Mit ihrer Anstellung wurde die Neustrukturierung des LSVS abgeschlossen: Joachim Tesche und Johannes Kopkow. Die Verträge der hauptamtlichen Vorstände gelten für die nächsten fünf Jahre. Ihre Zukunftspläne reichen allerdings weiter.
Seit einem halben Jahr sind Joachim Tesche und Johannes Kopkow damit beschäftigt, Altlasten des vor allem durch einen Finanz-Skandal arg gebeutelten Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) aufzuarbeiten. Die hauptamtlichen Vorstände wurden am 1. Februar 2021 eingestellt und bilden seither nach der Mitgliederversammlung und dem Aufsichtsrat das dritte Organ des LSVS. Als solches wollen sie auch neue, eigene Akzente setzen. Nicht ganz einfach während einer Pandemie.
„Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen"
„Wir konnten die Zeit gut nutzen, die Menschen im und um den LSVS kennenzulernen. Allerdings ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen", sagt Johannes Kopkow und ergänzt: „Wir wurden bisher überall mit offenen Armen und – sofern es hinter der Maske sichtbar war – auch mit einem Lächeln empfangen und haben uns von Anfang an sehr gut aufgenommen und wohlgefühlt." Der 38-jährige Diplom-Kaufmann für Sportmanagement kümmert sich vornehmlich um die sportlichen Themen und das Marketing. Der Schwerpunkt des 42-jährigen ehemaligen Weltklasse-Badmintonspielers Joachim Tesche, ebenfalls Diplom-Kaufmann, liegt auf den Finanzen. „Die Mitglieder kommen immer wieder mit Themen auf uns zu, und wir versuchen, gemeinsam etwas zu bewegen. Bisher klappt das ganz gut, und wir sind frohen Mutes", berichtet Kopkow: „Es ist natürlich immer wieder herausfordernd, aber es macht unheimlich viel Spaß." Aufgrund der Fülle drängender Fragen und auch der bloßen Anzahl an Personen, mit denen sie im Austausch standen, bezeichnet er die ersten 200 Tage im Amt als „schon sehr intensiv." Mit einer Metapher versucht Johannes Kopkow die Arbeit zu verdeutlichen: „Es gibt einige Kellerräume im LSVS, in denen Unordnung herrscht. Unsere Aufgabe war und ist es, dort aufzuräumen", erklärt er und gibt zu: „Dabei atmen wir immer tief durch, wenn sich unter etwas, das wir anpacken, nicht noch etwas findet, das Geld kostet oder irgendwelche Probleme verursacht."
Die Neugestaltung der Internetseite des LSVS war das erste eigene und bisher auch größte öffentlich sichtbare Projekt des neuen Vorstandes. Dabei ging es um mehr als nur ein neues Design. Marketing-Experte Kopkow nennt den neuen Webauftritt „unsere Speerspitze der Kommunikation." Diesen Kellerraum habe man ausgemistet, neue Regale reingestellt und eingeräumt und allem einen neuen Anstrich verpasst. Der LSVS versteht sich als Hauptansprechpartner des organisierten Sports im Saarland und will künftig nicht nur über Krisenbewältigung oder Selbstverteidigung berichten, sondern sich zu sportlichen Themen öffentlich positionieren und Aktivitäten und Fortschritt kommunizieren – auch über die neue Internetseite. Die wiederum müsse „stetig verbessert werden, um für die Nutzerinnen und Nutzer auch stets einen Mehrwert zu bieten", betont Kopkow. Worten Taten folgen zu lassen, scheint eine wichtige Komponente im Selbstverständnis des neuen LSVS zu sein. Stets geleitet von dem Ziel, das in den Finanzskandal-Jahren verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen. Deshalb gibt es auf der neuen Internetseite einen eigenen Bereich, der ausschließlich dem Thema Transparenz gewidmet ist. Mit dem öffentlichkeitswirksamen Coup, dort unter anderem auch ihre eigenen Gehälter offenzulegen, haben die Vorstände gleich eine Duftmarke gesetzt.
