Akteure aus ganz unterschiedlichen Bereichen über aktuelle und zukunftsweisende Trends und Entwicklungen diskutieren, könnte dabei ein Baustein sein.
Vielleicht der schwergewichtigste Themenkomplex bei dieser digitalen Konferenz und jetzt auch wieder bei der Messe „Green Tech" – das Thema Nachhaltigkeit im Modedesign beziehungsweise in der Produktion. In den letzten Jahren hat sich da enorm viel getan, zahlreiche Labels haben Konzepte entwickelt, wie Ressourcen geschont werden können, wie Mode sozial- und umweltverträglich hergestellt werden kann. Ist die nachhaltige Mode damit jetzt endgültig im Mainstream angekommen?
Eines ist klar, alle Unternehmen haben längst gemerkt, dass sie am Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbeikommen. Von den Textilien aus zertifizierter Bio-Baumwolle im Angebot von Discountern bis hin zu „Conscious Collections" großer Modeketten. Man könnte also sagen, dass das Thema auf der Herstellerseite durchaus im Mainstream angekommen ist. Und das bezieht sich nicht nur immer auf das Produkt selbst, sondern auch auf die Prozesse, die rund um den Verkauf im Hintergrund ablaufen. Momentan ein wichtiges Thema: der Umgang mit Überkapazitäten, überschüssig produzierte Kleidung wurde bislang meist vernichtet. Im Herbst 2020 wurde aber das Kreislaufwirtschaftsgesetz beschlossen, nach dem die Vernichtung neuwertiger Ware verboten ist. Ein Signal, denn selbst die großen Player der Branche wie Amazon oder Zalando merken jetzt, dass die tonnenweise Vernichtung von Kleidungsstücken nicht mehr toleriert wird. Letztendlich aber haben die Kunden den größten Einfluss, mit ihrer Kaufentscheidung beziehungsweise der Entscheidung, wie sie die Kleidung nutzen.
Oft hat man den Eindruck, dass es kleineren Modelabeln besser gelingt, ein Nachhaltigkeitskonzept bis ins Detail umzusetzen – vielleicht weil die Produktionsmengen geringer sind, der ganze Prozess damit übersichtlicher wird?
So pauschal lässt sich das nicht sagen. Natürlich ist es für große Unternehmen oft sehr schwer, den Überblick über die Feinheiten in der gesamten Produktionskette zu behalten. Denn die Strukturen in den Herstellerländern beispielsweise in Südostasien sind teilweise recht unübersichtlich, wenn Textilfabrikanten wiederum zahlreiche Subunternehmer beschäftigen. Einfacher ist es natürlich, wenn ein kleines Label in Europa mit einer bestimmten Werkstatt in Indien oder Bangladesch zusammenarbeitet, sich vor Ort umgesehen, über die Produktions- und Arbeitsbedingungen der Angestellten informiert und sich somit ein Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Andererseits haben mittlerweile auch viele größere Player in der Modebranche ein Netzwerk ausgewählter Fabriken und Manufakturen in Asien oder Afrika, in denen den Beschäftigten faire Löhne gezahlt und Umweltstandards eingehalten werden. Das zahlt sich jetzt in der Krise aus. So hat das nachhaltige Label „Armed Angels" für seine Baumwollbauern in Indien ein Kollektiv gegründet, Kühe angeschafft als weitere Einnahmequelle. So sollen die Zulieferer auch bei krisenbedingtem rückläufigen Absatz überleben können.
Noch vor gut zwei Jahren haben Sie in einem Interview „Mode als Treiber zum positiven Wandel unserer Kultur" beschrieben. Seit rund einem Jahr stecken wir mitten in einer Pandemie, der Absatz in der Modebranche ist massiv zurückgegangen, schon allein, weil der Einzelhandel monatelang im Lockdown war. Hat die Pandemie aber auch positive Auswirkungen auf die Modebranche?
So seltsam es sich vielleicht zunächst anhört, die Modebranche könnte gerade jetzt einen größeren Schritt Richtung Nachhaltigkeit machen. Darüber wurde auch intensiv auf dem Fashion Summit diskutiert. Das Verständnis von Mode hat sich in diesem einen Jahr radikal geändert – man kommt mit viel weniger aus! Das wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen- egal, ob sich daraus Leasing-Konzepte für Kinderkleidung entwickeln oder der Boom von Secondhand-Plattformen, selbst Zalando hat sich jetzt ein „Stück des Kuchens gesichert". Dazu kommt die immer größere Bedeutung von digitalen Prozessen – Mode muss ja nicht immer ein physisches Produkt sein. Das sind ungeahnte Möglichkeiten, wenn man beispielsweise an Markt-Testungen denkt – und unglaublich ressourcensparend!