Die Pandemie hat alle finanzpolitischen Planungen über den Haufen geworfen. Kurz vor Ausbruch hatte das Saarland das Ziel der schwarzen Null und ein „Jahrzehnt der Investitionen“ vor Augen. Die Folgen der Pandemie werden erst in den nächsten Jahren vollständig sichtbar.
eter Strobel wirkt vergleichsweise entspannt, als er im traditionellen Sommergespräch mit Journalisten die aktuellen Zahlen zur Finanzsituation des Landes erläutert. Knapp eine Milliarde Euro an Kosten hat die Corona-Krise in den letzten eineinhalb Jahren verursacht, so der Finanzminister. Knapp zwei Drittel seien durch Mittel aus dem Bundeshaushalt abgedeckt, knapp 400 Millionen bleiben am Land hängen. Bei den Beratungen zum Doppelhaushalt Ende vergangenen Jahres hatte Finanzminister Strobel für das laufende Jahr 2021 bereits für coronabedingte Ausgaben etwas über 400 Millionen („Sondervermögen Pandemie“) einplanen lassen. Die aktuelle Entwicklung liegt somit in den Größenordnungen, mit denen die Haushälter gerechnet hatten.
An Entspannung ist dennoch nicht zu denken. „Die Corona-Lücke wird ab 2022 offenkundig“, sagt Strobel voraus und braucht dafür keine prophetischen Gaben zu nutzen. Ein Blick in die mittelfristige Haushaltsplanung reicht. Diese Planungen über mehrere Jahre basieren auf Steuerschätzungen, und natürlich sind Schätzungen, die nach Ausbruch der Pandemie entwickelt wurden, hinfällig. „Das ist kein Saarland-Spezifikum“, so der Minister. Damit haben alle Kassenwarte zu kämpfen. Während im Moment die Situation durch massive Hilfspakete ein wenig überdeckt wird, werden die wirklichen Folgen spätestens im kommenden Jahr deutlich.
Neue Debatte um Schuldenbremse
Immer mal wieder ist deshalb auch eine Debatte über die Schuldenbremse aufgeflackert. Die ist derzeit ausgesetzt, was bei der Konstruktion der Schuldenbremse auch bereits als Möglichkeit vorgesehen war, für unvorhersehbare und nicht selbst verschuldete Fälle. Dass diese Option, nämlich die ausdrückliche Feststellung einer außerordentlichen Notsituation, für das vergangenen und dieses Jahr gezogen wurde, bedurfte keiner Diskussion. Damit ist die Schuldenbremse ausgesetzt, Bund und Länder dürfen Schulden aufnehmen, um gegen die Pandemie und ihre Folgen zu kämpfen. Wie aber sieht das im nächsten und den folgenden Jahren aus, wenn die Pandemie etwa durch Impfungen soweit im Griff ist, dass es keine massiven Eingriffe (Lockdowns) mehr geben muss, aber gleichzeitig die nachhaltenden Folgen möglicherweise durch eine immer mal wieder befürchtete Pleitewelle deutlich würden? Wäre das ein ausreichender Grund für eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse und höhere Staatsverschuldungen? Finanzminister Strobel will zumindest „darüber nachdenken“, hält aber am Ziel fest, „so schnell wie möglich wieder zurück zu einem ausgeglichenen Haushalt“, also ohne neue Schulden.
Diesen Zustand hatte das Saarland gerade erst nach einem Jahrzehnt strenger Haushaltsdisziplin erreicht. Im Juni entließ der Stabilitätsrat, der die Einhaltung des Sanierungspfads akribisch kontrollierte, aus diesem Sanierungsverfahren. In normalen Zeiten wäre diese finanzpolitische „Stunde Null“ ein mehr als gerechtfertigter Grund zum Feiern gewesen. Das Land hatte sich binnen zehn Jahren von einem strukturellen Defizit von rund 1,25 Milliarden auf nur noch 120 Millionen (Plan 2020) heruntergearbeitet, um schließlich bei der geforderten „Schwarzen Null“ anzukommen. 2020 sollte das Jahr der großen finanzpolitische Wende werden, mit dem Start in ein „Jahrzehnt der Investitionen“ und dem „Saarlandpakt“, dem finanziell größten Projekt für die Kommunen. Aber es sind eben keine normalen Zeiten.
„Das dicke Ende kommt“, warnte Strobel bereits im März, als der Haushaltsabschluss für 2020 vorlag. Die Bilanz aus dem ersten Pandemiejahr: Mindereinnahmen (Steuern) und Mehrausgaben fielen in der Bilanz mit knapp 1,4 Milliarden Euro um gut 30 Millionen Euro höher aus, als es im Nachtragshaushalt geplant war. Insgesamt dürfte die Pandemie eine Neuverschuldung von zwei Milliarden Euro erfordern.
Bereits im vergangenen Jahr war ein Nachtragshaushalt mit einem Volumen von 2,1 Milliarden Euro beschlossen worden. Mit diesem auch historisch für das Land einmaligen Paket sollten die Corona-Folgen aufgefangen werden, aber eben nicht nur. Ministerpräsident Hans (CDU) sprach von einem „Modernisierungsschub“ für das Land, seine Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Rehlinger (SPD), sprach von Investitionen in „Innovation, wirtschaftliche Stärke und beste Bildung“. Mit in dem Paket dabei waren bedeutende Hilfen für die Kommunen.
Kommunen glimpflich durch die Krise
Deren Situation zeigt sich aktuell nicht ganz so dramatisch, wie es zu Beginn des ersten Lockdowns durch den Einnahmeausfall noch zu befürchten stand. Die wurden von Bund und Land kompensiert. Gleichzeitig gab es Entlastungen, etwa durch weitere Übernahme der Kosten für Unterkunft durch den Bund. Vor allem greift auch der Saarland-Pakt. Bei der Halbzeitbilanz im April hatte das Land die Kommunen in Höhe von 500 Millionen Euro entschuldet. Insgesamt übernimmt das Land mit rund einer Milliarde Euro die Hälfte der kommunalen Kassenkredite. Dazu kommt der kommunale Schutzschirm in der Pandemie. Letztlich fielen auch die Erstattungen für Gewerbesteuer höher aus als die Gewerbesteuerausfälle (was bundesweit gilt). Damit sind Kommunen bislang einigermaßen glimpflich durch die Krise gekommen, allerdings drohen Verluste, wenn die Hilfen auslaufen. Finanzminister Strobel sieht weiter den Bund in der Pflicht, zum Abbau von Kassenkrediten beizutragen und finanzschwache Kommunen bei Investitionen zu unterstützen. Die Forderung an den Bund bleibt bestehen, sich mit einem Altlastenfonds für hoch verschuldete Kommunen zu beteiligen. Finanzminister Olaf Scholz war mit seinem Vorschlag dazu zuletzt auch am Widerstand des Koalitionspartners gescheitert.