Das aktuelle, siebte Album von Lana Del Rey von hinten aufzuzäumen macht Sinn. Mit „For Free" covert Del Rey zum ersten Mal einen Song ihrer Singer/Songwriter-Heldin Joni Mitchell. Sie tut das mit Respekt und geschwisterlicher Verbundenheit – erwartungsgemäß souverän, schwebend, betörend. Mitchell’s Folk-Grandezza hatte ja schon bei den sechs gefeierten Vorgängern ihre Spuren hinterlassen, doch auf „Chemtrails Over The Country Club" erreicht sie neues Potenzial.
Die vor zehn Jahren mit „Video Games" fulminant erfolgreich gestartete Lana Del Rey ist fraglos selbst mit üppigem Charisma ausgestattet. Doch macht womöglich diese selbstbewusstere Annäherung an das Idol diese CD zum bislang überzeugendsten einer erstaunlichen Karriere. Wer den Reigen vorne startet wird vom bezaubernden „White Dress" empfangen, einer Hommage an jene Ära, als sich die Künstlerin noch als Kellnerin verdingte. Jeder Fan wird schon hier spüren, dass die ehemalige Kirchenvorsängerin hier in stimmlich höhere, emotional tiefere, zugleich gefestigtere, dringlichere Dimensionen vorzudringen vermag.
Wie kraftvoll kann Zartheit eigentlich klingen? Die Gänsehaut erzeugende Antwort findet sich hier –
und auf jedem weiteren Track. Noch besser geriet das Titelstück: Schwelgende Streicher und die perlenden Tasten des Pianos transportieren Del-Rey-Vertrautheit.
Indes: Ein unerwartetes Besen-Schlagzeug-Solo reibt die köstlich vibrierende, sanft tastende Songstruktur am Ende irritierend auf und zeugt damit sowohl von künstlerischer Freiheit als auch von schierer Genialität. Konsequent heruntergedimmte Vibes dominieren die komplette Laufzeit. Der Preis dieses faszinierenden Flows liegt wiederum in nur dezenten Variationen dunkler Balladen-Meisterschaft. Auf „Dark But Just A Game" verbindet sich Elliott-Smith-Melancholie mit Portishead’scher Trip-Hop-Coolness. „Yosemite" tönt fast schmerzhaft schön, „Tulsa Jesus Freak" gemahnt sanft elektrifiziert an Lana Del Rey’s christliche Prägung. Es ist atemberaubend.