„April, April, der macht, was er will“, so lautet ein bekanntes Sprichwort. Doch mittlerweile macht nicht nur der April, was er will. Die Fluten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zeigen: Dies sind keine vereinzelten Wetterphänomene, sondern Zeichen des Klimawandels.
Wassermassen in Deutschland, Waldbrände aufgrund von Hitzewellen in Sibirien und der Türkei: Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet für die Zukunft mit mehr Extremwetter. Dabei konnten zwar noch keine direkten Zusammenhänge zwischen extremen Wetterereignissen und Klimawandel festgestellt werden, aber die Häufung dieser Phänomene könnte ein Indiz dafür sein. Doch was ist eigentlich „Extremwetter“? Und was ist der Unterschied zwischen „Wetter“ und „Klima“?
Massive Schäden durch Extremwetter
Während Wetter einen kurzfristigen Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt oder einem kürzeren Zeitraum an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet meint, beschreibt „Klima“ ein eher langfristiges Phänomen. Dabei handelt es sich um eine Beschreibung typischer Verhältnisse basierend auf einer Vielzahl von Einzelbeobachtungen über einen Zeitraum von mehreren Dutzend Jahren. So gesehen ergibt sich das Klima aus dem Wetter und das Wetter ergibt sich aus dem Klima. Das Phänomen ähnelt der Geschichte mit dem Huhn und dem Ei. „Extremwetter“ dagegen meint ein außergewöhnliches Ereignis, das nur selten auftritt, beispielsweise Stürme, Hitzewellen oder extreme Regenfälle. Besorgniserregender Weise scheinen diese Ereignisse dabei gar nicht mehr so selten zu sein.
Wie man in den Unwetterregionen schmerzlich feststellen musste, ist Extremwetter unter derzeitigen Umständen noch schwer vorherzusehen, kann jedoch massive Schäden anrichten. 1886 begann man, das Wetter systematisch aufzuzeichnen. Seither bis zum Jahre 2019 konnte laut DWD ein Temperaturanstieg von 1,6 Grad Celsius festgestellt werden. 1,6 Grad wirken zunächst nicht viel, das Problem ist allerdings, dass Luft bei der Erwärmung um ein Grad bereits sieben Prozent mehr Wasser aufnimmt. Das aufgenommene Wasser muss sich irgendwo wieder entleeren und die Folge davon sind extreme Regenfälle. Osteuropa, Ostdeutschland und Teile Bayerns stehen immer stärker unter dem Einfluss der Mittelmeerwitterung: Tiefs saugen sich über dem Mittelmeer mit Wasser voll, ziehen an den Alpen vorbei und regnen sich in Mittel- und Osteuropa ab. Von 2001 bis 2009 war laut DWD fast jeder Ort in Deutschland – besonders Gebirgsregionen aufgrund der sich anstauenden Regen- und Gewitterwolken – von einem Starkregenereignis betroffen.
Die „Weltorganisation für Meteorologie“ (World Meteorological Organization, WMO) bestätigte, dass 2020 mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 14,9 Grad Celsius das zweitwärmste Jahr überhaupt war. Die globale Erderwärmung, die unter anderem auf den massiven Ausstoß von Treibhausgasen zurückgeführt wird, ist kein Geheimnis. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Polarkappen der Arktis zurückgehen. Allerdings hat auch das weitreichende Folgen, denn dadurch verändert sich der sogenannte Jetstream.
Jetstream schwächt durch Erderwärmung zunehmend ab
Dieser Luftstrom ist ein schmales, bandartiges Starkwindfeld in der Troposphäre oder Stratosphäre, das von vertikalen und horizontalen Windgeschwindigkeitsscherungen geprägt ist. Er befindet sich in circa zehn Kilometern Höhe über der Erdkugel und kann mehrere Geschwindigkeitsmaxima aufweisen. Der Jetstream sorgt unter anderem dafür, dass das Wetter, Hochs oder Tiefs, von einer Region zur anderen getrieben wird. Dies geschieht durch starke Strahlwinde, die auf Temperaturunterschiede in der Atmosphäre und die Erdrotation zurückzuführen sind. Aufgrund der zunehmenden Erderwärmung und der damit abnehmenden Temperaturunterschiede schwächt allerdings auch der Jetstream immer mehr ab. Dieser nimmt jetzt seltener seinen geradlinigen Kurs über den Äquator und driftet häufiger in großen Wellen über der Nordhalbkugel auf und ab.
