Antike Mosaikböden zusammensetzen, römischen Schmuck säubern oder Knochen von im Mittelalter bestatteten Pferden begutachten – das und noch vieles mehr sind Fälle für Restauratorin Nicole Kasparek. Sogar die Polizei fragt um Rat.
Die Antwort-Mail auf unsere Gesprächsanfrage verschickte Diplom-Restauratorin Nicole Kasparek freitags gegen 17.15 Uhr. Die 50-Jährige arbeitet gern etwas länger. Sie liebt ihren Job und ist mit Herzblut bei der Sache. „Es ist meine Berufung", sagt die Angestellte in der Restaurierungswerkstatt des Landesdenkmalamtes. Vor ihr liegt ein Fund, der in der Vorwoche bei einer Grabung im Kreis Saarlouis entdeckt wurde. Bevor Kasparek den Ring anfasst, streift sie einen Handschuh über. „Es ist ein schönes Stück", sagt die Expertin. Trotz des geringen Durchmessers ist sie sicher, dass es sich um einen Armreif handelt. Den Schmuck trug früher eine Römerin an ihrem zierlichen Handgelenk. Auch das Material erkennt die Saarbrückerin auf den ersten Blick. Der Reif ist mit der typischen Patina überzogen, die entsteht, wenn Bronze lange in der Erde liegt. Einen kleinen Teil der korrodierten Oberfläche konnte die Restauratorin bereits mit dem Skalpell freilegen. Sie ist immer auf der Suche nach Bearbeitungsspuren und Verzierungen. Später wird das Stück noch chemisch entsalzt. Und zum Schluss erhält es einen durchsichtigen Schutzüberzug. „Eine Mischung aus Acryllack und Wachs", erläutert Nicole Kasparek. Nach der Konservierung wandert der Ring wieder dorthin, wo er hergekommen ist – zu den Archäologen, die ihn gefunden haben. Sie versuchen, die zutage geförderten Artefakte zum Sprechen zu bringen. Und so mehr zu erfahren über das Zusammenleben in früheren Zeiten, über handwerkliche Fertigkeiten und Ernährungsgewohnheiten, die Bedeutung von Kunst und Religion und den Umgang mit Krankheit und Tod. Bei der Fundstelle des Ringes handelt es sich um einen Opferplatz. Zurzeit werden dort viele kleine Gruben untersucht, in denen sich niedergelegte Gaben befinden – unter anderem Münzen. Nach der Einordnung durch die Archäologen kommt der Armreif ins Magazin des Landesdenkmalamtes. Wird auch mal etwas weggeworfen? Kasparek schüttelt den Kopf. Praktisch jedes Objekt, das auf ihrem Tisch landet, gilt als erhaltenswertes Kulturgut. „Ab einem bestimmten Alter wird alles archiviert, was man im Boden findet", erklärt sie. „Dazu verpflichtet uns das Denkmalschutzgesetz."
Weggeworfen wird nichts, sagt die Fachfrau
Die Restaurierungswerkstatt des Landesdenkmalamtes ist eine Fachabteilung der Bodendenkmalpflege, sie befindet sich im Souterrain des ehemaligen Bergwerks Reden in Schiffweiler. Mit dem Silikon aus dem Chemieraum werden Kopien geformt. Im Fotoraum erfolgt die Dokumentation. Und im Schlosserei- und Schreinereibereich fertigt Kasparek maßgeschneiderte Halterungen für Ausstellungsstücke. Die Artefakte, die sie bearbeitet, sind aus den unterschiedlichsten Materialien: Eisen, Bronze, Silber, Glas, Keramik. „Gold finde ich ziemlich langweilig", sagt die Restauratorin. Neben Schmuck begutachtet sie Amphoren, Münzen, Schlüssel, Feuersteine oder Rasiermesser. Beziehungsweise das, was davon noch übrig ist. Fundstücke aus organischen Materialien wie etwa Holzschälchen oder Ledersohlen sind im Saarland wegen der Bodenbeschaffenheit selten. Sie können nur in feuchten Gebieten und unter Luftabschluss überdauern. So wie die Moorleichen, die in Norddeutschland immer wieder mal auftauchen. Aber auch Gegenstände, die sich komplett aufgelöst haben, hinterlassen Spuren. Und damit Informationen. Abdrücke von Textilien auf Metallen erlauben Nicole Kasparek Rückschlüsse auf die Dicke des Fadens und die Webart. „Jedes Objekt ist anders", sagt die Expertin. Neben dem Skalpell und dem Mikroskop gehören Schleifgeräte, Pinsel und Pinzetten zu ihrem Handwerkszeug. Ein Röntgengerät steht ebenfalls zur Verfügung. Mit ihm nimmt sie das Innere von Blockbergungen unter die Lupe: Manche archäologischen Funde werden zusammen mit dem umgebenden Erdreich ausgegraben, weil eine fachgerechte Freilegung im Feld nicht möglich ist. Trotz aller Vorsicht geht auch in Kaspareks Werkstatt hin und wieder etwas kaputt. „Dann wird es wieder geklebt", sagt die Restauratorin.
