Schätzungen gehen davon aus, dass 15 bis 20 Prozent der Deutschen Gallensteine haben. Meist treten keinerlei Beschwerden auf. Nur wenn die Steinchen Schmerzen verursachen, sollte man über eine Operation nachdenken. Die minimalinvasive Entfernung der Gallenblase ist für die Chirurgen ein Routineeingriff.
Wer hätte das gedacht: Am häufigsten kamen Versicherte der Kaufmännischen Krankenkasse von 2006 bis 2016 wegen Gallensteinen unters Messer, auf den nächsten Plätzen folgten Knie- und Hüft-Operationen. Die Auswertung der Versicherungsdaten zeigte auch, dass Gallenstein-Operationen im selben Zeitraum um 15 Prozent zugenommen haben. Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gibt es in Deutschland jährlich etwa 170.000 Eingriffe an der Gallenblase. Das Risiko, Gallensteine zu entwickeln, nimmt ab dem 40. Lebensjahr deutlich zu. Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Oft sind die kleinen Steine harmlos. Viele Betroffene merken sie nicht, bei anderen verursachen die Gallensteine irgendwann Beschwerden. Dann stellt sich die Frage, ob nur die Symptome behandelt werden sollen oder ob eine Operation nötig ist. Nach einer Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie) sind die Schmerzen in der
Regel verschwunden.
Die Gallenblase, ein birnenförmiges Hohlorgan, liegt auf der rechten Bauchseite unterhalb der Leber. In ihr wird die Galle, die von der Leber für die Verdauung von Fetten im Darm produziert wird, eingedickt und gespeichert. Fälschlicherweise wird auch die Gallenblase selbst oft als „Galle“ bezeichnet. Die Gallenflüssigkeit besteht aus Wasser und verschiedenen Stoffen, die zum Teil nicht wasserlöslich sind. Wenn diese Stoffe verklumpen, entstehen Gallensteine. Sie können in der Gallenblase oder in den Gallengängen liegen. Ihre Größe reicht von einigen Millimetern bis zu wenigen Zentimetern.
Das typische Anzeichen für Gallenblasensteine sind sehr unangenehme krampfartige Oberbauchschmerzen, insbesondere nach dem Essen fettreicher Nahrung. Solche Koliken können entstehen, wenn die Gallensteine den Ausgang der Gallenblase oder die Mündung des Gallengangs in den Zwölffingerdarm blockieren, erläutert das IQWiG auf seiner Internetseite „Gesundheitsinformation.de“. Die Schmerzen treten in Wellen auf. Meist klingen sie nach spätestens einer Stunde ab und verschwinden einige Stunden später ganz. Gallengangsteine können ebenfalls krampfartige Schmerzen im Oberbauch hervorrufen. Zusätzlich kann es zu einer Gelbsucht kommen. Menschen mit Gallensteinen berichten manchmal auch über allgemeine Beschwerden wie Völlegefühl, Übelkeit oder Erbrechen. Betroffene mit großen Gallenblasensteinen oder mit bestimmten Formen einer Porzellangallenblase – dabei ist die Wand der Gallenblase verkalkt – haben ein erhöhtes Risiko für Gallenblasenkrebs.
Bis zu 20 Prozent der Deutschen entwickeln im Laufe ihres Lebens Gallensteine. Darauf verweist die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Pressemitteilung vom April 2018. Bei etwa einem Viertel der Träger machen sich die Steine durch Beschwerden wie Koliken oder Entzündungen bemerkbar. Ernährung, Bewegung, Geschlecht und Alter, aber auch die individuelle Veranlagung spielen bei der Entstehung eine Rolle.
„Am weitesten verbreitet sind die sogenannten Cholesterinsteine, die sich bilden, wenn zu viel Cholesterin von der Leber in die Galle gepumpt wird“, erklärt DGVS-Präsident Professor Dr. med. Frank Lammert. Besonders häufig sind übergewichtige Menschen von Gallensteinen betroffen. Um der Entstehung vorzubeugen, gelten die Regeln einer gesunden Gewichtsentwicklung: Eine ausgewogene, faserreiche und fettarme Kost, die viel Gemüse, jedoch wenig Zucker enthält, ist empfehlenswert, vor allem aber regelmäßige Bewegung von mindestens 30 Minuten pro Tag. Wer bereits adipös ist, sollte nicht allzu rasch an Gewicht verlieren. Denn auch dabei werde viel Cholesterin freigesetzt, sodass das Risiko für die Bildung von Steinen ansteige, so Lammert. Wenn der Gewichtsverlust 1,5 Kilogramm pro Woche übersteigt –
was bei einer strengen Reduktionsdiät oder nach einer Magenbypass-Operation bei schwerer Adipositas der Fall sein kann – besteht die Möglichkeit der medikamentösen Gallensteinprävention mit Ursodeoxycholsäure. Diese Substanz unterdrückt die Bildung von Gallensteinen. Haben sich erst einmal Gallensteine gebildet, bleiben sie auch bei noch so gesunder Lebensweise bestehen.