In Europa sind die Folgen im Winter ungewöhnliche Kälteeinbrüche aus der Arktis, die durch die Störungen im stratosphärischen Polarwirbel – einem Bereich mit niedrigem Druck und extrem kalter Luft – verstärkt werden. Potsdamer Atmosphärenforscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) konnten mit Hilfe eines „Machine-Learning-Algorithmus“ nachweisen, dass die Ozonschicht in der Stratosphäre und damit bei der Veränderung des Jetstreams eine entscheidende Rolle spielt. Denn eine Veränderung der Ozonkonzentrationen wirkt sich auf die Lage des Jetstreams und in der Konsequenz auf die Temperaturen auf der Erdoberfläche und Ozeanströmungen aus. Demnach konnten Forscher die Prognose abgeben, dass der Jetstream sich bis Ende des 21. Jahrhunderts im Mittel ein bis zwei Grad weiter nach Norden verlagern wird; und dies zu einer weiteren Änderung von Variabilitätsmustern führt. Mit Variabilität ist gemeint, dass das Wetter räumlich und zeitlich verschiedene Ausprägungen annehmen kann.
Computer-Klimasimulationen als Forschungsbasis
Prof. Dr. Markus Rex, Leiter der Atmosphärenforschung des AWI, erklärt: „Unsere Ergebnisse untermauern zudem, dass die häufiger auftretenden winterlichen Kaltphasen in den USA, Europa und Asien der Klimaerwärmung nicht widersprechen, sondern vielmehr Teil des menschengemachten Klimawandels sind.“ Da der Meereisrückgang für eine größere Aktivität atmosphärischer Wellen sorgt, sei daher außerdem eine Zunahme der bislang beobachteten Extremwetterereignisse in den mittleren Breiten in ihrer Häufigkeit und Intensität abzusehen. Zuverlässige Daten zum Jetstream liegen erst seit den 1980er-Jahren vor. Forscher kritisieren, ein Zeitraum von 40 Jahren sei zu kurz, um gesicherte Aussagen über einen Zusammenhang zwischen dem menschengemachten Klimawandel und Extremwetter zu treffen. Klimaforscher und Meteorologe Prof. Dr. Mojib Latif dagegen betrachtet diesen Zusammenhang als ziemlich eindeutig. Man müsse unterscheiden, um welches Wetterextrem es sich handelt. Fälle von Starkregen seien schwerer in diesen Zusammenhang zu setzen, da Niederschläge schwer messbar seien. Weltweit könne die Zunahme ihrer Intensität und Häufigkeit allerdings genauso beobachtet werden wie die von starken Hitzewellen.
Die sogenannte Attributionsforschung oder auch Zuordnungsforschung ist ein junges Forschungsgebiet, das sich darum bemüht, genau diese Zusammenhänge klarer herauszustellen. Sie geht von einer tatsächlichen Ursache-Wirkung-Beziehung aus und möchte sie mithilfe von Computer-Klimasimulationen mit speziell gewählten Rahmenbedingungen nachweisen. Für einen direkten Vergleich simuliert sie daher zwei verschiedene Variationen. Zum einen eine Klimasimulation unter Verwendung aller bekannter Klimaantriebe, sprich den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 und so weiter. Zum anderen eine Klimasimulation ausschließlich unter Einbezug natürlicher Klimaantriebe wie Vulkanausbrüche, Änderung der solaren Einstrahlung et cetera. Mit diesem Vergleich und unter Berücksichtigung allgemein definierter Ereignisklassen – wie beispielsweise der Frage, ob ein Wirbelsturm exakt genauso ist wie ein anderer – erhoffen sich die Forscher einen direkten Einfluss des von Menschen gemachten Klimawandels auf das Wetter nachweisen zu können. So gelang es bereits Wissenschaftlern der World Weather Attribution zu zeigen, dass eine Hitzewelle in Sibirien im Jahr 2020 ohne den Klimawandel quasi unmöglich gewesen wäre. Selbst mit Klimawandel sollte eine derartige Hitzewelle nur alle 130 Jahre auftreten – ohne allerdings nur alle 80.000 Jahre.
Der Umstand, dass das Wetter mal verrücktspielt, ist keine Neuigkeit. Auch klimatische Veränderungen sind so alt wie die Welt. Doch der Umgang mit ihnen stellt nicht nur für Menschen eine zunehmende Herausforderung dar. Ob die Forschung eine Antwort auf die Frage nach dem „Wie?“ geben kann, bleibt offen. Möglicherweise bringt jedoch die Antwort auf das „Warum?“ schon etwas Licht ins Dunkel.