Immer mehr Menschen aus Afghanistan und Westafrika drängen Richtung EU
Die Corona-Pandemie verschärft in vielen Ländern der Welt die politischen und wirtschaftlichen Krisen. In Afghanistan fliehen die Menschen vor den Taliban, in Westafrika vor wankenden Regimen und Armut. Viele drängt es nach Europa – vor allem nach Deutschland.
Nach dem Abzug der Bundeswehr und anderer Nato-Einheiten aus Afghanistan macht sich am Hindukusch Angst breit. Die radikalislamischen Taliban kontrollieren mittlerweile weite Teile des Landes. Viele Afghanen fürchten, dass das islamische Mittelalter zurückkehrt. Sie zahlen mehrere Tausend Dollar für einen Schleuser, der sie auf geheimen Pfaden nach Westen bringt.
Türkische Medien schätzen, dass derzeit jeden Tag 1000 bis 1500 Menschen aus Afghanistan über den Iran in die Türkei kommen. Es handelt sich überwiegend um junge Männer im Alter von 16 bis 25 Jahren.
In der Türkei leben bereits mehr als vier Millionen Migranten, darunter 500.000 Afghanen. Ihre Zahl dürfte in den kommenden Monaten weiter ansteigen. Die Regierung in Ankara baut bereits vor: Auf einer Strecke von mehr als 140 Kilometern entlang der rund 500 Kilometer langen Grenze zum Iran soll eine drei Meter hohe Betonmauer errichtet werden. Schlepper werden jedoch Schleichwege durch das unwegsame Gelände finden – an der Mauer vorbei.
Die Türkei ist für die meisten afghanischen Flüchtlinge nur eine Zwischenstation. Viele wollen weiter in die EU. Vor allem Deutschland gilt wegen seiner vergleichsweise großzügigen sozialen Leistungen als ersehntes Ziel.
Der Weg dorthin führt über Griechenland. Eine Hauptroute durchkreuzt die Ägäis, wo Schleuser die Menschen mit Schlauchbooten von der türkischen Küste zu einer der griechischen Inseln bringen. Ein weiterer Fluchtweg verläuft über den Fluss Evros, der im Norden die Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland bildet.
In Griechenland stellen die Flüchtlinge aus Afghanistan inzwischen die größte ethnische Gruppe der neu ankommenden Schutzsuchenden. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 11.000. Afghanische Migranten können allerdings in Griechenland nicht mehr mit Asyl rechnen. Denn im Frühjahr entschied Athen, dass die Türkei für Afghanen ein sicheres Drittland ist. Flüchtlinge, die über die Türkei nach Griechenland kommen, können wieder dorthin abgeschoben werden. Die Türkei nimmt allerdings seit März 2020 keine Migranten mehr aus Griechenland zurück, obwohl sie sich 2016 im Flüchtlingspakt mit der EU dazu verpflichtet hatte. Das ermutigt viele Afghanen, sich von den Schleppern nach Griechenland bringen zu lassen.
Auf der spanischen Ferieninsel Gran Canaria prallen in diesen Tagen die Gegensätze aufeinander. Die eine Seite ist die idyllische Welt der Urlauber, die auf der Suche nach Sonne und Erholung per Flugzeug im Inselparadies landen. Die andere sind die afrikanischen Migranten, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben in immer größerer Zahl mit wackeligen Booten auf der Vulkaninsel ankommen.
Seit Jahresbeginn wurden bereits 200 Schiffe mit insgesamt 7500 Menschen vor den Kanarischen Inseln gerettet. Das sind laut spanischem Innenministerium mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die meisten Menschen stammen aus den afrikanischen Armutsländern unterhalb der Sahara. Auch aus dem nahen Marokko kommen viele junge Menschen.
Die Flüchtlingskrise konzentriert sich auf die Südspitze Gran Canarias. Im vergangenen Herbst gingen Bilder von dort um die Welt, nachdem innerhalb weniger Tage Tausende Migranten aus dem Atlantik gerettet wurden und sich auf der Hafenmole drängelten. In diesem Sommer ist die Insel besser vorbereitet. In den letzten Monaten wurden Aufnahmelager mit EU-Geldern gebaut. Die Abschiebung von Nicht-Bleibeberechtigten hat sich eingependelt. Auch die Überführung aufs spanische Festland funktioniert.
Die meisten Afrikaner, die Kurs auf die Kanarischen Inseln nehmen, wollen nicht in Spanien bleiben, sondern in andere europäische Länder weiterreisen. Vor allem nach Frankreich, aber auch nach Deutschland. Spanien hat wegen einer restriktiven Asylpolitik bei den afrikanischen Einwanderern keinen guten Ruf. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR werden in Spanien nur fünf Prozent aller Asylanträge anerkannt. Der EU-Durchschnitt liegt hingegen bei 30 Prozent.