95 Prozent der OPs führt man mit einer laparoskopischen Technik durch
Gallenblasensteine festzustellen, ist in der Regel nicht sehr aufwendig. Laut dem Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) ist die Oberbauch-Sonografie die Methode der Wahl zur Gallenstein-Diagnostik. Steine in der Gallenblase sind schon ab einer Größe von ein bis zwei Millimetern auf dem Ultraschallbild deutlich zu sehen.
Bei der typischen Gallenkolik sind die Blutwerte meist noch normal. Erst bei Auftreten einer Komplikation wie einer Entzündung der Gallenblase zeigen sich erhöhte Entzündungswerte. Bei einer akuten Gallenkolik verschreibt der Arzt zunächst entzündungshemmende, schmerzlindernde und krampflösende Mittel sowie eine strikte Nulldiät, erläutert der BDI auf seiner Website „Internisten im Netz“. Liegt eine Entzündung der Gallenblase vor, werden außerdem Antibiotika verabreicht. Nach einer Kolik sollte der Betroffene erst nach einigen Stunden wieder mit einer leichten Kost beginnen.
Und wann sollte man operieren? „Die Gallenblasenentfernung ist nur dann notwendig, wenn Gallenblasensteine vorhanden sind, die Beschwerden machen“, erklärt Dr. Jochen Schuld, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie des Knappschaftsklinikums Saar in Sulzbach. Neben den kolikartigen Oberbauchschmerzen ist die akute Entzündung ein weiterer Grund, die Gallenblase zu entfernen. Hier empfiehlt der Chirurg eine frühzeitige Operation und parallel eine initiale antibiotische Therapie.
„Sollte eine frühzeitige Operation nicht möglich oder der Zeitpunkt zur frühzeitigen Operation überschritten sein, so ist zunächst eine alleinige antibiotische Therapie ohne Operation sinnvoll“, erläutert Dr. Schuld. Nach etwa sechs Wochen sollte dann die Gallenblase entfernt werden. Steine, die in den Gallengang wandern und dort den gemeinsamen Ausführungsgang für die Gallenflüssigkeit und die Bauchspeicheldrüsenflüssigkeit verstopfen, können das Bild einer Bauchspeicheldrüsenentzündung hervorrufen. Zunächst gilt es, den Stein mittels einer speziellen endoskopischen Untersuchung zu bergen und danach die Gallenblase zu entfernen. So kann man sekundären Komplikationen wie einer Gallenblasenentzündung oder einer erneuten Bauchspeicheldrüsenentzündung vorbeugen.
Laut Dr. Schuld gibt es an der Klinik in Sulzbach pro Jahr etwa 180 Operationen an der Gallenblase. Der weitaus größte Teil, circa 95 Prozent, kann mit einer laparoskopischen Technik durchgeführt werden. Die Standardmethode ist die sogenannte 4-Trokartechnik. Der Experte erläutert das Vorgehen: Etwas oberhalb des Nabels wird über einen etwa zehn Millimeter großen Schnitt die Kamera über eine Führungshülse eingebracht. Die Bauchhöhle wird mit CO₂ gefüllt. Dadurch vergrößert sich der Bauchraum, es ist Platz für die restlichen drei Zugänge: zwei Fünf-Millimeter-Zugänge unterhalb des rechten Rippenbogens sowie ein Zehn-Millimeter-Zugang im Oberbauch. Zum Einsatz kommen sehr dünne, lange Instrumente. „Die Gallenblase muss stets komplett entfernt werden, da diese der Ort ist, an dem sich die Steine bilden“, so Dr. Schuld.
In seltenen Fällen – bei einer sehr starken Entzündung der Gallenblase oder unvorhergesehenen intraoperativen Schwierigkeiten wie zum Beispiel Verwachsungen –
wird operativ auf ein offenes Vorgehen mit einem Schnitt unterhalb des rechten Rippenbogens gewechselt. Dieser Wechsel der Operationstechnik sei aber keine Komplikation, sondern geschehe immer zur Sicherheit und zum Wohle des Patienten, betont der Chefarzt. Die minimalinvasive endoskopische Operationsmethode hat im Vergleich zur offenen Operation viele Vorteile, zum Beispiel ein geringeres Zugangstrauma, geringere Schmerzen und eine geringere Rate an Wundinfektionen. Man kann auch ohne Gallenblase gut leben. Die Gallenflüssigkeit wird nach wie vor in der Leber gebildet und über die Gallengänge in den Darm transportiert. Spezielle Verhaltensregeln nach der Gallenblasenentfernung gebe es nicht, versichert Dr. Schuld.