„So viel wie nötig, so wenig wie möglich", lautet die Devise bei der Konservierung. Dabei setzen die Fachleute auf reversible Materialien. Also solche Substanzen, die wieder vollständig entfernt werden können, ohne einen Schaden zu hinterlassen. So wie der Schutzüberzug des Armreifs. Nicole Kasparek ist die einzige gelernte Restauratorin beim Landesdenkmalamt. Mitarbeiter Ralph Schirra unterstützt sie. In der Grabungs- und Bausaison trifft fast täglich neues Fundmaterial ein. Nur einen kleinen Teil davon restauriert Kasparek sofort. Nach der Erstversorgung kommen die meisten Objekte ins Magazin. Damit sich ihr Zustand während der Lagerung nicht verschlechtert, ist die richtige Verpackung wichtig. Blockbergungen etwa werden eingegipst. Nicht immer erscheint unter der Korrosionsschicht das, was man zunächst vermutet. Das vermeintliche Glas, das ihr die Kollegen schickten, entlarvte Kasparek schnell als Bronzespiegel. Neben Erfahrung helfen ihr Geduld und eine ruhige Hand. Viele Scherben, Knochenteile oder Stücke von Mosaikböden müssen in aufwendiger Puzzlearbeit zusammengefügt werden. Am Einsatz digitaler Helfer wird bereits geforscht. Ein Beispiel: Mithilfe einer neuen Technologie sollen Tausende Fragmente einer Wandmalerei wieder zusammengesetzt werden. Die eingescannten elektronischen Zwillinge können mit der Maus gedreht, geschoben, gezoomt und digital verklebt werden. Die Digitalisierung hilft bei der Dokumentation der Fragmente und schont das poröse Originalmaterial. Manche Bruchstücke drohen zu zerbröseln, sobald man sie anfasst. In noch gutem Zustand waren die Knochen von vier geköpften Pferden und zwei Hunden, die Archäologen 2007 bei Ausgrabungen in Reinheim fanden. Die Tiere wurden circa 660 nach Christus bestattet. Tierärzte halfen Nicole Kasparek bei der Rekonstruktion der Skelette. Umgekehrt wird auch sie manchmal um Rat gefragt. Etwa wenn die Polizei menschliche Knochen entdeckt. Liegen die Gebeine schon Jahrhunderte in der Erde? Oder führen sie vielleicht zu einem Verbrechen in der Gegenwart? Die Restauratorin kümmert sich auch um die Kooperation mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken. Dort werden regelmäßig aktuelle Fundstücke präsentiert.
Schon als Kind interessierte sie sich für Archäologie
Schon als Schülerin interessierte sich die Saarländerin für Archäologie. Im Bücherregal ihres Vaters entdeckte sie Kurt Wilhelm Mareks „Götter, Gräber und Gelehrte". Der spannende Klassiker zog sie sofort in seinen Bann. Kasparek besuchte Ausstellungen und schaute Fernsehsendungen über Ausgrabungen. Die Eltern waren nicht begeistert, als ihnen ihre Tochter mitteilte, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen möchte. „Das ist doch brotlose Kunst", fürchteten sie. Die Wahl fiel schließlich auf den Studiengang „Restaurierung von archäologischem Kulturgut". An der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin beschäftigte sich Kasparek mit Konservierungs- und Restaurierungstechniken. Chemie, Physik, Archäologie und Technikgeschichte standen ebenfalls auf dem Lehrplan. Mit dem Diplom in der Tasche heuerte sie 1998 am Rheinischen Landesmuseum in Trier an. Seit 2009 arbeitet sie beim Landesdenkmalamt des Saarlandes. Ihre Freizeit verbringt Kasparek mit ihrem Ehemann und Hund Domino und engagiert sich ehrenamtlich als Präsidentin des Rotary Clubs Völklingen. Nach dem Gespräch verabschiedet uns die Restauratorin am Haupteingang des Bergwerks. Es ist Freitagnachmittag kurz vor 16 Uhr. Nicole Kasparek macht aber noch keinen Feierabend, sie hat noch eine Besprechung mit Amtsleiter Dr. Georg Breitner.