Der nächste wichtige Schritt steht kurz bevor: die Wiederherstellung der Autonomie des LSVS. Hierzu soll die Bestellungsurkunde des umstrittenen Chef-Sanierers, Chief Restructuring Officer (CRO) Michael J. Blank, zurückgenommen werden. Ursprünglich sollte Blank die Kontrollfunktion bis Ende 2021 ausführen. „Hier haben wir gemeinsam mit dem CRO, der Landesregierung und der Bank eine Lösung gefunden und es wird zeitnah so sein, dass der LSVS nicht mehr im direkten Zusammenhang mit Krise zu verstehen ist, sondern dass wir uns autonom unseren Kernaufgaben widmen können", sagt Joachim Tesche erleichtert. Die Landesbank SaarLB hatte dem LSVS im Mai 2019 ein Darlehen über 13,9 Millionen Euro gewährt. Die Voraussetzung für die Ablösung Blanks, ein testierter Jahresabschluss 2020, wird in den kommenden Wochen vorliegen. Die neue Grundlage für autonomes Handeln ist mit der neuen Satzung bereits erstellt. Sie liegt derzeit zur Prüfung und Durchsicht bei der Rechtsaufsicht, dem saarländischen Innenministerium. „Wir hoffen, dass dies so gut wie möglich über die Bühne geht – das bedeutet vor allem: geräuschlos. Daran muss sich die Bevölkerung für die Zukunft gewöhnen", kündigt Johannes Kopkow an.
Aus den Mitgliedsverbänden erreichen die Vorstände durchaus auch kritische Stimmen. Mancherorts ist weiter von „die da oben beim LSVS wissen gar nicht, wie es uns Kleinen geht" die Rede. „Wenn man solches Feedback mitbekommt, weiß man, dass man noch viel Wegstrecke vor sich hat", findet Joachim Tesche, „das muss aufgebrochen werden. Wir sind ja für den Sport da, und unsere Arbeit muss wahrnehmbar für alle einen substanziellen Mehrwert bringen. Es reicht nicht, die immer gleiche Geschichte zu erzählen." In der Corona-Pandemie zum Thema Sport gehört zu werden, scheint allerdings ein schweres Unterfangen zu sein. Jedenfalls im Saarland, das mit Blick auf Öffnungen im Sport immer noch dem Bundesdurchschnitt hinterherhinkt: „Darauf haben wir immer wieder hingewiesen, aber bisher anscheinend noch nicht die richtigen Worte gefunden", meint Johannes Kopkow, der sich insbesondere um den Nachwuchs große Sorgen macht: „2020 haben unsere Verbände und Vereine rund 10.000 Mitglieder verloren. In der Altersklasse unter 19 Jahren, also bei den Kindern und Jugendlichen, sind es 17 Prozent. Das ist schon erschreckend", sagt er und ergänzt: „Dann sieht man im Finale der Fußball-Europameisterschaft 60.000 Zuschauer in einem Stadion und fragt sich, ob Lockerungen im Sport nicht schon früher möglich gewesen wären." Der Sport habe demnach nicht „die gemeinschaftliche Lobbyarbeit an den Tag legen können, wie das vielleicht andere Interessengruppen hinbekommen haben."
Viele Vereine verlieren Mitglieder
Perspektivisch wollen Johannes Kopkow und Joachim Tesche die Entwicklung einer Konzeption zur Aufstellung des Sports für die Zukunft angehen – sowohl den Breiten- als auch Leistungssport betreffend. Dabei sollen die jeweiligen Schwerpunktsetzungen, Finanzierungsmodelle, Entwicklungspotenziale sowie die Nutzung und Weiterentwicklung der vorhandenen Sportstätten auf den Prüfstand. „Verknüpft mit der Frage, wie das alles besser vermarktet werden kann", merkt Kopkow an. Mit Blick auf den ersten eigenen Wirtschaftsplan ergänzt Tesche: „Wir werden nicht mehr ausgeben, als wir haben. Und von dem, was wir haben, muss auch ein großer Teil in die Tilgung fließen." Schließlich sind noch nicht alle Kellerräume beim LSVS aufgeräumt.